Lacroix und die stille Nacht von Montmartre. Alex Lépic

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Lacroix und die stille Nacht von Montmartre - Alex Lépic Red Eye

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fragen.

      »Sie meinen Serge Foll.«

      Den Namen allerdings hatte Lacroix schon gehört. »Der renitenteste Künstler von Paris?«

      Sie grinste ihn von der Seite an. »Ich habe schon befürchtet, dass wir nicht darum herumkommen werden, ihn zu befragen, hatte bislang aber keine Lust. Und ich hatte die leise Hoffnung, dass vielleicht auch die Damen etwas wissen.«

      »So schlimm?«

      »Du wirst es gleich sehen, mein lieber Lacroix.«

      Sie gingen um den Platz herum, weg von den Restaurantterrassen. Leichter Uringeruch hing in der Luft. Der Commissaire war sicher, dass sich hier nun wirklich kein Tourist mehr hinverirrt hatte, wenn der Platz vorn schon so ausgestorben war. Als sie um die Ecke bogen, wurde er eines Besseren belehrt. Vor einer Staffelei standen Dutzende Menschen Schlange, die meisten eingehüllt in dicke Funktionskleidung. Maler und Leinwand waren hinter der Menge nicht zu erkennen.

      Sie traten näher und betrachteten den Auflauf. Alle diese Menschen schienen zu warten, bis sie an der Reihe waren. Lacroix war verblüfft. Rose Violet reichte es, sie drängelte sich an der Schlange vorbei, der Commissaire folgte ihr.

      Er kratzte sich am Kopf, als er den Mann sah. Er hatte schon einiges über den Künstler Serge gehört, doch gesehen hatte er ihn noch nie. Der Mann war ein lebendes Klischee. Die Staffelei vom Publikum abgewandt, saß er in einem ausladenden Sessel mit Armlehnen, als hätte ihn Hemingway persönlich erdacht: Ein dunkelbrauner Lodenmantel, die grauen Haare schauten wirr unter einer Baskenmütze hervor, dazu ein langer Kinnbart. Hinter einer Hornbrille schauten seine Augen unverwandt auf das Bild, das er mit langem Pinsel bearbeitete, dabei hielt er den Kopf ein wenig schräg. Im Mundwinkel klemmte eine glimmende Kippe, Lacroix hätte Wetten angenommen, dass es sich um eine filterlose Gitanes handelte. Vor ihm auf einem deutlich unbequemeren Hocker saß eine junge Asiatin. Sie saß ganz aufrecht und steif da, als wagte sie es nicht zu atmen. Immer wieder sah der Maler erst sie an, dann betrachtete er die Leinwand und nahm noch einige Änderungen vor. Die drei Polizisten blieben stehen, bis der maître zufrieden schien. Dann stand er auf, hielt einen Moment inne, griff nach der Leinwand und drehte sie um. Ein Raunen ging durch die Menge.

      Auch Lacroix hob erstaunt die Augenbrauen und trat einen Schritt näher, um das Gemälde genauer zu betrachten. Es war wirklich unglaublich: Das Bild war eine originalgetreue Kopie dieser Frau, mehr noch, die Frau auf der Leinwand war noch schöner als die, die neben ihm stand, dachte Lacroix, ohne damit die Asiatin mit ihrer porzellanfarbenen Haut und ihren dunklen Augen herabzuwürdigen. Der Künstler hatte sie nicht einfach schöner gemalt, als sie war, es war vielmehr so, als habe er neben ihrem Gesicht auch noch Teile ihrer Persönlichkeit aufs Papier gezaubert.

      Die Frau hatte die Hand vor den Mund geschlagen vor Rührung. Sie wartete, bis der Maler die Leinwand wieder auf die Staffelei gestellt hatte, dann umarmte sie ihn, und er grinste, während er die junge Frau in den Armen hielt. Er verpackte das Bild in eine dünne Folie, gab es ihr, und sie zog, ihr Porträt fest an sich gedrückt, von dannen. Ehe sich die nächste Kundin auf den Hocker setzen konnte, traten Violet und Lacroix zur Staffelei, Castraux im Schlepptau.

      »Bonjour, Monsieur Foll«, sagte Violet. Der Künstler sah auf, und binnen Sekunden veränderte sich seine gesamte Gestalt. Die Hand, die eben so feinfühlig den Pinsel geführt hatte, ballte sich zu einer Faust, während er wütend das Gesicht verzog.

      »Non«, sagte er, und seine Stimme war rau und tief, dabei aber ganz leise, als versuche er, sich zu zügeln.

