Das Weiße Haus am Meer. Hannes Nygaard

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Das Weiße Haus am Meer - Hannes Nygaard Hinterm Deich Krimi

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innenpolitischen Probleme hat man in China mit wirtschaftlichem Fortschritt beiseiteschieben können. Die könnten jetzt wieder aufwachen. Daran ist der dortigen Führung genauso wenig gelegen wie den Russen. Dort geht der Protest gegen die Einschränkung der Demokratie einher mit den aufgrund des Embargos verhängten wirtschaftlichen Sanktionen. Die Menschen wollen Freiheit, aber auch Wohlstand. Und eingeschränkte Rechte kann man mit Wohlstand sublimieren. In Singapur beklagt sich niemand über nur singulär vorhandene Bürgerrechte.«

      Kuckuck ließ seinen Blick in die Runde schweifen, um sich von der Wirkung seiner Ausführungen zu überzeugen. Dann fuhr er fort: »Wir dürfen die innenpolitischen Gegner nicht unterschätzen. Die Minderheiten von Schwarzen, Latinos und sozial Benachteiligten …«

      »Denen man die Krankenversicherung verweigert?«, merkte Lüder an.

      Kuckuck ging nicht darauf ein. »Leute, die schärfere Waffengesetze wünschen, und viele andere. Auch jene, die in der freien Wirtschaft durchs Raster gefallen sind.«

      »Sie haben viele Allgemeinplätze angeführt«, sagte Lüder ungehalten. »Das andere Gremium mit den Politikern wäre dazu das richtige Forum gewesen. In diesem Kreis wäre es dienlicher, wenn Sie konkreter würden. Von welcher Seite erwarten wir eine Gefahr für den Besucher? Haben Sie sich mit befreundeten Diensten ausgetauscht?«

      »Sie haben falsche Vorstellungen von unserer Arbeit. Erwarten Sie eine Liste mit Namen?«

      »Ja.«

      »Insofern muss ich Herrn Kuckuck recht geben«, mischte sich Sabine Wuschig ein. »Mit solchen Angaben können wir in der Kürze der uns zur Verfügung stehenden Zeit nicht rechnen.«

      »Was soll dann geschehen? Wir müssten präventiv tätig werden. Gibt es schon einen Plan, unsere Grenzen zu schließen? Die Einreise von Attentätern erfolgt nicht unbedingt über Deutschland. Den Norden haben wir gut im Griff, gemeinsam mit den Skandinaviern. Aber was ist mit dem restlichen Europa? Wenn der gedungene Mörder über Brüssel oder Paris einreist?«

      Timmerloh vom BKA nickte zustimmend. »Wir kennen nicht alle Schläfer, die beispielsweise als Migranten eingeschleust wurden. Diese Vorgehensweise ist uns bekannt. Was ist mit jenen, die unauffällig als Geschäftsleute oder Studierende bei uns sind? Wir kennen nicht einmal alle Geheimdienstler, nur die akkreditierten. Doch jeder Dienst verfügt auch über Personal, das im Verborgenen agiert. Oder?« Timmerloh sah Kuckuck an. Der zuckte nicht einmal mit den Augenbrauen.

      »Was ist mit den Nichtregierungsorganisationen?«, setzte Lüder nach. »Mit anderen Worten: Wir wissen gar nichts.«

      »So kann man das nicht sagen«, beschwerte sich Kuckuck. »Wir müssen unbedingt mit unseren amerikanischen Freunden sprechen.« Er holte hörbar Luft. »Es muss …«

      Lüder schaltete ab. Die Ausführungen stahlen ihnen Zeit, die sie nicht hatten. Entweder wusste der BND nichts, oder man hüllte sich in Schweigen. Beides war nicht hilfreich.

      Lüder warf einen Blick aus dem Fenster auf die Förde. Es regnete. Alles war in ein Einheitsgrau getaucht. Der Wind kräuselte das Wasser. Von der anderen Seite, aus der Schwentine, näherte sich ein »Bügeleisen«, ein Fährschiff der Kieler Schlepp- und Fährgesellschaft, das mit seiner Bauform an das Haushaltsgerät erinnerte.

