Der Sonderermittler. Hans Becker

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Der Sonderermittler - Hans Becker

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die Kindeshoffnung weg.

      Wie verhält es sich nun laut Gesetz?

      Ist der Betreffende verpflichtet in Schadensfällen

      den alten Zustand wiederherzustellen?

      Natürlich waren wir alle für Wiederherstellung …

      Als wir erstmalig Heimurlaub hatten, trafen wir auf dem Bahnhof in Dresden eine unserer Dozentinnen. Sie fuhr im selben Zug, und im Gespräch erfuhren wir, dass sie auch mit dem gleichen Zug wie wir zur Schule zurückfahren musste. Sie versprach Plätze freizuhalten und siehe da, als der Zug in Halle hielt, hatte sie ihr Versprechen gehalten und so plauderten wir bis Dresden. Sie ist mir aber noch aus anderem Grund in Erinnerung: Sie war vom Dienstgrad Major und hieß Marschall. Durch ihren freundlichen, aber doch fordernden Umgang mit uns war sie allgemein sehr beliebt. Später in meinen vielen Dienstjahren habe ich allerdings nichts mehr von Majorin Marschall gehört.

      Die drei Lehrgangs-Monate waren schnell vorbei und wir reisten wieder in unsere Dienststellen zurück. Und so kam ich wieder in die Untersuchungsabteilung der Kriminalpolizei Halle und hatte wieder zu kämpfen, um meinen Aktenbestand auf maximal zwanzig zu bekommen.

      Über meine Dienstjahre in Halle zu schreiben, ohne zu erwähnen, dass es in dieser Stadt eine tausendjährige Tradition des Salzsiedens gab und mit vielen überlieferten Bräuchen wie Fahnenschwenken, Brautgeleit, Fischerstechen, Laternenfest und ein Salzwirkermuseum mit Dutzenden Silbergefäßen wäre unvollständig. In der Stadt gibt es noch heute die älteste Schokoladenfabrik Deutschlands mit den berühmten Hallorenkugeln. Jährlich nahmen viele Tausende am Laternenfest auf der Saale teil, mit hunderten laternengeschmückten Booten, vom Ruderboot bis zum Ausflugsdampfer. Einen tollen Ausblick auf das Spektakel hat man von der Burg Giebichenstein aus, von der man zur Saale hinabsehen kann. Von den Mauern der Burg, so die örtliche Legende, soll sich auch Ludwig der Springer gestürzt haben, als er vor seiner Hinrichtung floh. Seinen Mantel habe er wie einen Fallschirm aufgespannt – allerdings erwähnt die Sage nichts darüber, ob Ludwig sein waghalsiges Manöver überlebt hat. Vielleicht war er ja Vorläufer und Anreger all jener, die sich heute als »Basejumper« mit Fallschirmen von Felsen, Brücken oder Türmen stürzen.

      Es soll aber noch ein damals allen Hallensern vertrautes Original erwähnt werden: ein Straßenmusikant namens Zither-Reinhold. Er saß bei jedem Wetter in irgendeiner Ecke des Marktplatzes auf einem alten Kissen und klimperte auf seiner Zither. Er klimperte irgendwas, niemals ein richtiges Lied. Er gehörte zur Stadt wie der Turm auf dem Marktplatz. Niemand wusste, wie er hieß und wo er wohnte. Aber es fiel sofort auf, wenn er nicht klimperte, weil er sich verspätet hatte. Er starb 1964, und die ganze Stadt trauerte um ihn. Sie verlor mit ihm ein wahrhaftiges Faktotum.

      Und es gab auch in der Nähe des Stadttheaters eine Gaststätte mit dem ulkigen Namen »Zum Sargdeckel«. An der Decke des Gastraumes hing ein echter Sargdeckel. Er war, so wurde vermutet, als Zahlungsmittel in die Gaststätte gekommen. Im Gastraum standen schwere Holztische und Stühle. In die Tischplatte des Stammtisches wurden die Todesdaten und der Name des verstorbenen Stammgastes eingeschnitzt. Kein Gast, der nicht Stammgast war, setzte sich an diesen Tisch. Das haben ja Stammtische auch heute noch als Privileg. Die Gaststätte fiel nach der Wende ihrem Alter und ihrer Gebrechlichkeit zum Opfer und wurde abgerissen.

      Beginn in der MUK / Mord durch Sowjetsoldaten

      Eines Tages fragte mich auf dem Korridor eine Kriminalistin: »Hans, hast du Zeit? Kannst Du mir bei den Ermittlungen helfen?« Natürlich hatte ich Zeit, Ruthchen zu helfen. So fuhr ich mit ihr in einem klapprigen F9-Kübelwagen los, ohne zu wissen, worum es sich handelte. Sie erklärte mir unterwegs sinngemäß, dass wir die Zigeunerin Sonja festnehmen müssten, gegen die ein Haftbefehl zu vollstrecken war. Sie erklärte mir auch, wo Sonja zu finden sei und dass wir vor jeder Handlung erst mit dem Familienvorstand, dem »Zigeunerbaron« sprechen müssten, um keinen Ärger mit der Sonjas Familie zu bekommen. Den trafen wir auch im Winterquartier des Familienclans. Er hörte Ruthchen an und rief irgendetwas in den Raum, und nach einigen Minuten kam die von uns Gesuchte, die er uns als Sonja vorstellte und uns übergab. So fuhren wir mit ihr davon. Ich begleitete Ruthchen noch in die Untersuchungshaftanstalt Halle, wo wir Sonja ablieferten. Für mich war damit der Einsatz beendet.

