Der Sonderermittler. Hans Becker

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Der Sonderermittler - Hans Becker

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verdächtigen Umständen« gemeldet worden war. Er betrachtete auch bekannt gewordene Selbsttötungen aus kriminalpolizeilicher Sicht.

      Diese Sachbearbeiter waren quasi ein Filter zwischen Gut und Böse und wichtige Leute innerhalb der Kriminalpolizei. Das Verhältnis dieser Sachbearbeiter zur Morduntersuchungskommission war wirklich von Bedeutung. Oft ergaben sich telefonische Nachfragen bei der Klärung von Sachverhalten. Diese Sachbearbeiter mussten jeden Abschlussbericht über durchgeführte Untersuchungen bei einem Todesfall an die MUK schicken. Wir übten dann die Kontrolle über die Qualität der Untersuchung aus und gaben möglicherweise Hinweise zur Nachermittlung.

      Wegen der großen Entfernung zu diesen Sachbearbeitern – Quedlinburg etwa war einhundert Kilometer entfernt – hatten wir meist nur telefonische Kontakte, bei einem der eher seltenen Hilferufe fuhren wir natürlich zu ihm. Jährlich kamen mehrere hundert solcher Abschlussberichte zu uns zur Kontrolle.

      Als zum Beispiel im VPKA Merseburg ein neuer Sachbearbeiter für die Untersuchung unnatürlicher Todesfälle eingesetzt wurde, bestellten wir ihn zu uns in die MUK. Das war insofern günstig, da zwischen Merseburg und Halle eine Straßenbahnverbindung bestand. Es war eigentlich keine richtige Straßenbahn. Sie fuhr zwar auf Gleisen des innerstädtischen Straßenbahnnetzes und auch mit auf dem Dach befindlichen Stromabnehmern, aber es war keine innerstädtische Bahn, sondern eine Verbindung zwischen Halle, Merseburg und Bad Dürrenberg. Ihre Waggons waren länger, kompakter, hatten größere Fensterscheiben und mit Leder überzogene, heizbare gepolsterte Sitze. Für die damalige Zeit war es ein wahrer Luxus. Diese Bahn, genannt Überlandbahn, fuhr vom Riebeckplatz in Halle mit Haltestellen weiter nach Ammendorf, Merseburg, Schkopau und Leuna und hatte den Endpunkt in Bad Dürrrenberg. Es war eine schnelle und eine günstige Verbindung zwischen den genannten Städten. Sie fuhr stündlich, von meines Wissens 4.00 Uhr früh bis abends 23.00 Uhr. Viele Beschäftigte der umliegenden Werke benutzten sie täglich.

      So bestellten wir eines Tages, vermutlich 1963, den Leichensachbearbeiter von Merseburg zu uns nach Halle, wir wollten ihn persönlich kennenlernen. Dass er 1967, als ich in das MfS wechselte, mein Nachfolger werden würde, konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen.

      So kam der Leichensachbearbeiter Siegfried Schwarz mit der Überlandbahn nach Halle. Damals ahnte auch niemand, dass er später mit der Aufklärung des Mordes an einem Knaben, dessen Leiche in einem Koffer mit Zeitungen mit ausgefüllten Kreuzworträtseln gefunden wurde, bekannt werden würde. Er ist in der Zwischenzeit auch ein erfolgreicher Autor von Büchern mit wahren Kriminalfällen: Mord nach Mittag und Der Makronenmord.

      Bei uns eingetroffen, besprachen wir alles, was für seine künftigen Pflichten und für die Zusammenarbeit mit der MUK erforderlich war und wurden uns einig, nach so vielen trockenen Stunden gemeinsam nach Dienstschluss ein Bier zu trinken. Also fuhren wir abends mit der innerstädtischen Straßenbahn in ein Tanzlokal, ich glaube, es hieß »Café Rosengarten«. Wir redeten weiter über die Arbeit, über unsere Familien und debattierten über Gott und die Welt. Doch lief die Uhr wieder einmal viel zu schnell und wir kamen in Gefahr, die Betriebszeit der Straßenbahn, vor allem der Überlandbahn zu verpassen. Schwarz meinte dann: »Ich bestelle uns einen Wagen«, ging in das Büro des Geschäftsführers und verkündete nach der Rückkehr: »… in einer halben Stunde kommt der Wagen«. Wir tranken noch etwas, bezahlten und gingen vor die Tür. Vor dem Tanzlokal stand – ein Leichenwagen. Ein richtiger mit Palmzweig ausgewiesener Leichenwagen, welcher von mehreren Neugierigen umringt war. Am Auto stand ein schwarz gekleideter Mann, er hatte eine Mütze unter dem linken Arm geklemmt und Siegfried Schwarz begrüßte ihn. Dann sagte er zu mir: »Los, steig ein«. Der Fahrer öffnete die hintere Tür, ich stieg ein und los ging die Fahrt. Schwarz saß vorn beim Fahrer. Hinten war, wie es sich gehörte, ein Sarg platziert, aber keine Sitzgelegenheit. So saß ich notgedrungen auf dem Sarg und stützte mich in den Kurven mit den Händen an den Seitenwänden des Wagens ab. In der Nähe meiner Wohnung klopfte ich an die Scheibe und stieg aus. Ich war froh, so schnell und unkompliziert nach Hause zu kommen und ein Leichenwagen war auch für mich nichts Bedrohliches.

