Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Das Öl wird in Flakons verkauft, die die Unterschrift des Erfinders tragen, um jede Nachahmung zu verhindern, und zwar zum Preise von drei Franken, bei A. Popinot, Paris, Rue des Cinq-Diamants, im Quartier des Lombards.
Bestellungen werden franko erbeten.
Anmerkung. Das Haus A. Popinot hält auch die Drogerieöle, wie Pomeranzenöl, Süßmandelöl, Kakaoöl, Kaffeeöl, Rizinusöl und andere auf Lager.«
»Mein lieber Freund,« sagte der berühmte Gaudissart zu Finot, »das ist vollendet abgefaßt. Donnerwetter, wie wir da mit der Wissenschaft losziehen! Wir fackeln nicht lange, wir gehen geradenwegs auf die Sache los. Ich mache dir aufrichtig mein Kompliment, das ist nutzbringende Literatur.«
»Was für ein schöner Prospekt«, sagte Popinot begeistert.
»Ein Prospekt, dessen erstes Wort schon das Macassaröl tot macht«, sagte Gaudissart, indem er sich mit feierlicher Miene erhob, um die folgenden Worte zu verkünden, während er Bewegungen wie auf der Rednertribüne dazu machte: »Man – kann – die Haare – nicht wachsen machen! Man – färbt sie – nicht – ohne Gefahr! Ah, darin steckt der Erfolg. Die moderne Wissenschaft befindet sich im Einverständnis mit den Gewohnheiten der Alten. Man kann sich mit jungen und alten Leuten verständigen. Hat man mit einem alten Manne zu tun, so sagt man zu ihm: ›Ach, mein Herr, die Alten, die Griechen, die Römer hatten recht, und sie waren nicht so dumm, wie man uns glauben machen will.‹ Handelt es sich um einen jungen Menschen: ›Mein lieber junger Mann, das ist wieder eine Erfindung, die man der fortschreitenden Erleuchtung zu verdanken hat, wir gehen vorwärts. Was hat man nicht alles von der Dampfkraft, von dem Telegraphen und andern Dingen zu erwarten! Dieses Öl ist das Resultat eines Vortrags des Herrn Vauquelin.‹ Ob wir nicht noch einen Satz aus der Abhandlung des Herrn Vauquelin von der Akademie der Wissenschaften abdrucken, der unsre Behauptungen bekräftigt, was? Famos. Aber nun zu Tisch, Finot. Machen wir uns über das Gemüse her, und trinken wir den Champagner auf das Glück unsres jungen Freundes!«
»Ich habe mir gedacht,« sagte der Autor bescheiden, »daß die Zeit der in oberflächlichem, läppischem Ton gehaltenen Prospekte vorüber ist; wir sind in die Epoche der Wissenschaft eingetreten, deshalb mußte er ein gelehrtes Ansehen und einen autoritären Ton erhalten, wenn er dem Publikum imponieren soll.«
»Wir werden Feuer hinter das Öl machen; es juckt mich schon in den Füßen und in der Zunge. Ich bin der Kommissionär sämtlicher Geschäftsleute, die mit dem Haar zu tun haben; keiner gibt mehr als dreißig Prozent Rabatt; wir müssen vierzig geben, dann garantiere ich für hunderttausend Flaschen in sechs Monaten. Ich gehe zu sämtlichen Apothekern, Drogisten und Friseuren! Und wenn wir ihnen vierzig Prozent gewähren, dann werden sie alle ihre Kundschaft damit überschütten.«
Die drei jungen Leute aßen und tranken mit einem Bärenappetit und berauschten sich an dem zu erwartenden Erfolge des Huile Céphalique.
»Das Öl steigt einem zu Kopfe«, sagte Finot lachend.
Gaudissart erschöpfte sich in Kalauern über die Worte Öl, Haar usw. Da erscholl mitten während des homerischen Gelächters der drei Freunde beim Dessert der Ton des Türklopfers und wurde, trotz der Toaste und des gegenseitigen Gesundheitstrinkens, gehört.
»Das ist mein Onkel! Er ist imstande, mich zu besuchen«, rief Popinot.
»Ein Onkel?« sagte Finot. »Und wir haben nicht einmal ein Glas für ihn!«
»Der Onkel meines Freundes Popinot ist Untersuchungsrichter,« sagte Gaudissart zu Finot, »mit dem wird nicht gespaßt, der hat mir das Leben gerettet. Oh, wenn man sich so wie ich in der Klemme befunden hat, angesichts des Schafotts und schon das ›Quick und adieu ihr Haare‹ zu hören glaubte,« sagte er und machte die Bewegung des verhängnisvollen Beiles nach, »dann erinnert man sich an den edlen Beamten, dem man es zu danken hat, daß einem die Röhre, durch die der Champagner hinabfließt, erhalten geblieben ist! Dann erinnert man sich an ihn, und wenn man sternhagelvoll betrunken wäre. Sie können nicht wissen, Finot, ob Sie Herrn Popinot nicht auch noch mal brauchen werden. Donnerwetter, den müssen wir mit der größten Ehrerbietung begrüßen.«
1 Kanäle, Enten, Canaille. <<<
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Es war in der Tat der edle Richter, der bei der Portierfrau nach seinem Neffen fragte. Als er seine Stimme erkannte, ging Anselm die Treppe hinab mit einer Kerze in der Hand, um ihm zu leuchten.
»Ich begrüße Sie, meine Herren«, sagte der Beamte. Der berühmte Gaudissart verneigte sich tief. Finot betrachtete den Richter mit seinen benebelten Augen und fand ihn ziemlich zopfig.
»Luxuriös sieht es hier nicht aus«, sagte der Richter ernst, während er das Zimmer besah; »aber wenn man etwas Großes werden will, mein Kind, muß man es verstehen, ganz klein anzufangen.«
»Was für ein tiefer Geist!« sagte Gaudissart zu Finot.
»Man könnte einen Artikel darüber schreiben«, sagte der Journalist.
»Ach, da sind Sie ja auch, Herr Gaudissart«, sagte der Richter, der den Reisenden erkannte. »Was tun Sie denn hier?«
»Verehrter Herr, ich beabsichtige, all meine schwachen Kräfte dem Glück Ihres teuren Neffen zu widmen. Wir haben eben den Prospekt für sein Öl geprüft, und in diesem Herrn hier sehen Sie den Verfasser des Prospekts, den wir für eins der schönsten Erzeugnisse der Perücken-Literatur halten.« Der Richter betrachtete Finot.
»Dieser Herr,« sagte Gaudissart, »ist Herr Andoche Finot, einer der ausgezeichnetsten jungen Literaten, der in den Regierungsblättern die politischen Artikel und die Theaterkritiken schreibt, sozusagen ein Minister auf dem Wege zum Schriftsteller.«
Finot