Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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»Wie steht es denn mit dem Kleide für die Mama?« sagte Cäsar zu Cäsarine.
»Es wird alles rechtzeitig fertig sein. Mama denkt, sie hat nur das Crêpe-de-Chine-Kleid, das gleiche wie meines; die Schneiderin hat versichert, daß das neue nicht anprobiert zu werden braucht.«
»Also wieviel Personen haben wir?« fragte Cäsar laut, da er seine Frau die Augen wieder öffnen sah.
»Mit den Kommis hundertneun«, sagte Cäsarine.
»Wie sollen wir denn diese ganze Gesellschaft unterbringen?« sagte Frau Birotteau. »Ach,« setzte sie aus tiefstem Herzen aufseufzend hinzu, »nach diesem Sonntag wird’s doch auch mal Montag werden.«
Bei Leuten, die von einer sozialen Stufe in die nächst höhere aufrücken, vollzieht sich nichts in einfacher Weise. Weder Frau Birotteau, noch Cäsar, noch sonst jemand durfte unter irgendeinem Vorwande das erste Stockwerk betreten. Cäsar hatte seinem Hausdiener Raguet einen neuen Anzug für den Balltag versprochen, wenn er scharf Wache hielte und seinen Auftrag strikt ausführte. Birotteau wollte, wie der Kaiser Napoleon in Compiègne, als das Schloß anläßlich seiner Vermählung mit Marie Louise von Österreich restauriert wurde, nichts einzeln Fertiggestelltes sehen, er wollte von dem Ganzen »überrascht« werden. So trafen die beiden alten Gegner unbewußt noch einmal zusammen, aber nicht auf einem Schlachtfelde, sondern auf dem Felde bourgeoiser Eitelkeit. Herr Grindot sollte also Cäsar dann bei der Hand nehmen und ihm die Wohnung zeigen, wie ein Führer die Neugierigen in einer Galerie herumführt. Jedes Mitglied der Familie hatte sich übrigens seine »Überraschung« ausgedacht. Cäsarine, das gute Kind, hatte ihren ganzen kleinen Sparschatz, hundert Louisdors, ausgegeben, um ihrem Vater Bücher zu schenken. Herr Grindot hatte ihr eines Morgens anvertraut, daß er im Zimmer ihres Vaters eine zweiteilige Bibliothek, die ein kleines Kabinett bildete, angebracht habe, eine Architekten-Überraschung. Cäsarine hatte daraufhin alle ihre Mädchen-Ersparnisse zu einem Buchhändler getragen und schenkte ihrem Vater: Bossuet, Racine, Voltaire, Jean-Jacques Rousseau, Montesquieu, Molière, Buffon, Fénelon, Delille, Bernardin de Saint-Pierre, La Fontaine, Corneille, Pascal, La Harpe, kurz, die übliche Bibliothek, die man überall findet, und die ihr Vater doch niemals lesen würde. Sie mußte aber eine schauderhafte Buchbinderrechnung ergeben. Der berühmte unpünktliche Buchbinder Thouvenin hatte versprochen, die Bände am 15. mittags abzuliefern. Cäsarine hatte ihre Not dem Onkel Pillerault geklagt, und dieser hatte die Sache auf sich genommen. Cäsars Überraschung für seine Frau war ein Kleid aus kirschrotem Sammet mit Spitzen garniert, wovon er eben mit seiner Tochter, die eingeweiht war, gesprochen hatte. Frau Birotteaus Überraschung für den neuen Ordensritter bestand in einem Paar goldener Schuhschnallen und einer Busennadel mit einem Brillanten. Dann stand noch der ganzen Familie die Überraschung mit der neuen Wohnung bevor, worauf nach vierzehn Tagen die große Überraschung der zu bezahlenden Rechnungen folgen sollte.
