Eight Ball Boogie. Declan Burke

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Eight Ball Boogie - Declan  Burke

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des Flusses im Old Quarter, wo die Innenstadt in die Hafengegend überging, die sich Richtung Westen erstreckte. Das Viertel bestand aus fünf oder sechs belebten Straßenzügen, durchzogen von Eisenbahntrassen, Straßen voller Schlaglöcher und kleinen Gassen, die allesamt zum Hafen führten. Die Gegend war zu laut für eine Wohngegend, und die Laufkundschaft war zu sporadisch, um ein Einkaufszentrum am Leben zu erhalten, also durfte das Old Quarter seine bröckelnden Fassaden, seinen rissigen Asphalt und seine marode Kanalisation behalten.

      Das Old Quarter zog eine recht gemischte Bevölkerung an. Crusties lachten über Kids auf Skateboards, die kichernd an ihnen vorbeiflitzten. Trinker, Penner und Straßenmusiker bettelten Passanten um ihr knappes Kleingeld an. Studenten mischten sich unter Tunten, Taugenichtse und Kleinganoven und fanden das total aufregend.

      Ich schlief schon seit ein paar Monaten auf dem Sofa im Hinterzimmer meines Büros, hatte mich daran gewöhnt und sah den Verlierern draußen auf der Straße schon ziemlich ähnlich. Die meisten davon mochte ich und fand ihren Mangel an Ehrgeiz und Zurückhaltung in Ordnung. Die Leute hier im Viertel waren auf ein Pfandhaus in ihrer Nähe angewiesen, sie brauchten einen Laden mit Army-Klamotten und ein Tattoostudio. Die Kneipen hatten getönte Scheiben, die Sexshops nicht, und die Imbisscafés sollten vielleicht mal darüber nachdenken. Es gab Antiquitätenläden und sogar ein Geschäft für biologische Lebensmittel aus Thailand und eindeutig zu viele antiquarische Buchhandlungen. In der zweiten Reihe, näher am Flussufer, gab es ein paar Autowerkstätten, die die Dinge schwarz und geschmiert am Laufen zu halten wussten. In den Bars wurden Jazz, Folk und Drum’n’Bass gespielt, und im Sommer hing der schwere Duft von Patschuli und geschmolzenem Teer in der Luft. Nachts genügte es, mit heruntergelassenem Fenster durch die Gegend zu fahren, um sich zu bedröhnen.

      Das Quarter war ein angenehmer Ort zum Leben und zum Arbeiten, wenn man eine blinde Freundin hatte und die Klienten noch verzweifelter waren als man selbst. Denise war nicht blind, aber das war nur ein Teil des Problems. Zwischen mir und ihr gab es so einige Schwierigkeiten. Was mich betraf, so hatte ich eigentlich nur ein Problem, aber Denise ließ mich an ihren Sorgen gerne teilhaben.

      Ich kam gegen zehn im Büro an, ohne irgendwelche Rekorde gebrochen zu haben. Ich griff nach dem Telefon, um im Erdgeschoss einen Becher Kaffee zu bestellen. Herbie war auf dem Anrufbeantworter. Er klang ungewöhnlich munter für diese Tageszeit, eigentlich war er immer entweder stoned oder er schlief. Mindestens einmal pro Tag kiffte er sich in einen regelrechten Vollrausch.

      »Harry … Harry? Scheiße … Harry, schaff deinen Arsch zu Tony Sheridan. Das Haus am See hinter der Rennbahn. Seine Frau hat’s erwischt, Kehle aufgeschlitzt. Die Bullen versuchen, das mit dem Koks unter Verschluss zu halten. Sieht super aus, hab die Fotos im Kasten. Ruf mich an, wenn ich dir den Weg beschreiben soll.«

      Das war nicht nötig. Jeder wusste, wo Tony Sheridan wohnte, außer Tony selbst vielleicht, zumindest in jenen Nächten, in denen er glaubte, er würde bei der Brünetten leben, die das Bojangles betrieb. Das war ein Puff mit ganz jungen Hühnern nahe am Fluss, allerdings nicht nah genug, um bei einer Überschwemmung mal ordentlich durchgespült zu werden.

      Ich steckte Diktafon und Notizblock ein und überlegte kurz. Schüttelte den Kopf. Dachte noch mal darüber nach – Gonzo war nach Hause gekommen und ein blutiges Verbrechen war geschehen, beides an einem Vormittag. Das konnte Zufall sein oder auch nicht. Ich schloss die untere Schublade des Aktenschranks auf, schob den Unterboden beiseite, zog den .38er mit dem kurzen Lauf heraus und schob sie am Rücken in meinen Gürtel.

