Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus. Andreas Suchanek
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Warum nur hatte sie ein schlechtes Gewissen? Walker war ein Arschloch, der es nicht anders verdient hatte. Niemand würde ihm seine Unschuldsbeteuerungen glauben. Die einzige Person, die die Wahrheit kannte, war sie selbst. Und sie würde sicher nicht zu Captain Cross marschieren und ihm gestehen, dass sie Norikos Konsole gehakt, den Torpedo abgeschossen und ihn zur Detonation gebracht hatte. Walker war außer Gefecht, Norikos Ansehen wiederhergestellt und Michalew hatte eine Schlappe erfahren. Wenn das kein Grund zum Feiern war.
»Was sagen denn deine gut unterrichteten Quellen über die Stimmung an Bord?«, fragte Noriko und riss sie damit aus ihren Gedanken.
»Du hast im Kampf gegen das Parlidenschiff ganz schön Punkte gutgemacht«, erwiderte Giulia. »Und dass du Walker auf der Brücke mit dem Pulser bewusstlos geschossen hast, kam auch gut an.«
»Wirklich?!« Noriko riss überrascht die Augen auf.
»Ach, den konnte doch keiner leiden.« Giulia grinste. »Und du hast dich an jedem Punkt an die Regeln gehalten.«
»Regeln sind wichtig.«
Und doch müssen sie manchmal gebrochen werden. »Absolut«, sagte Giulia. »Und solange du so weitermachst, hast du den Rest der Crew bald in der Tasche.« Sie zwinkerte.
Noriko wirkte trotz der zurückliegenden Schlacht ausgeruht und leuchtete von innen heraus. Jeder konnte ihr ansehen, dass sie bester Laune war. Und genau so sollte es sein.
Giulia dachte an jenen Moment zurück, als sie die Manipulationen vorgenommen hatte. Das Kribbeln, das ihren gesamten Körper durchzog, die Angst entdeckt zu werden, und dann das Hochgefühl, damit durchgekommen zu sein. Es hatte sich angefühlt wie in alten Zeiten. Der Zweck heiligte eben doch die Mittel, wie sie immer wieder feststellte. Sollte ihre Tat jemals auffliegen, würde sie sich in einer Zelle wiederfinden, so viel war sicher. Das allerdings würde nicht passieren. Im Gegensatz zu Walker hatte sie ihre Spuren gut verwischt. Immerhin war es nicht das erste Mal. Sie besaß ausreichend Erfahrung.
Ein Blick in Norikos Gesicht zeigte ihr, dass sie auch dieses Mal die richtige Entscheidung getroffen hatte. Das Gute musste einfach ab und an gewinnen.
Giulia nippte an ihrem ViKo und fühlte sich einfach fantastisch. Während die HYPERION bei gleichbleibender Beschleunigung durchs All raste, um Energie aus der dunklen Materie zu extrahieren, genossen sie weiter den Ausblick, der sich vom Beobachtungsdeck bot. Schweigend, lächelnd, zufrieden.
*
IL HYPERION, Krankenstation, 16. Januar 2266, 13:30 Uhr
Doktor Irina Petrova war eine Frau, der es oft an Feingefühl mangelte. Sie war kompetent, aber auch ruppig und undiplomatisch. Als sie jetzt auf Jayden zutrat, dominierte ein Ausdruck tiefster Beunruhigung ihr Gesicht. In ihren Händen hielt sie ihr persönliches Memopad.
Jayden saß auf einer der Untersuchungsliegen und wurde mit jedem Schritt, den die resolute Ärztin auf ihn zutrat, unruhiger. Direkt vor ihm hielt sie inne und bedachte ihn mit einem bedeutungsschweren Blick.
»Die Auswertungen haben etwas gedauert, Sir, aber ich fürchte, unsere Vermutungen treffen zu – wenn auch auf eine andere Art, als bisher gedacht.« Doktor Petrova betätigte ein Icon auf ihrem Pad, worauf der kleine Holotank neben der Krankenliege zum Leben erwachte. Eine Darstellung von Jaydens Gehirn erschien darin. Die einzelnen Bereiche unterschieden sich durch Farbmarkierungen.
»Anders als gedacht? Inwiefern, Doktor?« Jayden versuchte, aus der Anzeige schlau zu werden, doch ihm sagten weder die farblich abgestuften Bereiche noch die Markierungen etwas.
Petrova zoomte mit einer geübten Handbewegung jenes Areal heran, in dem sich sein Chip befand. Eingebettet in ektodermales Gewebe sah er genauso aus wie beim letzten Mal, als Jayden einen holografischen Scan seines Gehirns gesehen hatte.
