Lacroix und die stille Nacht von Montmartre. Alex Lépic
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»Ich habe gehört, er hat überhaupt erst die Presse darauf angesetzt. Er soll außer sich gewesen sein!«
»Ich werde einfach mal nachfragen, was es Neues gibt. Er wird ohnehin darauf kommen, dass ich wegen dir frage. Er ist sehr intelligent, beinahe …«
»Beinahe was, chérie?«
»Beinahe gerissen, wollte ich sagen. Er ist erst seit einem knappen Jahr auf dem Posten, ich kenne ihn also längst nicht so gut wie die meisten anderen Kollegen. Aber er erscheint mir sehr karrieristisch, als habe er ein deutlich größeres Ziel vor Augen. Er war ein hoher Offizier, weißt du? Bevor er in die Politik ging.«
»Du traust ihm nicht …«
»Woher weißt du das? Er ist ein junger Politiker … ach herrje, immer musst du Commissaire sein.«
Sie mussten lachen, und Lacroix griff wieder zu seiner Gabel.
»Egal, vielleicht ist es ja auch wirklich nur eine einmalige Sache, dann brauche ich mich nicht zu kümmern, und wir können das alles vergessen.«
»Vielleicht«, sagte Dominique versonnen, als wäre sie in Gedanken, »ja, vielleicht …«
Der Baum am Berg
5
Die Hoffnung, dass es sich um einen einmaligen Zwischenfall handelte, währte nur kurz, auch wenn der Tag ausgeschlafen und heiter begann. Das Ehepaar erwachte in seiner Wohnung in der Rue Cler, durch die Fenster schien die tief stehende Sonne. Der Himmel war blau, und nur die Eisblumen an der Scheibe deuteten darauf hin, dass es ein äußerst kalter Wintertag war.
Lacroix trat ans Fenster und sah kopfschüttelnd auf die schmale Marktstraße, die unter einer dicken Schneeschicht verborgen lag. Ungeachtet dessen stellte Ivy schräg gegenüber gerade die Tulpen in großen Eimern auf die Straße, die Rosen ließ sie allerdings lieber im beheizten Laden. Der Käsehändler zog seinen Rollladen hinauf, der Fischhändler würde erst später folgen. Sicher stand er auf dem Weg vom Markt in Rungis in einem der vielen Staus, die sie im Radio erwähnt hatten.
Sie hatten die Flasche noch ausgetrunken, dann waren sie aufgebrochen und langsam nach Hause gelaufen. Es hatte zwar aufgehört zu schneien, doch ihre Schuhe hatten tiefe Spuren in der weißen Landschaft hinterlassen. Die Stadt hatte so unberührt und friedlich dagelegen, dass der Commissaire ganz gerührt gewesen war. Die Spuren der Lacroix führten durch den Jardin des Tuileries, dann hatten sie die Place de la Concorde passiert und waren an den Quais der Seine westwärts gelaufen, bis sie über die Pont Alexandre III. gegangen waren. Auf der Brücke war der Schnee am höchsten gewesen, es gab außer ihnen beinahe keine Fußgänger. Zu ihrer Rechten hatte der Eiffelturm geleuchtet, und Dominique hatte ihren Lacroix an sich gedrückt.
Sie hatten keine Lust mehr gehabt, irgendwo einzukehren, und so hatten sie es sich daheim auf dem Sofa gemütlich gemacht. Madame Lacroix hatte noch einige Vorlagen durchgesehen, während der Commissaire in einem alten Simenon-Krimi gelesen hatte, Maigret und die braven Leute.
Sie waren früh zu Bett gegangen. Nun stand Madame Lacroix in bester Rathausmontur an der Tür und winkte ihm zu.
»Ich muss los, ich habe eine Sitzung. Wir sehen uns heute Abend?«
»Einen schönen Tag«, wünschte er, dann schloss sie leise die Tür, und er hörte ihre eiligen Schritte auf der hölzernen Treppe.
Lacroix kleidete sich an, dann verließ auch er die Wohnung und ging hinunter auf die Rue Cler. Es war die Stunde, in der alle Menschen aus ihren Wohnungen strömten, den Büros entgegen, und der Commissaire reihte sich ein, grüßte hier und nickte dort. Hintereinander gingen sie über den schmalen Weg, der von der Stadtreinigung freigeräumt worden war, während sich rechts und links die Schneeberge türmten.
