Stalingrad - Die stillen Helden. Reinhold Busch
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Rast der 1. San.Kp. 160 in der Steppe
Wir marschierten vorwärts Richtung Stalingrad, setzten bei Kalatsch über den Don und versorgten dann die riskante Brückenkopfstellung von Stalingrad. Es herrschte praktisch zwischen Don- und Wolgastellung, zwischen Kalatsch und Stalingrad, ein Pendelverkehr mit Flankenschutz von Panzern auf beiden Seiten und ständigem Nachschub für die kämpfende Truppe. Schließlich wurde das Gelände erweitert. Bevor der Kessel geschlossen wurde, lagen wir mit der 60. Infanteriedivision in der sogenannten Nordriegel-Stellung, d.h. am Nordrand des späteren Kessels. Wenn man sich den Kessel als Zifferblatt vorstellt, dann lagen wir bei 12 Uhr, nördlich vom sogenannten Haltepunkt Konnaja. Das gesamte Gelände war von Schluchten durchzogen, den Balkas. In solch einer Schlucht lagen wir und besaßen an und für sich ganz vernünftige Unterkünfte, die natürlich nicht bomben- und granatsicher, aber recht gut ausgebaut waren.“
Dr. Kohler: „August 1942. Vor mir lag Stalingrad. Wir waren in Marschkolonnen aufgefahren, die 16. Panzer- und die 60. und 3. motorisierte Infanterie-Division. Wir hörten keinen Schuß. Aber was verbargen diese friedlich scheinenden Häuser? Feldmarschall Paulus befahl: Einigeln! Das Drama von Stalingrad begann.
Unerbittlich hart wurde der Krieg. Mit vorgehaltener Pistole erzwang ich die Durchfahrt der Sanitätskompanie vor den LKW, der eigenen Truppe. Von der Wolga-Insel kam Beschuß. Mit dem Krad raste ich mitten hinein in einen Granattrichter – Gehirnerschütterung! Als ich wieder zu mir kam, waren Kaffee, Kognak und Zigaretten die ‚Medizin‘. Der Kiefer war gebrochen, er federte so merkwürdig. ‚Nehmen Sie einen Korken zwischen die Zähne und beißen Sie drauf!‘ riet ein Kollege. Mit dem Korken im Mund stand ich am Operationstisch, Tag und Nacht.
Im November ließen die Angriffe gegen die von der Division zäh verteidigte Nordriegelstellung plötzlich nach. Die Division hatte schwere Verluste erlitten und sollte in den großen Donbogen zur Auffrischung verlegt werden. Ich wurde mit einem Vorkommando hingeschickt, um drei Ortslazarette einzurichten. Der Winter kam, die Verwundeten froren in den Zelten; keine Decken! Ich flog alle Dienststellen ab – bis zum Heeresarzt. Mit 1000 Decken landete ich vor Stalingrad; es war wie ein Wunder.“
Die 2. Sanitäts-Kompanie der 60. Infanterie-Division (mot.) wurde von Dr. Karl Hafner74 als Chef geleitet. Zahnarzt der Einheit war Dr. Leonhard Mühlenbruch75, der noch vor dem Ende verwundet ausgeflogen wurde. Dr. Hafner: „Im Frühjahr 1941 wurde ich als Kompaniechef zur 2. Sanitätskompanie der 60. Infanteriedivision (mot.) versetzt und deren Chef bis Stalingrad. Die Verwundetenversorgung im Brückenkopf Dnjepropetrowsk wurde im August und September 1941 allein durch meine Kompanie durchgeführt. Die 1. Sanitätskompanie war daran nicht beteiligt. Im vorgeschobenen Hauptverbandplatz am Ostufer des Dnjepr waren die Oberärzte Dr. Bosch und Dr. Schlopsnies tätig. Dieser Op-Gruppe gehörte auch der Sanitätsgefreite Bennemann an, nach dem Krieg katholischer Geistlicher. Außerdem war auch Dr. Haidinger76 als Unterarzt dabei.
Übergang der 2. San.Kp. 160 über den Dnjepr
Dr. Karl Hafner, Chef der 2. San.Kp. der 60. I.D.
Die Kompanie war ein fester Bestandteil des Infanterie-Regiments 120, und die dem Infanterie-Regiment 120 angegliederte Artillerie fuhr bei den Marschbewegungen immer vor uns. Die beachtenswerten Kampferfolge der Division in der Steppe zwischen Don und Wolga mußten mit hohen Verlusten erkauft werden. Der kämpfenden Truppe in Richtung Stalingrad folgend, war die 2. Sanitätskompanie noch auf dem Marsch, als bereits die ersten Verwundetentransporte bei ihr eintrafen, denen laufend weitere folgten.
