Flammen des Sommers. Madeleine Puljic
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Durch das Fenster starrte Daena den Drachen mit unverhohlener Missgunst an. Das lag weniger an seiner schuppigen Natur – dem Lindwurm Ozlakzbrat gegenüber hatte sie schließlich eine tiefe Freundschaft empfunden. Doch Lrartsnjoks Anwesenheit beschwor eine ungute Vorahnung in ihr herauf, die sie nicht abschütteln konnte, seit er sich als ihr neuer Schützling vorgestellt hatte.
Die mythischen Wesen bevorzugten, unter sich zu bleiben. Dass sie eines ihrer Jungen fortschickten, um die Wege der Menschen zu erlernen, bedeutete für Daena nur eines: Schlechte Zeiten standen bevor.
Lrartsnjok selbst schien sich dessen nicht im Geringsten bewusst zu sein. Für ihn war es das Abenteuer seines Lebens. Was auch immer Berekh in seiner Vergangenheit den Menschen angetan haben mochte – der Begeisterung des Jungdrachen nach zu urteilen hatte es dem Vertrauen der Anderlinge nichts anhaben können. Seine Blicke folgten jeder Bewegung des Heilers mit einer Heldenverehrung, die schon fast an eine Manie grenzte.
Was Daenas Laune nicht gerade besserte.
Natürlich war es ungerecht, Lrartsnjok einen Vorwurf daraus zu machen, dass er nicht Ozlakzbrat war. Aber es fiel schwer, zwischen den beiden keine Vergleiche anzustellen. Selbst Lrartsnjok hatte den Lindwurm freimütig als seinen Onkel bezeichnet – auf physische Verwandtschaft gaben die Drachenartigen offensichtlich wenig. Auf eine spirituelle Art fühlten sie sich alle einer einzigen Familie zugehörig.
Aber während Ozi sich mit Daena gegen die restlichen Menschen in ihrer Truppe verbündet und ihr mit guten Ratschlägen zur Seite gestanden hatte, war sie für Lrartsnjok praktisch nicht existent. Nur ein Anhängsel des großen Magiers.
Seltsamerweise hatte es sie eigentlich nie gestört, wenn sie von den Leuten im Dorf bloß als die Frau des Arztes angesehen wurde. Menschen waren eben anders, sie sahen nur, was sie sehen wollten. Außerdem hatten sie ihre Vergangenheit gegenüber den Nachbarn stets für sich behalten. Daena genoss das einfache Leben, das sie hier gefunden hatten. Und ihren Garten.
Bei dem Gedanken an das zertrampelte Gemüse, das sie so mühevoll aus den winzigen Trieben hatte wachsen lassen, verfinsterte sich ihre Miene noch weiter. Ein bisschen Frieden war eben einfach zu viel verlangt.
Jusek, der Bauer mit dem umgeackerten Fuß, zuckte zusammen, als sie den Verband mit mehr Druck als nötig anlegte. Berekh hatte den Knochen zusammenwachsen lassen und die gefährlichsten Bereiche der Verletzung geheilt. Aus der klaffenden Wunde war ein nicht mehr allzu tiefer Schnitt geworden, der jedoch ohne Zweifel immer noch schmerzhaft war. Besonders unter Daenas zorniger Behandlung.
Doch Jusek biss die Zähne bloß ein wenig fester zusammen und gab keinen Laut von sich. Wie gebannt starrte er aus dem Fenster, obwohl er im Gegensatz zu Daena dafür eine recht verrenkte Haltung einnehmen musste. Seine angstgeweiteten Augen waren starr auf Berekh gerichtet, der dort draußen mit dem jungen Drachen diskutierte und versuchte, ihm zu erklären, weshalb manche Menschen den Anblick von seinesgleichen nicht gewohnt waren. Und dass Menschenbehausungen nun einmal nicht für Wesen seiner Größe konzipiert waren.
»Keine Angst«, brummte Daena unwirsch. »Der beißt schon nicht.«
Sich vor fremden Dingen zu fürchten und dabei die potenzielle Gefahr direkt vor sich außer Acht zu lassen, war einer der ersten Fehler, die den Schülern an der Kämpferakademie ausgetrieben wurden.
»Hä?« Endlich wandte der Bauer seine Aufmerksamkeit wieder der Frau zu, die vor ihm saß und sein Bein versorgte.
»Ich dagegen schon.« Mit einem Ruck zog Daena den fertigen Verband fest.
Während Jusek sich stöhnend zusammenkrümmte und nicht wagte, seinen neuerlich pochenden Fuß zu umfassen, stand Daena auf und klopfte den Staub eines arbeitsreichen Tages von ihrer Schürze ab.
