Emmentaler Alpträume. Paul Lascaux

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Emmentaler Alpträume - Paul Lascaux

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ja die Wasserpfützen. Spuren: keine.«

      »Wieso hat man nicht sofort Kommissar Forrer benachrichtigt?«, wollte Gwendolin wissen und schüttelte verständnislos den Kopf mit dem rot gefärbten Haar.

      Henna?, schoss es Müller durchs Gehirn. Kam das wieder in Mode? Dann antwortete er: »Man wusste nicht, wer die Frau war. Sie trug keine Dokumente bei sich. Also schickte Burgdorf Fahndungsfotos an die Datenbank. Das Gesichtserkennungsprogramm lieferte jedoch keinen Treffer. Markus Forrer sah das Foto erst am Dienstagmittag in der Newsbox und erkannte Nicole. Allerdings forderte er zuerst die Unterlagen an und veranlasste die Verlegung ins Salemspital, bevor er mich informierte. Dort liegt sie auf der Intensivstation. Vorderhand keine Besuche.«

      »Eine Schusswunde, sagst du?«, fragte Melinda.

      »Ja. Genaueres steht nicht im Bericht. Markus und ich besuchen übermorgen die Rechtsmedizin. Dr. Augsburger kümmert sich um den Fall.«

      Phoebe sagte: »Es gab bestimmt Gäste im Restaurant und dazu noch den Wirt oder Leute in der Küche. Und keiner will den Schuss gehört haben?«

      »Offensichtlich nicht«, sagte der Detektiv, »jedenfalls nicht, was das Personal betrifft. Am Montag gibt es kaum Gäste im Lokal.«

      Gwendolin griff noch einmal zu den Fotos und fragte Melinda: »Was liegt denn da Seltsames rum?«

      »Woher soll ich das wissen?«, wehrte sie ab.

      »Du warst doch früher mal Model für den Bauernkalender, du kennst dich in der Landwirtschaft aus, und das ist doch tiefstes Emmental.«

      Melinda wurde ungern an jene Zeit erinnert, denn ihr war das Posieren für den Voralpen-Playboy inzwischen eher peinlich. Heute suchte sie Ruhm und Ehre im Design-Studium. Dennoch griff sie nach den Bildern und erkannte nach genauerem Hinsehen: »Das ist eine Anlage für das Platzgen.«

      »Bitte was?«, fragte Phoebe.

      Melinda fuhr fort: »Platzgen ist eine altbernische Brachialsportart.« Sie zeigte auf das erste Foto. »Hier liegen die handförmigen Sterne aus gehärtetem Stahl. Ihr seht die grobe Handfläche mit fünf zugespitzten Fingern. Sie wiegen zwischen einem und drei Kilo.«

      »Nicht sehr ordentlich, die Sportler«, bemängelte Gwendolin, »dass sie ihre Geräte einfach so rumliegen lassen.«

      »Sieht so aus, als ob der Platz lange nicht mehr benutzt wurde«, sagte Melinda und nahm das zweite Foto.

      »Siebzehn Meter vom Abwurfplatz entfernt liegt ein Kreis aus Lehm, das Ries, wie eine Platte gegen hinten schräg nach oben gekippt. In der Mitte müsste ein Eisenpflock stecken, der Schwirren, denn den gilt es mit den Wurfsternen zu treffen, das gibt hundert Punkte. Der Stock liegt aber neben der Anlage. Der Lehm sollte mit einer Plane abgedeckt sein, sonst zerstört der Regen den Haufen. Dahinter befindet sich übrigens eine Palisadenwand, die verhindert, dass zu weit geworfene Sterne in der Wiese verschwinden.«

      Müller blätterte noch einmal im Protokoll: »Man hat Nicole auf einer Plastikplane liegend gefunden. Das muss wohl die zum Abdecken des Rieses gewesen sein. Die blieb dort liegen. Am nächsten Tag fand man kaum noch Blut darauf, denn der Regen hat ganze Arbeit geleistet. Nun weiß man nicht, ob Nicole vor Ort erschossen oder erst dort auf der Plane abgelegt worden ist.«

      Phoebe wollte wissen: »Wird dieses Platzgen heute noch ausgeübt?«

      Melinda antwortete: »Es gibt sogar eine Schweizermeisterschaft. Aber es wird hauptsächlich im Kanton Bern gespielt.«

      »Viel wichtiger ist wohl«, unterbrach Gwendolin, »dass der Täter gewusst hat, dass der Platz an diesem Montag nicht bespielt wurde und dass man von der Holzwand vor neugierigen Blicken geschützt war. Es sind also Ortskenntnisse nötig.«

      »Läuft dein Laptop?«, fragte Heinrich.

