Das Weiße Haus am Meer. Hannes Nygaard

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Das Weiße Haus am Meer - Hannes Nygaard Hinterm Deich Krimi

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zog von dannen.

      Lüder machte sich auf den Weg nach Timmendorfer Strand. Für die etwa siebzig Kilometer, die ihn an Preetz und Plön vorbeiführten, benötigte er fast anderthalb Stunden. Zu anderen Jahreszeiten war es eine reizvolle Strecke durch die leicht hügelige Landschaft. Heute bereitete das Fahren auf den alleenartigen Straßen wenig Freude.

      Timmendorfer Strand mit fast neuntausend Einwohnern galt als eines der mondänsten Ostseebäder mit seinem großen touristischen Angebot. Vor der deutschen Wiedervereinigung bevölkerten Massen die Orte an der Lübecker Bucht. Lüder hatte sich damals, wie viele andere, gewundert, dass man die Lage hemmungslos ausnutzte, um zu überhöhten Preisen Urlaubsfreuden anzubieten, ohne im gleichen Maße zu investieren.

      »Dein Soli verschwindet an Mecklenburgs Küste«, hatte sein Vater irgendwann einmal festgestellt, nachdem seine Eltern die herausgeputzten Orte im Osten entdeckt hatten.

      Plötzlich war man an der Lübecker Bucht ins Hintertreffen geraten. Timmendorfer Strand schien davon verschont geblieben zu sein. Selbst an einem Tag mit widrigen Witterungsbedingungen wie heute traf man auf Touristen, die – wetterfest gekleidet – den Ort durchstreiften. Wer den Strandweg Richtung Niendorf mit seinem beschaulichen Fischereihafen benutzte, konnte das durch einen Zaun und sorgfältig gestutzte Rhododendrenbüsche abgeschirmte Haus bewundern, das der Familie von Crummenthal gehörte. Lüder wählte die Zufahrt über die ruhige Wohnstraße, in der sich zahlreiche Traumhäuser auf großzügigen Grundstücken aneinanderreihten.

      Am gemauerten Pfosten neben dem schmiedeeisernen Tor fand er einen bronzenen Klingelknopf. Ein Namensschild fehlte. Es dauerte eine Weile, bis sich die Kamera in der gläsernen Halbkugel bewegte. Er wurde gescannt, nannte nach Aufforderung seinen Namen und hielt seinen Dienstausweis in die Kamera.

      »Kommen Sie«, sagte eine Stimme mit einem hart klingenden Akzent.

      Dann öffnete sich die Pforte automatisch. Es war ein weiter Weg durch das makellos gepflegte Anwesen bis zum repräsentativen Portal. Marmorstufen, stellte Lüder fest. Die vier Säulen waren makellos weiß. Das galt auch für die schwere Holztür mit den eleganten Verzierungen und den Messingbeschlägen. In der Türöffnung stand ein Mann mittleren Alters in einem mausgrauen Anzug. Er hielt in einer Hand den Türrahmen, in der anderen das Türblatt und sah Lüder mit einem fragenden Blick an.

      »Landespolizei«, sagte Lüder und präsentierte erneut seinen Dienstausweis, den der Mann aufmerksam studierte. Lüder hielt ihn für den Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes.

      »Sie wünschen?« Es war die Stimme, die ihn über den Lautsprecher am Tor begrüßt hatte.

      »Ich würde gern mit Frau von Crummenthal sprechen.«

      »Mit der gnädigen Frau?« Der Mann zog eine Augenbraue in die Höhe, als hätte Lüder um eine Audienz beim Papst gebeten. Oder beim amerikanischen Präsidenten, ergänzte er für sich selbst. »Ich werde nachfragen«, erklärte der Securitymann und schloss die Tür.

      Es dauerte einige Minuten, bis er wieder erschien, die Tür ganz öffnete, Lüder ins Haus bat und ihm bedeutete, in der Halle zu warten. Lüder sah sich um. Hier schien alles auf Repräsentation ausgerichtet zu sein.

      Eine geschwungene Marmortreppe mit einem handgeschnitzten Geländer führte ins Obergeschoss. Teppiche bedeckten große Flächen der ebenfalls mit Marmor ausgelegten Halle, in der Plastiken deponiert waren. Wäre nicht Weiß die dominierende Farbe, hätte das Interieur den Anstrich eines düsteren englischen Adelssitzes haben können. Dazu passten auch die Wandgemälde, eine Galerie von in Öl gefassten, finster dreinblickenden Männern, vermutlich die Ahnenreihe der erfolgreichen Industriebarone, Bankiers und Reeder. Die hohen Räume waren an den Decken stuckverziert und wurden durch Kristallleuchter erhellt.