Am Kiosk vorn an der Ecke zur Rue Saint-Dominique blieb er stehen, weil er glaubte, nicht richtig zu sehen. Doch. Das war er, auf der Titelseite von Le Parisien. Lacroix grüßte den Verkäufer, der sofort grinste: »Oh, Commissaire, wechseln Sie das Revier? Was machen Sie denn in Montmartre? Gut für mich, die Ausgabe geht weg wie warme Baguettes.«
Lacroix lächelte, auch wenn ihm ganz und gar nicht komisch zumute war. Er nahm eine Zeitung, legte ein paar Münzen auf den Teller und las im Gehen die Schlagzeile.
Böses Weihnachtswunder auf Montmartre – doch nun kommt Maigret
von Romy Schneider
Lacroix schnaubte. Wie konnte das sein? Schon wieder diese impertinente Journalistin. Hatten sie auf der Lauer gelegen und auf ihn gewartet? Er erinnerte sich an den Fotografen, der die Bilder gemacht hatte. Wütend las er weiter.
Eigentlich sind die Adventstage eine friedliche und besinnliche Zeit. Doch für die Bürger des Achtzehnten gab es am Donnerstagmorgen eine böse Überraschung: Über Nacht wurde die komplette Weihnachtsbeleuchtung auf der Place du Tertre abgebaut. Gestern berichteten wir darüber nur als kurze Meldung – doch die Aufregung bei den Bewohnern von Montmartre hat uns erreicht, in Form von Mails, Anrufen, Leserbriefen. Auch der Bürgermeister des Arrondissements, Charles Dufour, hat uns persönlich empfangen und appelliert an die Diebe: »Sie machen uns Weihnachten nicht kaputt. Wir wollen unsere Weihnachtsbeleuchtung zurück!« Und er bittet um Mithilfe: »Wenn Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, etwas gehört oder gesehen haben, dann melden Sie sich bitte bei der Polizei oder im Rathaus.«
Nun naht Rettung – und wir durften gestern Zeuge davon werden: Commissaire Lacroix, unseren Lesern als der neue Maigret bekannt, scheint sich des bösen Weihnachtswunders anzunehmen. Jedenfalls erwischten wir ihn gestern Nachmittag am Ort des Verbrechens, als er gerade mit der zuständigen Kollegin die Maler auf der Place du Tertre befragte. Nicht zuletzt nach der spektakulären Festnahme im Fall des toten Bäckers von Saint-Germain (wir berichteten) ist klar: Die Diebe der Weihnachtslichter werden sich gut verstecken müssen. Wir bleiben an dem Fall dran.
Lacroix schlug sich die Hand vor den Kopf. Er konnte es nicht fassen. So ein Unfug. Beinahe wäre er auf der Eisfläche ausgerutscht, die sich auf einem Gullydeckel gebildet hatte, doch er konnte sich gerade noch abfangen. Gedankenversunken lief er gen Osten und merkte gar nicht, dass er schon vor dem Chai de l’Abbaye stand. Das war gut. Einen Kaffee brauchte er jetzt dringend.
»Verdammt«, murmelte er, weil er schon wieder vergessen hatte, seine Pfeife anzuzünden. Was war denn mit ihm los? Dieser Fall, der keiner war, brachte ihn völlig aus dem Konzept.
Er öffnete die Tür, und sofort schlug ihm dieser Geruch entgegen, bei dem er sich für gewöhnlich gleich heimisch fühlte. Der Duft nach warmen Croissants, nach frischem Kaffee und nach dem Putzmittel, mit dem Yvonne morgens den Laden wischte. Wieder war kein anderes Mitglied seiner Theken-Troika da. Doch gerade, als er sich an der Bar niederlassen wollte, mit einem suchenden Blick nach der Wirtin, ertönte es hinter ihm: »Commissaire, endlich, ich warte schon auf Sie!«
Lacroix schloss die Augen. Das war doch unmöglich. Er drehte sich nicht um, doch eine Sekunde später saß sie