Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Inzwischen war Popinot natürlich wieder nach seinem Geschäftslokal in der Rue des Cinq-Diamants geeilt, um die Adresse des Hauseigentümers zu erfahren, damit er den Mietvertrag abschließen könne. Als er in dem Labyrinth der großen Markthalle herumirrte und über die Mittel, schnell zu Erfolg zu kommen, nachdachte, bot sich Popinot in der Rue Aubry-le-Boucher eine glückverheißende Gelegenheit, mit der er Cäsar am nächsten Morgen zu erfreuen gedachte. Während er vor der Tür des Hôtel du Commerce Wache stand, hörte er um Mitternacht von fern aus der Rue de Grenelle her Gaudissart die Schlußstrophe eines Gassenhauers singen, die er mit dem Aufstoßen des Stockes auf das Pflaster begleitete.
»Nur zwei Worte, lieber Herr«, sagte Anselm, der hervortrat und sich plötzlich zeigte.
»Zehn, wenn Sie wünschen«, erwiderte der Reisende und erhob seinen mit Blei ausgegossenen Stock zum Angriff.
»Ich bin ja Popinot«, sagte der arme Anselm.
»Genug«, sagte Gaudissart, der ihn jetzt erkannte. »Was brauchen Sie? Geld? Augenblicklich nicht vorhanden, ist aber zu beschaffen. Meinen Arm für ein Duell? Ganz zu Ihrer Verfügung, vom Scheitel bis zu den Fußspitzen.«
Und er sang:
»So ist, so ist
Der echte
Französische Soldat.«
»Kommen Sie, ich habe mit Ihnen zehn Minuten zu reden, aber nicht auf Ihrem Zimmer, da könnte man uns hören, sondern auf dem Quai de l’Horloge, da ist um diese Zeit kein Mensch«, sagte Popinot; »es handelt sich um eine äußerst wichtige Angelegenheit.«
»Es brennt also, vorwärts!«
Nach zehn Minuten kannte Gaudissart Popinots Geheimnis und hatte die Bedeutung der Sache begriffen.
»Heran, ihr Parfümhändler, Friseure und Verkäufer«, rief Gaudissart, indem er Lafon in der Rolle des Cid nachahmte. »Ich werde sämtliche Händler Frankreichs und Navarras anpacken. Oh, ich habe eine Idee! Ich wollte abreisen, jetzt bleibe ich hier und lasse mir von dem Pariser Parfümhandel Kommissionen geben.«
»Und warum das?«
»Um Ihre Konkurrenz tot zu machen, Sie Unschuld! Wenn ich ihre Kommissionen habe, so kann ich ihre elenden Kosmetika in Öl ersäufen, indem ich nur von Ihrem Öl rede und mich nur mit ihm befasse. Das wird eine feine Tour! Oh, wir sind die Diplomaten des Handels. Famos! Und was Ihren Prospekt betrifft, so lassen Sie das meine Sorge sein. Ich habe einen Jugendfreund, Andoche Finot, der Sohn des Hutmachers in der Rue du Coq; der Alte hat mich als Reisenden in die Hutbranche eingeführt. Andoche ist voller Geist, anscheinend hat er den Geist aller Köpfe, die sein Vater behütet hat, an sich gezogen; er ist Schriftsteller und schreibt die kleinen Theaterstücke für den Theater-Kurier. Sein Vater, der alte Schuft, hat lauter Gründe, den Geist nicht zu lieben, und hält auch nichts davon; unmöglich, ihm klarzumachen, daß man auch mit Geist Geld verdienen kann, er kennt nur den Weingeist. Der alte Finot hält nun den jungen an der Hungerstrippe. Andoche, ein fähiger Kopf und mein Freund – mit Dummköpfen verkehre ich nur kaufmännisch – macht die Verschen für den Fidèle Berger, der ihn wenigstens dafür bezahlt, während die Zeitungen ihm für seine Sträflingsarbeit einen Hundelohn hinwerfen. Was ist das für eine ruppige Gesellschaft! Das ist genau wie bei den Pariser Artikeln. Finot hat ein wundervolles Lustspiel in einem Akt für Fräulein Mars gemacht, die erste aller Berühmtheiten, ach, wie ich die liebe! Na, und damit es aufgeführt wird, hat er es zum Gaité-Theater bringen müssen. Auf Prospekte versteht sich Andoche, er geht auf kaufmännische Ideen ein, er ist auch nicht stolz, er wird uns den Prospekt gratis zurechtzimmern. Wir werden ihn zu einer Terrine Punsch und Kuchen einladen; denn das bitte ich mir aus, Popinot, keine Redensarten! Ich reise für euch ohne Kommissionsgebühren und ohne Reisekosten; das wird eure Konkurrenz bezahlen, die werde ich schon hineinlegen. Verstehen wir uns richtig: daß ihr Erfolg habt, das ist für mich Ehrensache. Als Belohnung verlange ich, bei Ihrer Hochzeit Brautführer zu sein. Ich gehe nach Italien, nach Deutschland, nach England! Ich nehme Anzeigen in allen Sprachen mit, lasse sie überall anschlagen, in den Dörfern, an den Kirchentüren, an allen geeigneten Stellen, die ich in den Provinzstädten kenne! Auf allen Köpfen soll das Öl leuchten und glänzen! Oh, Ihre Hochzeit soll keine stille Feier, sondern eine Staatshochzeit werden! Sie sollen Ihre Cäsarine bekommen, oder ich will nicht ›Der Berühmte‹ heißen, wie mich der alte Finot getauft hat, weil ich seine grauen Hüte in Mode gebracht habe. Wenn ich Ihr Öl verkaufe, bleibe ich übrigens bei meiner Branche, dem Menschenkopfe; Öl und Hut, beide gelten ja als Erhaltungsmittel der Haare.«
Als Popinot sich zu seiner Tante begab, wo er schlafen wollte, war er infolge der Aussicht auf Erfolg so fieberhaft erregt, daß die Straßen ihm wie Ölbäche erschienen. Er schlief nur wenig, träumte, daß ihm die Haare wahnsinnig wüchsen, und sah zwei Engel vor sich, die eine Rolle entfalteten, wie in einem Melodrama, auf der geschrieben stand: »Huile Césarienne.« Als er beim Erwachen sich an diesen Traum erinnerte, nahm er sich vor, das Nußöl so zu nennen, da er dieses Traumgebilde für eine göttliche Eingebung ansah. Cäsar und Popinot waren schon lange bevor die Nüsse eintrafen in ihrer Fabrik am Faubourg du Temple; während sie auf die Leute der Frau Madou warteten, erzählte Popinot triumphierend von seinem Bündnisvertrage mit Gaudissart.
»Wenn wir den berühmten Gaudissart auf unsrer Seite haben, dann sind wir Millionäre«, rief der Parfümhändler aus und reichte seinem Kassierer die Hand mit einer Gebärde, wie Ludwig XIV. wohl den Marschall von Villars bei seiner Rückkehr von Denain bewillkommnet haben mochte.
»Wir haben auch noch etwas anderes«, sagte der glückliche Kommis und zog eine Flasche von flacher, eckiger Kürbisform aus der Tasche; »ich habe zehntausend solche Flakons entdeckt, alle fertig und lieferbar, zu vier Sous das Stück bei sechs Monaten Ziel.«
»Anselm,« sagte Birotteau, während er die merkwürdige Form des Flakons betrachtete, »gestern« (hierbei nahm er einen würdevollen Ton an) »in den Tuilerien, ja, erst gestern