      Diese »Dienstfahrt« habe ich auch bei einer »innerdienstlichen« Zusammenkunft der Offiziere der ehemaligen Morduntersuchungskommissionen aus den Bezirken der DDR zum Besten gegeben. Alle waren amüsiert. Seit vielen Jahren schon treffen wir uns auch heute noch einmal jährlich. An diesen Treffen nehmen außer uns Ex-Offizieren der MUK auch frühere Gutachter des Kriminalistischen Instituts der Volkspolizei, ehemalige Dozenten der Sektion Kriminalistik der Humboldt-Universität zu Berlin, Sachbuchautoren, die unserem Beruf zugetan sind und auch Ehefrauen teil. Und natürlich auch der ehemalige Leichensachbearbeiter Schwarz mit seiner Ehefrau. Er hat noch immer Kontakt zum damaligen Fahrer des Leichenwagens. Wir laden auch aktive Gerichtsmediziner ein und besprechen dann einen bereits gerichtlich abgeurteilten Fall der Neuzeit. Dann reden wir oft bis in die frühen Morgenstunden über die Vergangenheit, unsere aktuellen Lebensumstände und auch über die Zukunft.

      Mord aus Leidenschaft im Schaustellermilieu

      In der von Hauptmann Grothe und mir 1963 untersuchten Tragödie sehen wir die Kraft der Liebe und das dämonische Verlangen, welches aus der verratenen Liebe reift und mit der Tötung der verlorenen Geliebten enden kann. Wie treffend sind doch die Worte in Schillers Das Lied von der Glocke:

      Oh dass sie ewig grünen bleibe,

      die schöne Zeit der jungen Liebe!

      Das Drama ereignete sich in Halle. Wir fuhren kurz nach Dienstschluss zur betreffenden Wohnung. An der Wohnungstür stand ein uniformierter Polizist und wies uns schweigend mit einer Handbewegung den Weg in die Wohnung. Wir kamen an einer Küche vorbei. Am Tisch saß eine weinende Frau, die sich offenbar in tiefem Schockzustand befand. Dann rechts ein Wohnzimmer und links der eigentliche Tatort im Schlafzimmer. Am Fenster stand ein jüngerer, weinender Mann. Er hielt sich mit beiden Händen an einer Stange am Fußende des Bettes fest.

      Auf dem Bett lag mit dem Kopf zum Fußende eine bekleidete weibliche Leiche. Sie war geordnet bekleidet mit einer langen Hose und einer Bluse, welche im Brustbereich geöffnet war. Die Leiche lag ausgestreckt in Rückenlage. Um den Kopf, um die Schultern und herunter bis an die Hüften war die Leiche mit vielen roten Rosen umgeben. Die Situation glich der in einer Leichenhalle. Der Polizist am Fenster wies mit einer Handbewegung auf den weinenden Mann, als wollte er damit sagen, dass er der Täter sei.

      Wir besahen die Leiche. Beidseitig am Hals waren deutliche Würgemale sichtbar. Offenbar war die Frau erwürgt worden. Am Kopf, im Gesicht, auf den Schultern und auch auf der Brustvorderseite sahen wir viele kleine Stichverletzungen, die aber nicht bluteten. Diese Stichverletzungen waren ihr also nach dem Todeseintritt zugefügt worden. Die Situation war irgendwie unwirklich. Keiner sprach ein Wort, der junge Mann weinte und schaute auf die Leiche.

      Hauptmann Grothe sprach ihn an: »Haben Sie das getan?«, und der Mann nickte wortlos. Dann ermahnte er ihn »Sagen Sie Ja oder Nein, damit wir wissen, was hier geschehen ist und in welchem Zusammenhang Sie zu der getöteten Frau stehen«. Leise kam die Antwort: »Ja, das war ich«. Hauptmann Grothe gab beiden VP-Angehörigen die Weisung, den Mann ins VPKA zu bringen und dort unter Bewachung zu setzen. Vorher fotografierten wir noch seine verschmierten Hände. Dann waren wir mit der Leiche allein. Wir schüttelten beide mehrmals den Kopf. So etwas hatten wir noch nicht erlebt.

      Unser Kriminaltechniker, Oberleutnant Hecht, ordnete seine Gerätschaften und begann mit der Fotografie und der Vermessung des Raumes. Er fand auch einen kleinen Hirschfänger mit einer Klingenlänge von sieben Zentimetern. Wir gingen in die Küche, um von der weinenden Frau zu erfahren, was sich ereignet hatte. Sie sprach unter Tränen und Schluchzen, die Tote sei ihre Tochter. Sie war an dem Tag mit ihrem Freund Lothar gekommen, sie habe beide allein gelassen. Dann sei der Freund zu ihr gekommen und habe ihr gesagt, dass er ihre Tochter ermordet habe und sie die Polizei rufen solle.

      Sie wusste nicht, warum das alles geschehen war. Sie hatte ihre

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