Die Gentlemen-Gangster. Manfred Bomm
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Wenn da draußen jemand war, dann konnte dies zweierlei bedeuten: Entweder war’s ein Autodieb oder jemand, der es nur auf ihn persönlich abgesehen hatte. Natürlich, hämmerte es in seinem Gehirn, da lauerte jemand auf ihn. Denn ein Autodieb wäre durch das Licht, das bis vor wenigen Minuten im Büro gebrannt hatte, abgeschreckt worden. Dann hätte der gewiss gewartet, bis die Luft rein gewesen und das Auto vor dem Gebäude weggefahren wäre. Wenn der Unbekannte trotzdem eingedrungen war, dann bedeutete dies allergrößte Gefahr.
Blaubart überlegte für einen Moment, ob er die Polizei rufen sollte. Eine schwerwiegende Entscheidung zwischen Leben und Tod – oder zwischen Regen und Traufe?
Er konnte jedoch unmöglich einfach in der Dunkelheit sitzen bleiben. Wenn er allerdings diese verdammte Tür zur Garage tatsächlich nicht verschlossen hatte, würde sie sich jeden Augenblick öffnen. Und wenn sie doch verriegelt war, bot sie auch keinen Schutz. Der Unbekannte brauchte doch nur die Fensterscheibe einzuschlagen. Okay, beruhigte er sich, das war zwar sogenanntes Sicherheitsglas, das man nur mit einem Vorschlaghammer zertrümmern konnte. Aber was, wenn der Eindringling einige Schüsse abfeuerte?
Blaubart griff reflexartig zur linken unteren Schublade seines Schreibtisches und fingerte zwischen Papieren nach jenem Gegenstand, den er dort seit einigen Monaten aufbewahrte. Sofort spürte er das kühle Metall, den Griff und die Form des Revolvers, den er im geladenen Zustand hier versteckt hatte. Für den äußersten Notfall. Nie hatte er damit geschossen. Und auch jetzt wollte er es nicht. Aber wenn er sich zur Wehr setzen musste, wenn es wirklich um Leben und Tod ging, was blieb ihm dann anderes übrig? Er nahm die schwere Waffe in die rechte Hand und zielte in Richtung jener Tür, von der er nicht wusste, ob er sie im abendlichen Arbeitseifer schon verriegelt hatte. Ihre Konturen konnte er in der Dunkelheit, die ihn umgab, schemenhaft erahnen.
Wenn sie jetzt aufging, wenn dort plötzlich die Silhouette einer Person erschien, die er in diesem fahlen Lichtschimmer natürlich nicht würde erkennen können, sollte er dann rigoros abdrücken? Ohne zu wissen, wen er da niederschoss? Würde man ihm Notwehr zugestehen?
Aber er konnte doch nicht regungslos sitzen bleiben und mit dem Täter eine Konversation beginnen. Noch ehe er dazu in der Lage wäre, würde womöglich der andere schießen. Wilde Gedanken jagten gleichzeitig durch seinen Kopf.
Blaubart spürte, dass seine rechte Hand mit der schweren Waffe zitterte. Er konzentrierte sich darauf, sie zu entsichern. Jetzt bedurfte es nur noch einer kleinen Fingerbewegung, und ein Schuss würde sich lösen.
Noch aber blieb es still. Kein neuerliches Geräusch mehr. Oder waren da irgendwo Schritte? Feste Schuhe auf dem Betonboden der Garage? Blaubart hielt den Revolver krampfhaft umklammert. Vorsicht, riet ihm die innere Stimme. Eine falsche Berührung, und die Waffe könnte losgehen.
Das monotone Rauschen der Klimaanlage schien sich immer tiefer in seine Ohren zu fressen und gaukelte ihm Geräusche vor, die es gar nicht gab.
Die Taschenlampe, durchzuckte es Blaubart. Natürlich. In der obersten Schublade hatte er sich doch eine dieser starken Halogenlampen bereitgelegt. Für den Fall eines Stromausfalls. Er konnte mit ihr die Klinke der gegenüberliegenden Tür anstrahlen und sofort sehen, ob sich etwas bewegte. Und er könnte eine Person blenden, die in den Raum käme. Blaubart hielt mit der rechten Hand den Revolver auf die Tür gerichtet und zog mit der linken die obere Schreibtischschublade heraus, in der griffbereit die Stablampe lag. Sie mit links einzuschalten, erforderte als Rechtshänder einiges Geschick. Für einen Augenblick zögerte er noch, denn ein Licht im Büro würde ihn durch das Fenster wieder verraten.
Er entschied, dieses Risiko einzugehen, und zielte mit dem schmalen Lichtstrahl auf die Klinke der gegenüberliegenden Tür, die in den Garagenbereich führte. Wieder quälte ihn die bange Frage, ob sie verriegelt war oder nicht.
