Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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»Als auch um meine Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion festlich zu begehen«, begann Cäsar wieder.
»Ja, richtig, ich weiß. Wer hat mir das doch erzählt? Die Kellers oder Nucingen?«
Roguin, der über diesen Aplomb staunte, machte eine bewundernde Gebärde.
»Ach nein, es war in der Kammer.«
»In der Kammer? War es Herr von Billardière?« fragte Cäsar.
»Gewiß.«
»Ein reizender Mensch«, sagte Cäsar zu seinem Onkel.
»Er redet nichts als Phrasen«, sagte Pillerault, »man ertrinkt bei ihm in Phrasen.«
»Vielleicht habe ich mich dieser Auszeichnung würdig erwiesen …« begann Birotteau wieder.
»Durch Ihre Leistungen im Parfümeriehandel; die Bourbonen verstehen es, alle Verdienste zu belohnen. Ja, halten wir uns an diese großmütigen legitimen Herrscher, denen wir einen unerhörten Wohlstand verdanken … Denn, das können Sie mir glauben, die Restauration weiß, daß sie gegen das Kaiserreich zu kämpfen hat; aber sie wird rein friedliche Eroberungen machen, und Sie werden sehen, was für Eroberungen!«
»Sie werden uns doch gewiß die Ehre erzeigen, unserm Ball beizuwohnen?« sagte Frau Konstanze.
»Um einen Abend bei Ihnen zu verbringen, gnädige Frau, würde ich Millionen im Stiche lassen.«
»Er ist wirklich ein Schwätzer«, sagte Cäsar zu seinem Onkel.
Während der Sonnenglanz des Parfümgeschäfts vor seinem Niedergange seine letzten Strahlen warf, erhob sich kaum merkbar ein Stern am Horizonte der Handelswelt. Der kleine Popinot legte zur selben Stunde in der Rue des Cinq-Diamants den Grundstein zu seinem Vermögen. Die Rue des Cinq-Diamants, eine kleine, enge Straße, die beladene Wagen nur sehr schwer passieren können, mündet an einem Ende in die Rue des Lombards, an dem anderen in die Rue Aubry-le-Boucher, gegenüber der Rue Quincampoix, einer berühmten Straße des alten Paris, von denen die Geschichte Frankreichs so viele berühmt gemacht hat. Trotz dieses Mißstandes ist die Straße infolge der hier vereinigten Drogenhändler nicht ungünstig gelegen, und unter diesem Gesichtspunkte hatte Popinot nicht schlecht gewählt. Das Haus, von der Rue des Lombards aus das zweite, war so dunkel, daß man zu gewissen Zeiten mitten am Tage Licht anzünden mußte. Der neue Geschäftsherr hatte hier am Abend vorher die dunkelsten und widerwärtigsten Räume in Besitz genommen. Sein Vorgänger, der mit Melasse und rohem Zucker handelte, hatte die Merkmale seines Geschäfts an den Wänden, im Hofe und in den Vorratsräumen zurückgelassen. Man stelle sich einen großen, breit ausgedehnten Laden vor, mit dicken eisernen Türen, die dragonergrün gestrichen waren, mit langen, hervortretenden eisernen Bändern und Nägeln, deren Köpfe wie Champignons aussahen, mit Gittern aus Eisendraht, der unten, wie bei alten Bäckerläden, umgebogen war, einem Fußboden von großen, weißen, größtenteils zerbrochenen Steinen und kahlen, gelben Mauern, wie die einer Wachtstube. Daran schloß sich ein Hinterraum und eine Küche, die ihr Licht vom Hofe her empfingen, und schließlich ein zweiter Raum, der früher ein Pferdestall gewesen sein mußte. Eine in dem Hinterraum angebrachte innere Treppe führte zu zwei Zimmern hinauf, die nach der Straße gingen, und die Popinot zu seiner Kasse, seinem Arbeitszimmer und zur Unterbringung der Geschäftsbücher benutzen wollte. Oberhalb der Geschäftsräume befanden sich noch drei enge Zimmer, die an der gemeinsamen Mauer lagen und die Aussicht auf den Hof hatten; hier wollte er wohnen. Es waren drei verwahrloste Zimmer, die nur einen Blick auf den unregelmäßigen, dunklen, von Mauern umgebenen Hof gewährten und die auch beim trockensten Wetter aussahen, als ob sie eben frisch abgeputzt worden wären, einem Hof, zwischen dessen Pflaster eine schwarze, stinkende Masse von der Melasse und dem rohen Zucker zurückgeblieben war. Ein einziges von diesen Zimmern hatte einen Kamin, alle waren ohne Tapeten und hatten einen Fußboden von viereckigen Fliesen. Von frühmorgens an klebten Gaudissart und Popinot unter Beihilfe eines Tapezierergehilfen, den der Reisende aufgetrieben hatte, selbst eine Tapete zu fünfzehn Sous in diesem scheußlichen Zimmer an, das von dem Arbeiter mit Leimfarbe gestrichen wurde. Ein Schülerbett mit einer roten Holzbettstelle, ein schlechter Nachttisch, eine alte Kommode, ein Tisch, zwei Sessel und sechs Stühle, die der Richter Popinot seinem Neffen geschenkt hatte, bildeten das Mobiliar. Über dem Kamin hatte Gaudissart einen Wandspiegel mit elendem Glase, einen Gelegenheitskauf, angebracht. Gegen acht Uhr abends saßen die beiden Freunde vor dem Kamin, in dem etwas Reisig brannte, und schickten sich an, den Rest ihres Frühstücks zu verspeisen.
»Weg mit dem kalten Hammelfleisch! Das paßt nicht zu einem Einweihungsessen«, rief Gaudissart.
»Aber,« sagte Popinot und zeigte auf das einzige Zwanzigfrankenstück, das er aufgehoben hatte, um den Prospekt zu bezahlen, »ich …«
»Ich habe …« sagte Gaudissart und steckte sich ein Vierzigfrankenstück ins Auge.
Ein Schlag mit dem Türklopfer ließ sich jetzt im Hofe hören, der am Sonntag, wo die Handwerker fortgegangen sind und ihre Werkstätten verlassen haben, einsam dalag und jeden Ton widerhallen ließ.
»Da kommt mein Getreuer aus der Rue de la Poterie. Also nicht bloß ›ich habe‹, sondern ›ich habe gehabt‹«, fügte der berühmte Gaudissart hinzu. In der Tat brachte ein Aufwärter in Begleitung von zwei Küchenjungen in drei Körben ein Diner nebst sechs mit Kennerschaft ausgewählten Flaschen.
»Aber, wie können wir denn so viel essen?« sagte Popinot.
»Und der Schriftsteller?« rief Gaudissart. »Finot versteht sich auf Festlichkeiten und auf die Eitelkeiten dieser Welt, er wird schon erscheinen, du harmloser Junge, und zwar bewaffnet mit einem fabelhaften Prospekt. Ein hübscher Ausdruck, was? Prospekte haben immer Durst. Man muß den Samen begießen, wenn man Blumen haben will. Fort mit euch, Sklaven,« sagte er zu den Küchenjungen und warf sich in die Brust,