Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac Gesammelte Werke bei Null Papier

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Aber wenn sich die jun­gen Leu­te et­was in den Kopf ge­setzt ha­ben!« sag­te sie zu Cäsa­ri­ne und deu­te­te da­bei an, daß das Wort »Kopf« das Wort »Herz« be­deu­ten sol­le.

      »Hat er sei­nen Miet­ver­trag ab­ge­schlos­sen?« frag­te Cäsar.

      »Ges­tern schon, und vor dem No­tar«, ver­setz­te Ra­gon. »Er hat ihn auf acht­zehn Jah­re durch­ge­setzt, soll aber ein hal­b­es Jahr vor­aus­zah­len.«

      »Nun, Herr Ra­gon, sind Sie mit mir zu­frie­den?« be­merk­te der Par­füm­händ­ler. »Ich habe ihm, kurz ge­sagt, das Ge­heim­nis mei­ner Er­fin­dung mit­ge­teilt …«

      »Wir ken­nen dich ja in- und aus­wen­dig, Cäsar«, sag­te der klei­ne Ra­gon und er­griff Cäsars Hän­de, die er mit in­ni­gem Freund­schafts­druck preß­te.

      Ro­guin war in ziem­li­cher Un­ru­he dar­über, wie Cla­paron auf­tre­ten wür­de, des­sen Ton und Ma­nie­ren die ehr­sa­men Bour­geois leicht er­schre­cken konn­te; er hielt es des­halb für nö­tig, die Geis­ter vor­zu­be­rei­ten.

      »Sie wer­den«, sag­te er zu Ra­gon, Pil­ler­ault und den Da­men, »ein Ori­gi­nal zu se­hen be­kom­men, das sei­ne Tüch­tig­keit hin­ter er­schre­ckend schlech­ten Ma­nie­ren ver­birgt; er hat sich näm­lich aus ei­ner sehr un­ter­ge­ord­ne­ten Stel­lung durch sei­ne Fin­dig­keit in die Höhe ge­ar­bei­tet. Da er in Ban­kier­krei­sen ver­kehrt, wird er si­cher­lich bald bes­se­re Ma­nie­ren sich an­eig­nen. Sie kön­nen ihn auf dem Bou­le­vard oder im Café in un­or­dent­li­cher Klei­dung her­um­lun­gern oder Bil­lard spie­len se­hen; er macht dann den Ein­druck ei­nes rich­ti­gen Bumm­lers … Aber das ist er durch­aus nicht; er macht dann Stu­di­en, er denkt dar­über nach, wie man die In­dus­trie durch neue Plä­ne um­ge­stal­ten kön­ne.«

      »Ich ken­ne das,« sag­te Bi­rot­teau; »mir sind mei­ne bes­ten Ide­en beim Spa­zie­ren­ge­hen ge­kom­men, nicht wahr, mein Kind?«

      »Cla­paron«, fuhr Ro­guin fort, »bringt dann nachts die auf das Nach­den­ken ver­wen­de­te Zeit wie­der ein. Alle die­se sehr be­gab­ten Leu­te füh­ren ein ab­son­der­li­ches, nicht zu er­klä­ren­des Le­ben. Aber bei all sei­ner Zer­fah­ren­heit er­reicht er doch, das kann ich be­zeu­gen, sein Ziel; er hat es durch­ge­setzt, daß alle un­se­re Ter­rain­be­sit­zer nach­ge­ge­ben ha­ben; sie woll­ten erst nicht, sie wa­ren miß­trau­isch ge­wor­den; da hat er sie auf eine falsche Fähr­te ge­bracht, hat sie kir­re ge­macht, in­dem er sie täg­lich auf­such­te, und nun sind wir Her­ren des Ter­rains.«

      Ein ei­gen­ar­ti­ges Räus­pern, wie es die Ver­eh­rer von Ko­gnak und star­ken Li­kö­ren an sich ha­ben, kün­dig­te die An­kunft die­ser merk­wür­digs­ten Per­son uns­rer Er­zäh­lung, die sicht­lich die Ent­schei­dung über Cäsars künf­ti­ges Ge­schick in der Hand hat­te, an. Der Par­füm­händ­ler eil­te zu der klei­nen dunklen Trep­pe, um Ra­guet zu sa­gen, daß er den La­den schlie­ßen kön­ne, und sich bei Cla­paron zu ent­schul­di­gen, daß er ihn im Spei­se­zim­mer emp­fan­gen müs­se.

      »Aber ich bit­te, das ist doch hier sehr nett, um Ge­mü­se zu … um Ge­schäf­te, woll­te ich sa­gen, ab­zu­ma­chen.«

      Trotz der ge­schick­ten Vor­be­rei­tung Ro­gu­ins emp­fin­gen die Ra­g­ons, die­se Bour­geois mit gu­ten Ma­nie­ren, der scharf be­ob­ach­ten­de Pil­ler­ault, Cäsa­ri­ne und ihre Mut­ter zu­erst einen ziem­lich pein­li­chen Ein­druck von die­sem an­geb­li­chen Ban­kier der vor­neh­men Krei­se.