»Beginnen wir mit den guten Nachrichten«, sagte Doktor Petrova und setzte ein Lächeln auf, das so gar nicht zu ihr passen wollte. »Die Funktionen des Chips sind nicht beeinträchtigt. Ebenso ist die Datenstruktur intakt.« Sie machte eine Pause, blickte noch einmal auf ihr Memopad und straffte die Schultern. »Leider gibt es ein Problem mit der bioneuralen Schnittstelle.« Sie zoomte die entsprechende Stelle heran. Winzige Fäden verbanden den Chip mit diversen Nervenknoten des Hirns. »Wie Sie vermutlich wissen, werden die Kontaktfäden des Kommandochips mittels Nanotechnik an die Nerven gekoppelt. Durch einen entsprechenden Funkimpuls lösen diese bei Bedarf diese Kopplung. Was immer auf dem Mars geschehen ist, hat diese Entkoppelungsfunktion zerstört. Die Naniten haben die Kontaktfäden nun sogar mit den Nerven verschmolzen.« Sie machte eine bedeutungsschwere Pause.
»Sie wollen damit sagen, dass der Chip nicht entfernt werden kann?«
Doktor Petrova nickte. »Er funktioniert tadellos, doch er kann nicht mehr extrahiert werden. In der Regel geschieht dies durch die Zufuhr spezieller Naniten, die in der Lage sind, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren. Diese zersetzen den Chip, und seine Reste werden über die Blutbahn abtransportiert. Als ich versuchte, einen Nanitenstamm einzuschleusen, der die Kontaktfäden ihres Chips entfernen und ersetzen sollte, konnte ich keinen Erfolg feststellen. Im Gegenteil erlebte ich einen kolossalen Fehlschlag: Die Naniten wurden von ihren Chip-Pendants vollständig zerstört.«
Jayden erinnerte sich an das Chaos auf dem Mars, das von dem Artefakt ausgelöst worden war. »Haben Sie Ihre Untersuchungsergebnisse bereits an die Admiralität weitergeleitet?«
Petrova nickte. »Das habe ich, Sir. Man hat damit begonnen, jeden Kommandooffizier zu untersuchen, der sich im Einflussbereich des Artefakts befand. Doch bisher waren alle Ergebnisse negativ. Aus irgendeinem Grund ist nur Ihr Chip beeinflusst worden. So wie auch nur Sie die Koordinaten des nächsten Artefakts kannten.«
»Und vergessen Sie nicht meine plötzlichen Kenntnisse über die Schriftsprache der unbekannten Erbauer des Artefaktes.«
»Der Speicher des in den Kommandochip integrierten Translators wurde mit neuen Datensätzen gefüllt«, bestätigte Petrova. »Unnötig zu erwähnen, dass keine Kopie davon angefertigt werden kann. Ich fürchte, Sie werden bald sehr viel Zeit mit den Linguisten an Bord verbringen, um manuell die Syntax und Semantik dieser fremden Sprache zu dokumentieren.«
Jayden graute es schon jetzt davor. Was ihn jedoch viel mehr beunruhigte, war die Verschmelzung seines Chips mit seinem Hirn. Wer konnte schon sagen, was dieses verdammte Artefakt noch angestellt hatte?
»Doktor«, Jayden räusperte sich, »ich weiß, die Frage mag seltsam erscheinen, aber der Chip ist doch nicht in der Lage, mich zu kontrollieren?«
Petrova lachte auf. »Ich versichere Ihnen, Captain, ein solches Szenario ist völlig abwegig. Als die Chips eingeführt wurden, machten sich viele Kommandooffiziere darüber Sorgen, dass sie durch diese ferngesteuert werden könnten, man ihre Gedanken darauf speichern oder ihnen Erinnerungen einpflanzen würde. Das alles ist nicht möglich. Die Verbindung zwischen Chip und Hirn ist unidirektional. Sie können auf die Daten des Chips zugreifen, der Chip kann jedoch keine Daten von sich aus senden. Zudem besteht überhaupt kein Zugriff vom Chip zu höherwertigen Funktionen des Hirns. Machen Sie sich darüber also keine Sorgen.«
»Wenigstens etwas. Also gut, Doktor, was werden wir tun? Ich will diesen Chip aus meinem Hirn heraus haben, und zwar lieber heute als morgen.«
»Einstweilen können wir nichts tun. Und solange ich die genaue Reaktion der Naniten nicht voraussagen kann, werde ich