      Mit Erstaunen registrierte er ein Ruderboot, in dem sich eine Frau und ein Mann tapfer gegen das Wetter und die Naturgewalten stemmten. Sie saßen in dem Gig-Ruderboot hintereinander mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Der Doppelzweier hatte Ausleger mit Dollen, in die, soweit er das aus der Distanz erkennen konnte, Skulls eingelegt waren, die eigentlich für Rennboote im Sommer genutzt wurden. Die beiden, erkennbar eher den Senioren zuzurechnen, mussten Ruderenthusiasten sein, dass sie sich bei diesem Wetter, bei dem andere sich scheuten, überhaupt das Haus zu verlassen, aufs Wasser trauten. Ihr schmales Boot tanzte auf den Wellen, als sie die Förde kreuzten und den südlich des Landtags gelegenen Ersten Kieler Ruderclub ansteuerten, dessen Gründung auf das Jahr 1862 zurückging. Sicher hatten sich die erfahrenen Sportler entsprechend ausstaffiert. Von hier aus sah er nur die seewasserfeste Kleidung und die Pudelmützen. Es schmerzte ihn fast, als er zusah, wie die beiden mit kräftigem Zug die Skulls durch das aufgewühlte Fördewasser zogen.

      »Insofern haben wir jetzt einen groben Überblick über die Gefahrenlage«, zog Frau Wuschig ein Resümee, nachdem Kuckuck geendet hatte.

      »Das ist unbefriedigend. Wir hätten uns detaillierte Informationen gewünscht«, sagte Jochen Nathusius. »Auf dieser Basis können wir nicht viel planen.«

      »Planen ist ohnehin kaum möglich«, ergänzte Dr. Starke. »Dazu reicht die Zeit nicht. Selbst wenn wir Ad-hoc-Maßnahmen ergreifen, können wir nur marginal tätig werden.«

      »Ich sehe ein, dass eine Landespolizei mit solchen Ereignissen überfordert ist«, erwiderte Kuckuck. »Deshalb wurde das BKA mit ins Boot geholt.«

      »Und die Bundespolizei vergessen«, erwiderte Lüder spitz.

      »Die ist von uns informiert worden, konnte aber so kurzfristig nicht reagieren«, fügte Frau Wuschig an. »Das wurde hier schon gesagt.«

      »Ich verstehe Ihre Sorgen«, meinte Möller-Reichenbach, »lassen Sie aber bei all Ihren Überlegungen nicht das Protokollarische außer Acht. Es handelt sich um eine hochgestellte Persönlichkeit, wenn nicht um die Persönlichkeit überhaupt. Ich muss auf die Einhaltung des Protokolls bestehen und behalte mir namens des Bundespräsidialamtes ein Vetorecht vor. Es gilt, nicht nur technische Aspekte zu betrachten.«

      »Ich denke, es ist ausdrücklich ein privater Besuch«, sagte Lüder.

      »Wenn der amerikanische Präsident kommt, ist es nie ein Privatbesuch«, erwiderte Möller-Reichenbach pikiert.

      »Lassen Sie uns noch einmal auf die Unterkunft zurückkommen, die der Präsident ausgewählt hat«, erinnerte Lüder daran, dass sie diese Frage nicht weiter erörtert hatten.

      Sabine Wuschig wollte antworten, aber Möller-Reichenbach kam ihr zuvor.

      »Bezug nehmend auf sein deutsches Blut hat der Präsident eine entfernte Verwandte ausgemacht. Hildegard von Crummenthal.«

      »Aus der Dynastie der Industriellenfamilie?«, wollte Lüder wissen.

      »Die Familie ist nicht nur in der Industrie engagiert«, sagte Frau Wuschig.

      »Ich weiß. Es ist ein weitverzweigter Familienclan …«

      »Clan sollten wir nicht sagen«, protestierte Timmerloh vom BKA. »Darunter verstehen wir eher kriminelle Strukturen.«

      Lüder unterließ es, eine Parallele zu mafiösen Strukturen zu ziehen, auch wenn er es satirisch meinte. »Die Crummenthals sind in vielen Bereichen tätig, auch wenn sie sich im Unterschied zu anderen Familien bedeckt halten und nicht direkt auf das Tagesgeschäft Einfluss nehmen. Sie lassen Managern den Vortritt. Man munkelt, dass manche von diesen wie Marionetten aus dem Hintergrund gesteuert werden.«

      »Soll das eine politische Diskussion werden?«, sagte Kuckuck und sah Lüder mit zusammengekniffenen Augen an.

      »Ich zähle nur Fakten auf. Also: Onkel Donald …«

      »Ich protestiere gegen solche Formulierungen!« Möller-Reichenbach war laut geworden. »Der Präsident kann nach eigener Recherche auf verwandtschaftliche Beziehungen zu den Crummenthals verweisen.«

      »In welcher Weise?«,

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