      Bei ei­nem Al­ter von etwa acht­und­zwan­zig Jah­ren be­saß die­ser ehe­ma­li­ge Rei­sen­de nicht ein Haar mehr auf dem Kop­fe und trug eine Perücke mit Kork­zie­her­lo­cken. Die­se Haar­tracht paßt zu jung­fräu­li­cher Fri­sche, zu ei­nem durch­sich­ti­gen hel­len Teint, dem ent­zückends­ten weib­li­chen Rei­ze; sie paß­te da­her sehr übel zu ei­nem fin­ni­gen, braun­ro­ten, wie das ei­nes Po­stil­li­ons er­hitz­ten Ge­sicht, des­sen früh­zei­ti­ge Run­zeln durch die Ver­zer­run­gen ih­rer tie­fen über­schmier­ten Fal­ten auf ein lie­der­li­ches Le­ben schlie­ßen lie­ßen, des­sen Fol­gen noch in dem schlech­ten Zu­stan­de der Zäh­ne und den über die rau­he Haut ver­streu­ten schwar­zen Fle­cken sich gel­tend mach­ten. Cla­paron sah aus wie ein Pro­vinz­ko­mö­di­ant, der alle Rol­len spie­len kann, sich zur Schau stellt, auf des­sen Ba­cken die Schmin­ke nicht mehr hal­ten will, kraft­los in­fol­ge von Übe­r­an­stren­gung, mit schwam­mi­gen Lip­pen, im Re­den, selbst in der Trun­ken­heit, un­er­müd­lich, mit scham­lo­sem Blick, kom­pro­mit­tie­rend in sei­nem gan­zen We­sen. Die­ses von der lus­ti­gen Flam­me des Pun­sches leuch­ten­de Ge­sicht straf­te die Rede von der Wich­tig­keit sei­ner Ge­schäf­te Lü­gen. Des­halb muß­te Cla­paron sich lan­gen mi­mi­schen Übun­gen un­ter­zie­hen, um sich eine Hal­tung bei­zu­brin­gen, die in Ein­klang mit sei­ner an­geb­li­chen Be­deu­tung stand. Du Til­let war bei Cla­parons Toi­let­te zu­ge­gen ge­we­sen, wie ein Thea­terdi­rek­tor, der we­gen des De­büts sei­nes Haupt­schau­spie­lers in Sor­ge ist. Denn er fürch­te­te sehr, daß die ro­hen Ma­nie­ren die­ses lie­der­li­chen Le­be­man­nes das künst­li­che Äu­ße­re ei­nes Ban­kiers durch­bre­chen könn­ten. »Sprich so we­nig wie mög­lich«, hat­te er zu ihm ge­sagt. »Ein Ban­kier schwatzt nie­mals; er han­delt, er über­legt, denkt nach, hört zu und wägt ab. Willst du also als Ban­kier er­schei­nen, so sage nichts, oder rede über un­wich­ti­ge Din­ge. Bän­di­ge dei­nen fi­de­len Blick und sieh ernst aus, selbst wenn du da­durch geist­los wirkst. In der Po­li­tik stell dich auf Sei­ten der Re­gie­rung und er­geh dich in Ge­mein­plät­zen, wie: ›Das Bud­get ist drückend. Ein Aus­gleich zwi­schen den Par­tei­en ist nicht mög­lich. Die Li­be­ra­len sind ge­fähr­lich. Die Bour­bo­nen müs­sen je­den Kon­flikt ver­mei­den. Der Li­be­ra­lis­mus ist der Deck­man­tel für die ver­ei­nig­ten Son­der­in­ter­es­sen. Die Bour­bo­nen ver­hei­ßen uns eine Ära des Wohl­stan­des, also muß man sie un­ter­stüt­zen, auch wenn man sie nicht liebt. Frank­reich hat ge­nug po­li­ti­sche Ex­pe­ri­men­te ge­macht usw.‹ Lümm­le dich nicht an al­len Ti­schen her­um, den­ke dar­an, daß du die Wür­de ei­nes Mil­lio­närs be­wah­ren mußt. Schnau­fe beim Schnup­fen nicht wie ein al­ter In­va­li­de; spie­le mit dei­ner Ta­baks­do­se, be­trach­te oft dei­ne Füße oder die Zim­mer­de­cke, be­vor du ant­wor­test, gib dir über­haupt ein tief­sin­ni­ges An­se­hen. Ge­wöh­ne dir vor al­lem dei­ne un­glück­se­li­ge Ma­nier ab, al­les an­zu­fas­sen. In Ge­sell­schaft muß ein Ban­kier zu müde er­schei­nen, um et­was an­zu­fas­sen. Also : du ar­bei­test nachts, die Zah­len ma­chen dich dumm, man muß so vie­le Ein­zel­hei­ten zu­sam­men­brin­gen, wenn man eine Sa­che lan­cie­ren will! Es be­darf so vie­ler Vor­be­rei­tun­gen! Vor al­lem: schimp­fe auf die Ge­schäf­te. Sie sind drückend, läs­tig, schwie­rig, dor­nig. Mehr sage nicht dar­über und laß dich nicht auf Ein­zel­hei­ten ein. Sin­ge bei Tisch nicht dei­ne Pos­sen­lie­der von Béran­ger und trin­ke nicht zu­viel. Wenn du dich be­trinkst, set­zest du dei­ne Zu­kunft aufs Spiel. Ro­guin wird auf dich auf­pas­sen; du bist bei mo­ra­li­schen Leu­ten, tu­gend­haf­ten Bour­geois, er­schre­cke sie nicht mit dei­nen Knei­pen­wit­zen.«

      Die­se Moral­pre­digt hat­te auf Karl Cla­parons Geist die­sel­be Wir­kung aus­ge­übt wie sein neu­er An­zug

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