Da weit und breit kein Gehöft vorhanden war, stellte die Kompanie ihre Verwundetenzelte mitten in der Steppe notdürftig auf und fing an zu operieren. Die unerwarteten hohen Zugänge erschöpften bald die Kapazität der Zelte. Außerdem boten diese keinen Splitterschutz im Streufeuer der feindlichen Artillerie und gegen die nächtlich fast regelmäßig anfliegenden sogenannten ‚Nähmaschinen‘, die zunächst Leuchtschirme und dann Bomben gezielt abwarfen.
Da sich eine Verbesserung der Lage durch Verlegung des Hauptverbandplatzes nicht anbot, mußten zwangsläufig an Ort und Stelle Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Mit Spitzhacke und Spaten wurden – den Ausmaßen der Zelte entsprechend – zwei Meter tiefe Baugruben ausgehoben und diese mit Balken, Brettern und einer Erdschicht überdeckt, wodurch zunächst ein ‚Operationssaal‘ und danach die ‚Verwundetenstationen‘ sicherer waren. Das Bauholz war nach mühevollem Ausschlachten von Holzhäusern aus Stalingrad herausgeholt worden.
Der Wasserbedarf des Hauptverbandplatzes war enorm hoch, besonders auch wegen der Operationswäsche, die laufend gereinigt und sterilisiert werden mußte. Wasser gab es erst in 20 Kilometer Entfernung; jeder Tropfen mußte von dort beschafft werden. Die Liste der aufgetretenen Schwierigkeiten ließe sich beliebig verlängern.
Unterkunft der 1. San.Kp. 160 in Stalingrad
Täglich kamen, teilweise auch von Nachbardivisionen, mehr als 50, an einigen Tagen sogar bis zu 150 Verwundete neu hinzu. Und dies überwiegend des Nachts, weil die Verwundeten oft erst im Schutze der Dunkelheit aus den vom Feind eingesehenen Stellungen geborgen werden konnten. Demzufolge mußte fast jede Nacht durchoperiert werden. Daran änderte sich im Verlaufe von drei Monaten nichts.
In diesem Zusammenhang muß hier der damalige Oberarzt Dr. Friedrich Bosch namentlich genannt werden, der als ganz ausgezeichneter Chirurg, mit nur kurzen Unterbrechungen, fast ausschließlich Schwerverwundete operierte, meist Bauchschüsse, und fast Übermenschliches leistete, besonders in der Nordriegelstellung bei Stalingrad. Alles waren lebensrettende Eingriffe, da keiner dieser Verwundeten den über hundert Kilometer weiten Transportweg in die nächste Sanitätseinrichtung westlich des Don lebend überstanden hätte. Aus den genannten Gründen mußten die operierten Schwerverwundeten bis zur Herstellung der Transportfähigkeit zwischen acht und zwölf Tagen auf dem Hauptverbandplatz nachbehandelt und verpflegt werden – eine enorme Belastung für das Pflegepersonal der Kompanie.
Dr. Friedrich Wilhelm Bosch, Chirurg der 2. San.Kp. der 60. I.D.
Währenddessen glaubten doch operierte Verwundete ‚abgeschrieben‘ zu sein, nachdem sie – statt nach der Operation vordringlich abtransportiert zu werden – in finsteren Erdhöhlen auf dünner Strohschicht mit Zeltplane untergebracht waren, wo ihnen durch Feindeinwirkung der Sand von der Überdachung ins Gesicht rieselte. Gewiß waren sie nur schwer davon zu überzeugen, daß dies alles lebensrettende Maßnahmen waren und man nicht – wenn auch menschlich verständlich – resignieren durfte. Resignation war nämlich nicht nur ein schlechter Heilfaktor, sondern auch übergreifend eine Gefahr für die Belegschaft der ‚Intensivstation‘.
Alle diese Aufgaben und Belastungen bewältigte die 2. Sanitätskompanie 160 im Kampfgebiet um Stalingrad über drei Monate hinweg, indem nicht nur ihre vier Ärzte, sondern auch jeder Angehörige der Kompanie an seiner Stelle das Äußerste, d.h. bis an die Grenze des Menschenmöglichen, in dem unerschütterlichen Bestreben hergab, das Leben von Kameraden zu retten und zu erhalten.“77
Anfang August hatte der HVP der 2.