      Eine Frau in einem beigefarbenen Pullover und einem Rock im schottischen Karomuster erschien. Auf dem ausladenden Busen lag eine Kette aus grüner Jade auf. Die ganze Erscheinung wirkte dezent.

      »Guten Tag«, sagte sie. »Sie kommen von der Polizei? Darf ich fragen, in welcher Angelegenheit?«

      Lüder wollte seinen Dienstausweis zeigen, doch die Frau winkte ab.

      »Es geht um den Wunsch des amerikanischen Präsidenten, dieses Haus zu besuchen.«

      »Das hat uns viel Unruhe beschert«, sagte die Frau. »Mein Name ist Berghoff. Ich bin die Assistentin Frau von Crummenthals«, stellte sie sich vor. »Sie sehen mich nicht überrascht, dass die Polizei uns ihre Aufwartung macht. Es war schon jemand von der Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamts hier und hat sich umgesehen. Grob. Der Mann hat angekündigt, dass noch mehr Personal dieses Haus in Augenschein nehmen wird. Es gilt, potenzielle Risiken für den Besucher auszuschließen. Abgesehen davon werden auch Wünsche hinsichtlich der Bequemlichkeit zu erfüllen sein.« Frau Berghoff zog dezent die Augenbraue in die Höhe. »Als würde es ihm daran in diesem Haus mangeln.«

      »Es klingt so, als wäre die Entscheidung bereits gefallen«, stellte Lüder fest.

      »Es wurde seitens Berlins ein mehr oder minder starker Druck ausgeübt. Hinter dem Wunsch dieses Herrn«, das »Herr« ließ sie gekonnt nasal klingen, »stecken handfeste politische Interessen. Frau von Crummenthal konnte sich dem nicht verschließen. Sie fühlt sich in dieser Hinsicht in einer staatsbürgerlichen Verantwortung.«

      Ob es auch wirtschaftliche Interessen sein könnten?, überlegte Lüder. Berlin könnte auf mögliche internationale Verflechtungen der Familie von Crummenthal verwiesen haben.

      »Der US-Präsident hat auf seine familiären Kontakte aufmerksam gemacht«, warf Lüder ein.

      Frau Berghoff zog hörbar Luft durch die Nase ein. »Gewiss«, sagte sie spitz. »Wenn wir weit genug bis zu Adam und Eva zurückgehen, sind wir alle miteinander verwandt.« Sie drehte sich um. »Kommen Sie bitte«, forderte sie Lüder auf und ging auf eine bestimmt drei Meter hohe Doppeltür aus dunklem Holz zu, hinter der eine Bibliothek lag. Diese wirkte im Unterschied zur lichtdurchfluteten Eingangshalle fast düster. Ein Kamin aus Sandstein dominierte neben den hohen Bücherregalen den Raum. Vor dem Kamin standen zwei schwere, mit Samt bezogene Sessel, davor ein runder Beistelltisch aus Messing mit einer Glasplatte. Ein gehämmertes Tablett, ebenfalls aus Messing – oder vergoldet? –, trug eine Teekanne, eine Tasse aus englischem Porzellan und die unvermeidlichen Accessoires für dieses Zeremoniell. Im mächtigen Sessel versunken, saß eine kleine schmächtige Frau mit schlohweißen Haaren. Hinter der Goldrandbrille sahen ihm zwei wässrige blaue Augen entgegen.

      »Der Herr von der Polizei«, sagte Frau Berghoff.

      Die alte Dame streckte Lüder die Hand entgegen. Sie trug eine weiße Bluse und eine Kette mit einem Medaillon um den Hals.

      »Guten Tag, Frau von Crummenthal. Lüders ist mein Name. Ich komme vom Landeskriminalamt Kiel.« Die Hand mit den Altersflecken wirkte zerbrechlich. Die zierliche Frau musste die Füße auf eine Fußbank stellen. Ohne diese würden die Beine nicht bis zum Boden reichen.

      »Bitte«, sagte sie und zeigte auf den zweiten Sessel. Dann drehte sie leicht den Kopf und ergänzte in Richtung Frau Berghoffs: »Bitte eine Tasse für Herrn Lüders, Eleonore.«

      »Sehr gern«, antwortete die Assistentin und entfernte sich diskret.

      Frau von Crummenthal sprach leise. Man musste sich konzentrieren, um ihren Worten folgen zu können. Es war keine Frage des Alters. Der Besucher wurde so gezwungen, ihr seine volle Aufmerksamkeit zu schenken.

      »Ich fürchte, ich werde in der nächsten Zeit viel Besuch

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