      »Ja«, antwortete Phoebe.

      »Schau nach, ob Google Street View bis zum Hornbach funktioniert, ist ja nicht gerade eine Durchgangsstraße.«

      »Geht in Ordnung.«

      Heinrich fuhr fort: »Das Napfgebiet wird oft völlig unterschätzt, einfach deshalb, weil der Schweizer mit den Voralpen und Alpen bedeutendere Höhen gewöhnt ist, die er üblicherweise mit Seilbahnen erkämpft. Im Napf gibt es hingegen keine technische Unterstützung, denn Alphütten kann man natürlich auch mit dem Auto erreichen, schließlich sind tausendvierhundertsechs Meter ja keine Höhe, bis zu der hinauf man nicht auch asphaltieren könnte. Dagegen spricht nur das Gelände. Das Napfbergland besteht aus Nagelfluhschichten, also Gesteinsschichten, die von den aus den Alpen stammenden Flüssen am Alpennordrand abgelagert worden sind. Und diese wurden im Laufe der Zeit regelrecht ausgefressen, sodass sie heutzutage stark zerklüftet sind. Man kann mit bescheidenen Höhenunterschieden zwar lange Wege auf den Graten zurücklegen, aber irgendwann muss man rauf oder runter, und das geht nur in kräfteraubenden Anstiegen oder durch rutschige Abhänge in einem stark bewaldeten, meist düsteren Graben, der eher durch sagenhafte Gestalten als durch Menschen belebt ist, zum Beispiel durch die Jungfrau aus dem Änziloch, einem beeindruckenden Felskessel in der Gemeinde Romoos. Nach einem der berüchtigten Unwetter über dem Napfgebiet soll die Bauerntochter Sophie in einen ungerechten Zorn verfallen sein und wurde vom Vater ins Änziloch weggewünscht, wo sie fortan als langhaarige Frau mit schwarzen Händen und schwarzem Gesicht schmachtete, bis sie von einem Pilger erlöst wurde. Solche Heilsgeschichten kannten vor allem die katholischen Luzerner, womit auch gleich gesagt ist, dass das gesamte Napfbergland ziemlich genau von Nord nach Süd durch den Grenzverlauf der Kantone Bern und Luzern unterteilt ist, was man vor Ort allerdings nicht bemerkt, es sei denn, man steigt bei Luthern Bad ein, das sich zum meistbesuchten Luzerner Wallfahrtsort entwickelt hat. Dafür wäre allerdings Nicole Himmel kaum zu begeistern gewesen.« Heinrich Müller kannte die Gegend von verschiedenen Wanderungen, die meisten davon hatten ihn ins südliche Napfgebiet geführt, das mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Bern aus wesentlich einfacher zu erreichen war.

      Nach einigen Klicks zeigte Phoebe ein Standbild: die Hornbach-Pinte von vorn. Hinter das Haus und auf die Platzgeranlage konnte man nur mit Einschränkungen schauen.

      Melinda erschrak. »Da war ich schon einmal. Vor ein paar Jahren. Noch in der Sekundarschule. Im Bach vor dem Restaurant haben wir Gold gewaschen.«

      »Gold?«, fragte Gwendolin verzückt. »Hast du etwas nach Hause gebracht?«

      »Ja, jede von uns hat ein paar winzige Gold-Flitterchen in einem Röhrchen mitgetragen. Irgendwo muss es noch liegen.«

      »Die ganze Gegend rund um den Napf ist Goldwäschergebiet«, erklärte Heinrich. »Früher war das ein Nebeneinkommen für einige Bauern und Tagelöhner. Die Mengen waren zwar gering, und richtige Nuggets fand man nur selten, aber wenn man sonst kaum etwas zu verdienen hatte … Nun aber zurück zu Nicole. Sieht so aus, als ob dies nicht der Tatort war, sondern dass sie auf der Platzgeranlage abgelegt wurde.«

      »Vielleicht in der Hoffnung, dass jemand sie noch lebend findet?«, überlegte Gwendolin.

      »Zuerst erschießen«, sagte Phoebe, »und sie dann mit einem Auto irgendwohin fahren, damit sie gerettet wird?«

      »Und wenn sich der Schuss versehentlich gelöst hat?«

      »Hätte man sie ins Spital gefahren«, sagte Heinrich. »Nein, jemand wollte Nicole töten und sie so entsorgen, dass man sie finden, aber nicht auf den Täter aufmerksam würde.«

      »Scheint

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