      »Ich habe noch gar nichts gesagt.«

      »Das können Sie sich auch sparen. Ich rede nicht mit flics

      »Wir können es ja vielleicht mal versuchen, Sie wissen doch noch gar nicht, worum es geht.«

      »Wenn Sie hier auftauchen, gibt es Ärger.«

      »Herrgott, Monsieur Foll«, jetzt klang die Commissaire ärgerlich. »Nun lassen Sie mich doch einfach meine Frage stellen, und dann sind wir wieder weg.«

      Er sah zu ihr auf und knurrte: »Entweder Sie verhaften mich oder Sie hauen ab. Ich bin kein Helfershelfer für irgendwas.«

      Rose ließ die Schultern sinken. Lacroix sah sie von der Seite an, sie nickte stumm. Ohne ihre Zustimmung hätte er in ihrem Revier keine Befragung übernommen, so aber räusperte er sich und ergriff das Wort.

      »Monsieur Foll, mein Name ist Lacroix, ich bin der Leiter des Kommissariats im fünften Arrondissement.«

      Interessiert sah der Mann nun ihn an, seine Miene blieb aber finster. »Und wenn Sie mir den Innenminister herschleppen!«

      Lacroix überlegte nur kurz. »Im Interesse Ihrer Kundschaft«, begann er und hatte einen schärferen Ton angeschlagen, »die sicher weiter von Ihnen gemalt werden möchte, bitten wir Sie doch nur um eine Antwort. Ansonsten rufen wir nämlich gleich den Richter an, und dann kommen wir wieder und schleppen Sie einmal quer über den Platz und verhören Sie im Kommissariat. Dann verlieren Sie einen ganzen Tag. Anschließend bitte ich auch gleich mal die Kollegen vom Finanzamt um eine genaue Buchprüfung. Dann werden wir sehen, ob Sie all die Kunden, die Sie hier täglich zeichnen, auch steuerlich geltend machen – oder nur drei, vier wie die anderen, die neben Ihnen sehnsüchtig auf Kundschaft warten.«

      Serge Foll ließ seinen Pinsel sinken. »Eine Frage …«, sagte er leise.

      »Sie waren der Letzte, der vorgestern Nacht gearbeitet hat. Wie lange waren Sie hier? War zu diesem Zeitpunkt die Beleuchtung noch da? Und ist Ihnen etwas oder jemand aufgefallen?«

      Der Mann lehnte sich zurück und grinste. »Wegen der Funzeln schicken die flics gleich zwei Commissaires? Ehrlich? Das glaub ich nicht. Arbeiten Sie also doch für die großen Konzerne? Sind die Herren von Électricité de France sauer, weil ihnen die Werbemaßnahme abhandengekommen ist?« Er lachte ein raues Lachen.

      »Sie wollen nicht, dass wir Ihre Zeit vergeuden, also vergeuden Sie auch nicht unsere, Monsieur«, sagte Lacroix.

      »Gut. Ich saß hier bis elf, halb zwölf, dann bin ich nach Hause. Da brannte die Beleuchtung, der ganze Platz sah aus wie ein beschissener Jahrmarkt. Es ist nicht zum Aushalten, dieser Kitsch. Mein Paris verkommt langsam zum Disneyland.«

      »Sie mögen die neue Beleuchtung also nicht?«

      »Die Kitschmaler um mich herum, die mögen den Kitsch. Ist ja auch klar, er bringt ihnen Kunden, die auch Kitsch mögen. Ich aber bin Künstler! Und von meinen Werken lenkt jeder äußere Einfluss ab. Wegen mir können Sie dem Dieb einen Orden verleihen.« Er schnaufte angewidert, hob den Arm und wies in Richtung Kirche. »Sehen Sie, dort, das haben die aus unserem Quartier gemacht. Einen Vergnügungspark, in dem die Gäule Elchgeweihe tragen.«

      Tatsächlich war die Schneekutsche in diesem Moment um die Ecke gebogen und fuhr provokativ langsam an ihnen vorbei.

      »Und dann noch dieser Baum unten am Hügel. Mit einem riesigen Kreuz obendrauf. Die Kirche glaubt wohl, sie könne sich alles erlauben! Aber in Frankreich …«, er klopfte mit seinem Pinsel auf die Staffelei, »herrscht der Laizismus. Da hat die Kirche nicht den Baum zu stiften!«

      Lacroix ließ sich von Folls Tiraden nicht beirren. »Ist Ihnen etwas aufgefallen in der Nacht?«

      »Wenn ich hier fertig bin, dann sehe ich mich nicht um. Ich packe mein Zeug und gehe nach Hause, denn dort erwartet mich der eigentliche Höhepunkt des Tages. Sie werden

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