Dann geschah es. Oder war es nur Einbildung? Die Klinke bewegte sich nach unten. Ja, eindeutig. Blaubarts Blutdruck schoss in die Höhe. Gleich würde sich die Tür öffnen, sofern er sie nicht verschlossen hatte. Gleich würde es geschehen. In der nächsten Sekunde. Schießen. Du solltest sofort schießen, wenn es so weit ist, mahnte seine innere Stimme. Nein, nein, befahl ihm der Verstand. Ein einziger Schuss würde alles verändern. Brutal und radikal.
39
Wolfgang Nolte war nach der Frühschicht bei seinem Arbeitgeber, einem Security-Geldtransport-Unternehmen, wenig begeistert, wieder mit der Kriminalpolizei konfrontiert zu werden. Wie oft sollte er denn noch schildern, was sich an jenem Märzvormittag vor einem Jahr ereignet hatte? Dass er in Begleitung seines damaligen Kollegen beim ersten Botengang zur Landeszentralbank nicht das Geringste von dem Überfall mitbekommen habe und erst nach der Rückkehr vom zweiten Transport mit einem Gangster konfrontiert worden sei? Natürlich waren die Ermittler hellhörig geworden, als er ihnen gesagt hatte, er sei ausgebildeter Polizist, aber nicht in die Beamtenlaufbahn übernommen worden. Immerhin hatte sich einer der Gangster als Polizist verkleidet gehabt. Da lag es natürlich nahe, alle, die mit Polizeiuniformen zu tun hatten, genauer unter die Lupe zu nehmen. Aber wieso kam jetzt wieder ein Kriminalist, dazu noch in seine Wohnung in Schwäbisch Gmünd? Natürlich war auch seine Adresse verdächtig, schließlich hatte man das Fluchtauto gar nicht weit weg in diesem Innenstadtparkhaus gefunden. Waren die Kriminalisten so einfältig zu glauben, er hätte als Täter dieses Fahrzeug gerade mal vier Querstraßen von seiner Wohnung entfernt stehen lassen? Hartmut Zeller war persönlich gekommen und im vierten Obergeschoss eines innerstädtischen Wohnblocks in ein spärlich eingerichtetes Wohnzimmer geführt worden. »Ich hab Ihnen am Telefon gesagt, dass wir alle Akten noch einmal gründlich durchgehen«, versuchte der Soko-Leiter die Atmosphäre zu entkrampfen.
Nolte, der hemdsärmelig und in verwaschenen Jeans vor ihm saß, nickte mit versteinertem Gesicht. »Und was ist jetzt neu?«, fragte er mit einer Mischung aus Arroganz und Unsicherheit.
»Leider nichts. Wir versuchen immer noch, über das persönliche Umfeld aller Beteiligten, also auch von Herrn Seifritz, an etwas Verdächtiges heranzukommen.«
Nolte wollte etwas sagen, aber Zeller ließ ihn nicht zu Wort kommen, weil er einen Einwand befürchtete und ihm deshalb vorsorglich den Wind aus den Segeln nahm: »Das hat nichts mit der jeweiligen Person zu tun. Also auch nicht direkt mit Ihnen.« Er sah sein Gegenüber nachdrücklich an. »Sie haben selbst die Ausbildung zum Polizeibeamten durchlaufen, bei der Bereitschaftspolizei in Göppingen. Dann hat man Sie aber mit 27 nicht verbeamtet. Das muss ein Schock für Sie gewesen sein«, stellte er fest.
»Das kann man so sagen, klar. Man durchläuft die Ausbildung, malocht da rum und kriegt dann gesagt, dass man wegen einer Arthrose im Knie abhauen kann.« Es klang verbittert.
»Hatten Sie für diesen Fall keine Versicherung abgeschlossen?«
»Wissen Sie denn, was die kostet? Und wissen Sie, was man in der Ausbildung und anschließend als Wachtmeister verdient? Ich hab doch nicht damit gerechnet, dass ich plötzlich nicht für den Polizeidienst tauge.«
Zeller nickte verständnisvoll. Er kannte einige ähnlich tragische Fälle: wenn junge Leute zwar den ärztlichen Aufnahmecheck für die Ausbildung bestanden hatten, dann aber mit 27, wenn die medizinische Untersuchung zur Übernahme in die Beamtenlaufbahn auf Lebenszeit erfolgte, ein gesundheitliches Defizit aufwiesen, das der Heilfürsorge – eine Art staatliche Krankenversicherung für die Beamten – langfristig allzu risikoreich erschien. Sogar eine Allergie konnte dafür ausreichen.
»Sie haben aber gleich einen Job gefunden?«, bohrte Zeller weiter.
»Einen Job, ja, aber was ist das im Vergleich zum Beamtenstatus?«, erwiderte Nolte frustriert. »Einen