Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Читать онлайн книгу Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac страница 52
»Essenz und Comagen sind zwei Worte, die nicht passen. Nennen Sie Ihr Kosmetikum doch Birotteau-Öl. Und wenn Sie sich nicht mit Ihrem Namen herausstellen wollen, so wählen Sie irgendeinen andern. Aber das ist ja die Dresdener heilige Jungfrau. Ei, Herr Birotteau, wollen Sie, daß wir uns in Feindschaft trennen?«
»Herr Vauquelin,« sagte der Parfümhändler und ergriff die Hand des Chemikers, »dieses seltene Stück hat einen Wert nur durch die Beharrlichkeit, mit der ich danach gesucht habe. Ich mußte ganz Deutschland danach durchforschen, um einen Avant la Lettre auf Chinapapier aufzutreiben; da ich wußte, daß Sie es sich wünschten, Ihre Tätigkeit ihnen aber nicht gestattete, es zu beschaffen, so bin ich als Ihr Geschäftsreisender aufgetreten. Also nehmen Sie es an, nicht als einen schlechten Stich, sondern als Gegenstand meiner Mühen, meiner sorgsamen Nachforschungen und Maßregeln, die Ihnen meine unbegrenzte Ergebenheit bezeugen sollen. Ich hätte gewollt, daß Sie sich irgend etwas gewünscht hätten, das ich aus einem Abgrund hätte heraufholen müssen, um damit zu Ihnen zu kommen und zu sagen: Hier ist es! Lehnen Sie es nicht ab. Es spricht so vieles dafür, daß man uns vergißt; erlauben Sie, daß wir alle, meine Frau, meine Tochter und mein künftiger Schwiegersohn uns hiermit Ihnen vor Augen stellen. Dann werden Sie, wenn Sie die heilige Jungfrau betrachten, sagen: es gibt noch gute Menschen, die an mich denken.«
»Ich nehme es an«, sagte Vauquelin.
Popinot und Birotteau trockneten sich die Augen, so gerührt waren sie durch den Ton der Güte, den der Akademiker seiner Antwort verlieh.
»Wollen Sie Ihrer Güte noch die Krone aufsetzen?« sagte der Parfümhändler.
»Und womit?« fragte Vauquelin.
»Ich habe einige Freunde zu mir geladen …« (er erhob sich von den Hacken, nahm aber trotzdem eine bescheidene Miene an), »ebensosehr um die Befreiung des Landes, als um meine Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion zu feiern …«
»Ah«, sagte Vauquelin erstaunt.
»Vielleicht habe ich mich dieser allerhöchsten Auszeichnung würdig erwiesen als Richter am Handelsgericht und als Kämpfer für die Bourbonen auf den Stufen von Saint-Roch am 13. Vendémiaire, wo ich von Napoleon verwundet wurde. Meine Frau gibt Sonntag in drei Wochen einen Ball, kommen Sie doch auch hin. Erweisen Sie uns die Ehre, an diesem Tage mit uns zu dinieren. Für mich würde das sein, als wenn ich das Kreuz zweimal erhielte. Ich würde Ihnen vorher noch eine schriftliche Einladung zusenden.«
»Schön, ich werde kommen«, sagte Vauquelin.
»Mein Herz will mir vor Freude springen«, rief der Parfümhändler aus, als sie auf der Straße waren. »Er wird zu mir kommen. Ich fürchte, ich habe vergessen, was er über das Haar sagte, erinnerst du dich noch daran, Popinot?«
»Ja, Herr Birotteau, und in zwanzig Jahren werde ich mich noch daran erinnern.«
»Was für ein großer Mann! Was für ein Blick und was für ein durchdringendes Verständnis!« sagte Birotteau. »Eins, zwei, drei hat er unsre Gedanken erraten und uns die Wege gezeigt, um das Macassaröl zu vernichten. Ah, es gibt nichts, was die Haare wieder wachsen macht, also lügst du, Macassar! Popinot, wir haben ein Vermögen in der Hand. Morgen früh um sieben Uhr sind wir in der Fabrik, da kommen die Nüsse und dann machen wir Öl; er hat gut reden, daß jedes Öl gleich gut ist, wenn das Publikum das wüßte, dann wären wir verloren. Und wenn in unserm Öl nicht etwas Nußextrakt und Parfüm drin wäre, wie könnten wir vier Unzen davon für drei bis vier Franken verkaufen?«
»Sie bekommen den Orden, Herr Birotteau?« sagte Popinot. »Welche Ehre für …«
»Für den Handelsstand, nicht wahr, mein Kind?«
Die triumphierende Miene Cäsar Birotteaus, der seines Erfolges sicher war, wurde von den Kommis bemerkt, die sich untereinander Zeichen machten, denn die Fahrt im Wagen, die festliche Kleidung des Kassierers und des Chefs hatten sie bereits die wildesten Romane kombinieren lassen. Und Cäsars und Anselms zufriedenes Aussehen, was durch diplomatische, zwischen ihnen gewechselte Blicke bekräftigt wurde, der hoffnungsvolle Blick, den Popinot zweimal auf Cäsarine warf, ließen irgendein schwerwiegendes Ereignis erwarten und bestärkten die Kommis in ihren Vermutungen. In diesem beschäftigten und gleichsam klösterlichen Leben nahm man an den kleinsten Vorfällen dasselbe Interesse, wie es der Gefangene seinem Gefängnis zuwendet. Die Haltung der Frau Konstanze, die den olympischen Blicken ihres Mannes mit zweifelnder Miene begegnete, ließ eine neue Überraschung erwarten, denn in normalen Zeiten hätte Frau Konstanze zufrieden sein müssen, weil alle Erfolge im Detailhandel sie froh stimmten. Und außergewöhnlicherweise hatte dieser Tag eine Einnahme von sechstausend Franken gebracht; es waren mehrere ältere Rechnungen bezahlt worden.
11
Das Speisezimmer und die Küche, die ihr Licht von einem kleinen Hof her erhielt und vom Speisezimmer durch einen Korridor getrennt war, auf dem eine in einer Ecke des hinteren Ladens angebrachte Treppe mündete, lagen im Zwischengeschoß, wo sich früher Cäsars und Konstanzes Wohnung befand; das Speisezimmer, wo sie ihre Flitterwochen verlebt hatten, machte daher den Eindruck eines kleinen Salons. Während des Essens hütete Raquet, der zuverlässige Hausdiener, den Laden, wenn aber der Nachtisch aufgetragen wurde, gingen die Kommis wieder hinab und ließen Cäsar, seine Frau und seine Tochter ihre Mahlzeit allein am Kaminfeuer beenden. Diese Sitte stammte von den Ragons her, bei denen die alten Herkommen und Gebräuche, die im Handelsstande immer noch in Übung waren, jene riesige Distanz zwischen ihnen und den Kommis festhielten, wie sie früher zwischen Meister und Lehrling bestand. Cäsarine oder Konstanze bereitete dann dem Parfümhändler seine Tasse Kaffee, die er in einem Lehnstuhl am Kamin trank. Während dieser Stunde erzählte Cäsar seiner Frau die kleinen Tagesereignisse, wen er in Paris gesehen hatte, was im Faubourg du Temple passiert war und was er für Unannehmlichkeiten in der Fabrik gehabt hatte.
»Liebe Frau,« sagte er, als die Kommis hinuntergegangen waren, »heute