Die Revolution der Städte. Henri Lefebvre

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Die Revolution der Städte - Henri Lefebvre eva taschenbuch

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Alltagslebens beitragen würde, haben mit den Intentionen von Lefebvre nur wenig gemein. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass sich die gesellschaftspolitischen Kräfteverhältnisse gegenüber den frühen siebziger Jahren grundlegend geändert haben. Am Ende von Die Revolution der Städte beklagt Lefebvre die »außerordentliche Passivität der Leute« (ebd., S. 191). Deren angebliche »Stummheit« beruhe »auf der Zerstückelung des Phänomens der Verstädterung.« (Ebd., S. 195). Eine irritierende Wahrnehmung für die damalige Zeit. Das Grollen der 68er-Revolte ist zwar bei der Veröffentlichung von La révolution urbaine weitgehend verhallt, aber die »Kinder des Fordismus« reiben sich zunehmend an den rigiden Disziplinartechniken, die damals in Schule, Fabrik und Familie vorherrschen. In den siebziger Jahren kommt es zu einer Reihe von sozialen Bewegungen, die die autoritären Strukturen des Fordismus attackieren und »Autonomie« und Selbstverwirklichung einfordern. Auch die Kritik an der technokratischen Naturbeherrschung gewinnt mit der Alternativ- und Anti-AKW-Bewegung an gesellschaftlichem Einfluss.

      Obwohl Lefebvre das Alltagsleben immer wieder als Ort »des Wirklichen und des Möglichen« beschwört, verflüchtigt sich diese Widersprüchlichkeit in seinen konkreten Gesellschaftsanalysen. Die propagierte Dialektik von »Entfremdung« und »Aneignung« geht zugunsten einer Perspektive verloren, in der die soziale Praxis der Kollektive fast gänzlich verdinglicht und normiert erscheint.

      Lefebvre und das Elend der deutschen Urbanistik

      Im Gegensatz zur Bildungssoziologie gelangte das Denken der Kritischen Theorie nur marginal in die Wissensbestände der urbanistischen Disziplinen. Zwar gab es in den siebziger Jahren eine Reihe von stadtsoziologischen Ansätzen, die sich auf marxistische Kategorien stützten, allerdings dominierte dann eine Kapital-Exegese, die letztlich alle Phänomene der Stadtentwicklung aus dem Wertgesetz abzuleiten versuchte. Lefebvres Zurückweisung des Ökonomismus, seine Grundannahme, dass die gesellschaftliche Totalität nur fragmentiert zu erfahren und zu erfassen sei, sowie die bewusst unsystematisch angelegte Begrifflichkeit seines Werks (im Fall von La révolution urbaine durch eine wenig kompetente Übersetzung verstärkt) schreckten deshalb auch kapitalismuskritische Stadtsoziologen davon ab, Überlegungen des französischen Raumtheoretikers in ihre Arbeit miteinzubeziehen.

      In den achtziger Jahren ergab sich mit der deutschen Veröffentlichung von David Harveys Essay »Flexible Akkumulation durch Urbanisierung« (1987) nochmals die Gelegenheit, die komplexe Raumtheorie von Lefebvre – wenn auch indirekt – zur Kenntnis zu nehmen. Allerdings vollzog die Urbanistik in der Bundesrepublik damals gerade einen Paradigmenwechsel: Politökonomische Erklärungsmodelle verloren zunehmend an Bedeutung und wurden zugunsten eines »Kultur-Dispositivs« an den Rand des »Wahren« gedrängt. Die Öffnung der urbanistischen Disziplin für postmoderne Konzepte erfolgte jedoch unter weitgehender Ausblendung damit verbundener diskurs- und symbolanalytischer Verfahrensweisen. Insbesondere der Bereich des Macht-Wissens-Komplexes (Foucault etc.) blieb (und bleibt) im Mainstream der deutschen Stadtforschung eine Leerstelle. Auf diese Weise fiel Lefebvre, der »romantische Revolutionär« (Kurt Meyer), doppelt durchs Raster: Mit der wachsenden Institutionalisierung sozialer Bewegungen (z. B. Die Grünen) und dem Verebben militanter Kämpfe ließ das Interesse an einer grundsätzlichen Staats- und Gesellschaftskritik nach. Und in der Stadtforschung war Lefebvres Einfluss stets marginal gewesen. Der französische Philosoph, der hierzulande nie den Bekanntheitsgrad von Michel Foucault oder Gilles Deleuze erreichte, wurde fast wie ein »toter Hund« behandelt.

      Die Wiederentdeckung von Lefebvre erfolgte im Kontext des »spatial turn«, mit dem ein verstärktes Interesse an räumlichen Fragestellungen einherging. Nicht zufällig inspirierte Lefebvres Buch La production de l’espace (1974), 1991 erstmals ins Englische übersetzt, insbesondere ideologische Strömungen einer postmodern ausgerichteten Geographie (vgl. u.a. Soja 1989). Das »wilde Denken« von Lefebvre erleichterte einen »poststrukturalistischen « Zugriff auf dessen Raumtheorien, allerdings unter Ausblendung seiner revolutions-theoretischen Ambitionen. So »entschlackt«, ist Henri Lefebvre inzwischen in den Olymp der Klassiker aufgestiegen und gilt nun als Vordenker einer Raumvorstellung, die zum festen Bestandteil des sozialwissenschaftlichen Wissens gehört (Löw et al. 2008, S. 55).

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