Cäsar hatte abends reiflich überlegt, welche Einladungen er persönlich überbringen und welche er mit Raguet zuschicken sollte. Nun nahm er einen Wagen und setzte seine Frau mit hinein, die sich mit einem Federhut und dem neuen Kaschmirschal, den sie sich seit fünfzehn Jahren gewünscht hatte, verunstaltet hatte. Das festlich gekleidete Ehepaar erledigte zweiundzwanzig Besuche an einem Vormittag.
Cäsar hatte seiner Frau die Schwierigkeiten erspart, die in einem bürgerlichen Haushalt die Herstellung der Speisen, die für das glänzende Fest erforderlich waren, bereitet hätte. Er hatte einen geschickten Vertrag mit dem berühmten Chevet abgeschlossen, der prachtvolles Silberzeug stellte, das ihm an Leihgeld so viel wie ein Rittergut einbrachte; er lieferte auch das Diner, die Weine und die Dienerschaft, die von einem vornehm aussehenden Haushofmeister dirigiert wurde und sämtlich für ihr Tun und Treiben verantwortlich war. Chevet verlangte, daß ihm die Küche und das Speisezimmer des Zwischenstocks als Hauptquartier zur Verfügung gestellt wurden; er bedurfte dieser Räume, wenn er um sechs Uhr ein Diner für zwanzig Personen und um ein Uhr morgens ein prächtiges kaltes Büfett servieren sollte. In dem Café de Foy hatte Birotteau das Fruchteis bestellt, das in hübschen Tassen mit vergoldeten Löffeln auf silbernen Platten gereicht werden sollte. Tanrade, eine andere Berühmtheit, lieferte die Erfrischungen.
»Sei nur ruhig,« sagte Cäsar zu seiner Frau, als er sie am Abend vorher etwas aufgeregt fand, »Chevet, Tanrade und das Café de Foy werden im Zwischengeschoß sein, Virginie bewacht den zweiten Stock, der Laden wird sorgfältig verschlossen werden. Wir brauchen uns nur im ersten Stock auszubreiten.«
Am 16. um zwei Uhr erschien Herr von Billardière, um Cäsar in die Kanzlei zu begleiten, wo er mit einem Dutzend anderer Ritter von dem Herrn Grafen von Lacépède empfangen werden sollte. Der Bürgermeister traf den Parfümhändler mit Tränen in den Augen an, Konstanze hatte ihn eben mit den goldenen Schnallen und dem Brillanten überrascht.
»Es ist köstlich, wenn einem so viel Liebe entgegengebracht wird«, sagte er, als er vor den versammelten Kommis, Cäsarine und Konstanze in den Wagen stieg. Alle bewunderten Cäsar in seiner schwarzseidenen Hose, seidenen Strümpfen und dem neuen kornblumenblauen Frack, auf dem bald das Band, das nach Molineux’ Ausspruch in Blut getaucht war, prangen sollte. Als Cäsar zum Essen zurückkehrte, war er bleich vor Freude, besah sein Kreuz in allen Spiegeln, denn in der ersten Trunkenheit begnügte er sich nicht mit dem Bande und zeigte seinen Stolz ohne jede falsche Bescheidenheit.
»Liebe Frau,« sagte er, »der Herr Großkanzler ist ein entzückender Mensch; auf ein Wort von Billardière hat er meine Einladung angenommen. Er kommt mit Herrn Vauquelin. Herr von Lacépède ist ein bedeutender Mann, ja, ebenso bedeutend wie Herr Vauquelin; er hat vierzig Bände geschrieben! Und dazu ist dieser Schriftsteller Pair von Frankreich. Wir dürfen nicht vergessen, daß man ihn mit ›Eure Herrlichkeit‹ oder mit ›Herr Graf‹ anredet.«
»Aber so iß doch endlich«, sagte seine Frau. »Dein Vater benimmt sich schlimmer als ein Kind«, sagte Konstanze zu Cäsarine.
»Wie hübsch sich das an deinem Knopfloch ausnimmt«, sagte Cäsarine. »Man wird vor dir präsentieren, wir müssen zusammen ausgehen.«
»Jede