      Ich nahm die Abkürzung durch die Passage gegenüber vom Coffee Shop, überquerte die Fußgängerbrücke und erreichte den Parkplatz. Verschwendete fünf Minuten damit, zu überlegen, wo ich den Wagen gelassen hatte. Dann ging ich über die Brücke zurück und lief am Ufer entlang zum Taxistand.

      Der fette, rotgesichtige Fahrer sagte kein Wort, warf mir durch den Rückspiegel vielsagende Blicke zu, kaute auf seinem borstigen Schnurrbart herum und verzog den Mund zu einem süffisanten Grinsen. Ich nahm das mal so hin, mir musste sowieso keiner erzählen, dass ich total abgerissen aussah. Mein schwarzer Anzug war aus der Form und zerknittert, denn ich hatte nur den einen, den ich von Montag bis Freitag trug. Die Hemden darunter wechselte ich täglich, bis sie beide grau waren. Die dünne schwarze Krawatte hatte ich umsonst zum Anzug dazubekommen und knotete sie immer zum Jahresbeginn neu. Sollte mir Glück bringen. Die Schuhe waren italienisch und aus Wildleder, denn Frauen schauen dir immer zuerst in die Augen und dann auf deine Schuhe. Und ich hatte nun mal Augen, die Frauen dazu brachten, einen längeren Blick auf meine Schuhe zu werfen.

      In meinem Job muss man beschissen aussehen. Ich verdiene mein Geld mit Leuten, die Markenklamotten lieben und die ungerührt lauter reden und nicht immer genau aufpassen, was sie sagen, wenn jemand in einem schäbigen Anzug zwei Hocker weiter an der Bar sitzt oder in einem Restaurant weiter hinten in einer ruhigen Nische mit verstaubten Plastikpflanzen. Wenn ein Kunde verzweifelt genug war, klammheimlich mein Büro aufzusuchen, dann hatte er in der Regel so viele Probleme, dass er sich keine Gedanken darüber machte, ob meine Klamotten besser waren als seine. Er wollte einen Anzug und eine Krawatte sehen, die zueinander passten. Das reichte.

      Die allermeisten kamen klammheimlich. Gelegentlich stiefelte auch mal einer erhobenen Hauptes herein, weil er nichts zu verbergen hatte. Solche Typen wollten, dass ich ihren vermissten Hund aufspürte.

      Im Grunde aber sah ich beschissen aus, weil es mir egal war, wie ich aussah, und weil ich es mir nicht leisten konnte, darüber nachzudenken. Wenn man im Old Quarter eine Münze mit zwei Köpfen warf, blieb sie in zwei von drei Fällen auf dem Rand stehen.

      Beim letzten Mal war sie gar nicht mehr heruntergekommen.

      Herbie fläzte sich auf seinem ramponierten Moped, die Ellbogen auf den Lenker gelegt, seine Zulassung war schon lange abgelaufen. Er sah müde aus und zitterte leicht. Unter dem Rand seiner schwarzen Wollmütze, die er sich über die Ohren gezogen hatte, lugten ein paar rote Locken hervor und rahmten ein Gesicht ein, das die Farbe von saurer Milch hatte und mit zahllosen Pickeln übersät war.

      »Warum hast du so scheißlange gebraucht?«

      »Deine Mutter wollte meine Schuhe nicht wieder rausrücken.«

      »Zum Glück ist das dein Problem, nicht meins.« Er deutete mit dem Kopf auf die schicke Villa mit den zwei Wohnebenen. Das obere Stockwerk wurde von zwei Säulen gehalten, die Vorderfront war ganz aus Glas, darunter lag eine Garage mit zwei Toren. Er sagte betont beiläufig: »Sie vermuten, dass sie sich selbst getötet hat.«

      »Hat sich eigenhändig die Kehle durchgeschnitten?« Ich stieß einen Pfiff aus. »Ganz schön mutig.«

      »Es gibt noch eine andere Theorie: Sie macht die Tür auf, und er stößt sofort zu. Schleppt sie ins Wohnzimmer, die Füße voran, und sie tritt immer noch um sich. Also macht er sich mit ihrem eigenen Steakmesser noch mal an ihr zu schaffen, rein, raus, immer wieder, und sägt an ihr herum.«

      »Wer hat dir das denn erzählt?«

      »Regan. Jedenfalls legt er ihr dann das Messer in die Hand und lässt den Arm ganz natürlich herunterfallen. Damit es wie ein Selbstmord aussieht. Zieht ein paar Linien auf dem Couchtisch, hinterlässt alles schön unordentlich, reibt ein bisschen was davon auf ihr Zahnfleisch, lässt das Briefchen fallen.«

      »Gibt’s Fingerabdrücke?«

      »Millionen, du guckst wirklich zu viele Filme. Regan sagt, er hat sich Zeit gelassen hinterher, hat mit seinem Stiefel das Hochzeitsfoto zertreten, um ein Motiv

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