      Nach einer Woche schallte lautes Gelächter durch den Korridor, in der die Untersuchungsabteilung ihr Zimmer hatte. Was war geschehen? Sonja hatte in einer Vernehmung bei Ruthchen behauptet, sie sei nicht die Gesuchte. Es war nicht zum Lachen. Der »Zigeunerbaron« hatte uns ein Mädchen mitgegeben, welches nun behauptete, nicht Sonja zu sein. Es konnte nicht geklärt werden, wer nun wer war, und zur Vermeidung weiteren Ärgers musste die junge Frau aus der Haft entlassen werden.

      Aber wochenlang lachten alle über Ruthchen und mich. Es beruhigte sich aber wieder, weil es ja jedem anderen Kriminalisten auch hätte passieren können.

      Der Tagesablauf war in erster Linie durch unaufhörlich eingehende Untersuchungsarbeit ausgefüllt. Einmal wöchentlich war Zeitungsschau für alle Kriminalisten. Ein vorher bestimmter Kriminalist musste sie abhalten, und da wir keinen Versammlungsraum hatten, ging gegen 7.30 Uhr jeder mit seinem Stuhl in den Korridor, nahm Platz und ließ alles über sich ergehen. Ich weiß nicht mehr, warum diese Zeitungsschau durchgeführt wurde, es kann sein, dass nicht alle eine Zeitung bestellt hatten oder dass Papiermangel der Grund war. Dieser Termin wurde nicht sonderlich ernst genommen, fand aber regelmäßig statt.

      Auch Parteiversammlungen wurden natürlich durchgeführt, aber alles in allem war der Tagesablauf durch die kriminalistische Arbeit ausgefüllt und für politische Gespräche war eigentlich keine Zeit. Die meisten Ermittlungen im Gebiet der Stadt Halle wurden zu Fuß oder mit der Straßenbahn erledigt. Nur bei Ermittlungen im Saalkreis stand ein Motorrad zur Verfügung. Alles war durch Sparsamkeit geprägt, die aber nicht besonders durch die Dienstvorgesetzten erzwungen werden musste, es war einfach nichts da. Wir hatten meist zu zweit eine Schreibmaschine. Ich schrieb auf einer uralten englischen »Remington«, und so war bei der Planung der Vorladungen immer mit abzusprechen, wann eine Schreibmaschine frei war. Es hatte auch nicht jeder ein Strafgesetzbuch, aber an das Ausleihen von Schreibmaschine und Gesetzbuch war man schnell gewöhnt. Als wir einmal unseren Schrank abrückten, weil wir das Zimmer renovieren wollten, lasen wir erstaunt auf der Rückseite den großen Stempel »Gestapoleitstelle Halle«. Er ließ sich auch nicht beseitigen, so blieb er halt dran, wurde übermalt und der Schrank wieder mit der Rückseite an die Wand gestellt.

      Die Untersuchungsabteilung war etwa zwanzig Frauen und Männer stark, jeder half jedem, nur so war alles zu bewältigen. Es gab aber nicht nur junge Menschen, sondern auch ältere, welche schon den Krieg miterlebt hatten.

      Einer dieser Älteren ist mir noch in besonderer Erinnerung. Er war Oberleutnant und bei allen als Bastler an alten Autos und Motorrädern bekannt. Wenn man mit ihm den so genannten Kriminaldauerdienst, also die Nachtschicht, zu verrichten hatte, meldete er sich bei seinem Mitstreiter, wenn sich die Stadt beruhigte hatte, so meist nach Mitternacht, unter Bekanntgabe einer Telefonnummer ab. »Ich fahre in die Bereitschaft, ruf an, wenn du mich brauchst«; und da der Dauerdienst den alten klapprigen F9-Kübelwagen hatte, fuhr er weg und kam früh gegen 7.00 Uhr wieder, da ja die Nachtschicht übergeben werden musste. Alle wussten, dass er an einem Auto bastelte. Es wurden auch Kontrollanrufe getätigt, aber alles lief problemlos.

      Eines Tages war er mit dem Auto, einem alten, nun durch ihn aufgemotzten F9 fertig und so kam er fortan mit diesem Wagen von seinem Wohnort zum Präsidium gefahren. Eines Tages, es muss etwa 1955 oder 1956 gewesen sein, wurde zu einer außerordentlichen Parteiversammlung aufgerufen, welche am gleichen Tag durchgeführt werden sollte. Niemand wusste, worum es gehen sollte, alles war sehr geheimnisvoll. Im Raum waren Zivilisten, die niemand kannte. Es wurde gemunkelt und vermutet, dass sie von der Stadtleitung sein könnten. Was die Stadtleitung aber mit der Kriminalpolizei zu tun haben sollte, wussten wir

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