Dann warf sie ihm ein Leinensäckchen mit Weidenrinde in den Schoß. »Gegen die Schmerzen«, erklärte sie trocken.
***
Berekh erwachte, weil er fror. Auch wenn die Tage bereits länger und sonniger wurden – nachts kroch immer noch die Kälte in ihre Hütte und rief ihm die Nachteile eines Körpers aus Fleisch und Blut in Erinnerung.
Sechs Jahre lang war er nichts gewesen als ein lebender Totenschädel, bis ein Zauber der Nekromanten ihm ein zweites Leben ermöglicht hatte. Mittlerweile war er dankbar für diese Entwicklung, aber es gab auch Momente, in denen er seine Entscheidung bereute. Zum Beispiel, wenn er wieder einmal um die Wärme einer Decke betrogen wurde.
Ein Blick zur Seite genügte, um seinen Verdacht zu bestätigen. Daena nahm fast die gesamte Breite des Bettes ein, obwohl sie ihm nicht einmal bis zur Schulter reichte, wenn sie nebeneinander standen. Ihre schmale Gestalt lag großflächig ausgestreckt quer über dem Bett und war unentwirrbar in die gemeinsame Decke gewickelt. Sie so zu sehen, entlockte Berekh immer wieder ein Lächeln.
Zu gut erinnerte er sich daran, wie ihre Nächte vor noch nicht allzu langer Zeit ausgesehen hatten. Als sie sich im Schlaf unbewusst in den hintersten Winkel gepresst hatte, so klein wie nur möglich zusammengekauert, um weniger Angriffsfläche zu bieten. Zumindest so lange, bis die Albträume sie schreiend auffahren lassen hatten. Ein Andenken an die Jahre, die sie in den Minen der Morochai verbracht hatte.
Er wusste nicht, was dort mit ihr geschehen war. Hatte nie danach gefragt, wie sie überlebt hatte. Aber er brauchte nicht einmal die Augen zu schließen, um sich den Anblick ins Gedächtnis zurückzurufen, den sie geboten hatte, nachdem ihr die Flucht aus den Minen gelungen war: totenbleich, wo sich der Schmutz nicht zu tief in ihre Haut gegraben hatte, um sich einfach abwaschen zu lassen. So abgemagert, dass er jede Rippe zählen konnte. Und eine Angst in den Augen, die durch die roten Furchen in ihrem Gesicht nur noch stärker betont wurde.
Mithilfe seiner Magie hatte er Daena die Narben genommen. Ihre Angstattacken waren schwächer geworden, nachdem sie aufgehört hatte, vor ihnen ans Ende der Welt zu flüchten, und sich der Ursache ihrer Furcht gestellt hatte: den Morochai, die sie bis dahin für unbesiegbar gehalten hatte. Die geballte Macht dieser geflügelten Echsen war in der Schlacht um Rinnval zerschlagen worden. Was von ihnen übrig geblieben war, hatten Kämpfer, Magier und einfache Bürger erbarmungslos verfolgt und ausgemerzt.
Trotzdem hatte es Monate gedauert, bis sich auch Daenas Innerstes sicher genug gefühlt hatte, um im Schlaf loslassen zu können. Selbst wenn Berekh sie beim Einschlafen in den Armen hielt, fand er sie manches Mal am nächsten Morgen in eine Ecke gedrängt. Aber diese Nächte wurden seltener.
Wenn er zu ihrem Seelenfrieden beitragen konnte, indem er unter kalten Füßen litt, war er nur allzu bereit, diese kleine Unannehmlichkeit in Kauf zu nehmen. Die letzten zwei Jahrhunderte lang hatte er nicht einmal Füße besessen, also was sollte es ihn kümmern. Er hatte sich noch immer nicht daran sattgefühlt, wieder zu leben.
Aber dieses Leben hatte seinen Preis. Und noch war die Schuld nicht beglichen.
Leise und ohne Daena zu wecken rollte er sich aus dem Bett. Er fischte auf dem Boden nach seinem Gewand und schlüpfte hinein. Die imposante Robe eines Magiers hatte er längst gegen die schlichten Leinenhosen und Hemden getauscht, die er seinem jetzigen Beruf als Heiler angemessener empfand. Er hegte keine Illusionen darüber, dass ihn die Dörfler trotzdem bereits von Weitem erkannten. Bis nach Wesan hatte sich mittlerweile herumgesprochen, dass der neue Medikus selbst schwerwiegende Verletzungen und Krankheiten behandeln konnte. Berekh bemühte sich zwar stets darum, zu verheimlichen, wie er das eigentlich bewerkstelligte, den Gerüchten konnte das jedoch wenig