Mord à la carte in Schwabing. Jörg Lösel
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Читать онлайн книгу Mord à la carte in Schwabing - Jörg Lösel страница 3
Genau in diesem Augenblick kam Lisa aus dem Hintereingang des Odeon – gefolgt von einem Typen ganz in Schwarz: schwarz glänzende, nach hinten gekämmte Haare, schwarze Hose aus glattem Leder und schwarzer Kurzmantel über dem Bierbauch. Der Typ war kaum größer als Lisa.
»Hi, Tom. Was machst du denn hier?«
»Ich wasche mein Auto«, sagte er mit einem Zwinkern und deutete er auf die zwei Eimer.
»Mitten in der Nacht – vor dem Odeon?«
»Ich wollte dich abholen, aber dann ist hier was passiert. Hast du die Sirenen nicht gehört?«
Kurz zeigte Lisa eine Reihe weißer Zähne zwischen ihren weinroten Lippen. »Doch, doch, Ben sagte, da wäre ein Gast zusammengebrochen.«
»Der ist direkt auf mein Auto zugelaufen und hat sich dann erbrochen.«
»Und da-hann … hast duu auch ge-gekotzt«, kam es von dem Typen in Schwarz.
»Halt dich zurück, Edgar!«, wies ihn Lisa zurecht. »Ach ja, das ist mein Kollege Edgar aus der Küche, und das ist Tom«, machte sie die Männer bekannt. Händeschütteln wollte keiner von beiden.
»Ich würde noch gerne was trinken gehen«, sagte Tom zu Lisa, wobei er sich mit dem Rücken vor Edgar stellte und ihn mit seinem Blick definitiv ausschloss.
Lisa checkte auf dem Display ihres Handys die Uhrzeit. »Okay, ich bin zwar tierisch müde, aber die Geschichte höre ich mir noch gerne an.«
»Ich mö-möchte sie au-auuch hören«, drängte sich Edgar stotternd zwischen die beiden. In seinen eng stehenden Augen erkannte Tom den Ausdruck eines geprügelten Hundes.
»Lisa erzählt sie dir morgen.« Tom war genervt, packte Lisa am Arm und zog sie zu seinem Wagen.
2
Weit nach Mitternacht hatte Tom Lisa nach Hause gefahren, und sie hatten sich mit Wangenküsschen verabschiedet. Lisa hatte ihm von ihrer Haustür aus noch mal zugewinkt. Mit Flugzeugen im Bauch hatte Tom seinen Dacia Richtung Schopenhauerstraße gelenkt.
Am nächsten Morgen nun sah er Bilder der Momente mit Lisa vor sich, als er auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz war: wie sie lächelte, wie sich ihr Mund beim Sprechen bewegte, welche Gesten sie mit den Händen machte, wie sie aufrecht und mit festem Schritt ging.
Da war eine Parklücke! Ein harter gedanklicher Schnitt. Tom parkte ein.
Es war der dritte Tag seiner Hospitanz beim Fernsehsender TV 1. Gleich nach dem Abschluss der Journalistenschule hatte es geklappt mit der Stelle. Er hatte sich bei mehreren Hörfunk- und Fernsehanstalten beworben und war sehr skeptisch gewesen, ob er eine Zusage bekommen würde.
Sein großes Berufsziel war eine redaktionelle Tätigkeit beim Fernsehen, und er hoffte, mit der Hospitanz diesem Ziel ein Stück näher zu kommen. Ihm war aufgefallen, dass die meisten Typen beim Fernsehen deutlich mehr gestylt waren als er, aber er fühlte sich nicht als Außenseiter. Die gemeinsame Arbeit in der medialen Branche würde gewiss Verbindungen mit den Kollegen entstehen lassen. Eigentlich sah alles nach einer fetten Glückssträhne aus: Er arbeitete beim Fernsehen, und vielleicht hatte er bald eine Freundin.
Stolz zeigte er seinen Dienstausweis dem Pförtner beim Einlass in das Betriebsgelände. Dann machte er sich auf den Weg zur Sitzung der Aktuellen Redaktion von TV 1, die am Standort München für die Berichterstattung aller tagesaktuellen Ereignisse zuständig war, die in Bayern medial von Interesse waren.
Das Redaktionszimmer wirkte kalt und nüchtern, es gab noch nicht einmal Plakate an den weißen Wänden, in einer Ecke stand ein Flipchart auf Rollen.
Um einen einfachen Resopaltisch saßen insgesamt zehn Leute – Redakteure, Planer, eine Sekretärin und ein Studio-Regisseur. Tom stand zwischen zwei Reportern eingekeilt an der Wand. Der Redaktionsleiter Walter Neuwirt, als Einziger in der Runde mit Anzug und Krawatte, zog seine Armbanduhr vom Handgelenk und legte sie vor sich auf den Tisch. In einem kernig gutturalen Bayerisch rief er die tagesaktuellen Storys auf und ließ deren Autoren über den Stand ihrer Recherchen berichten.
»Haben wir heute etwas übersehen?«, fragte Neuwirt mit einem hinterhältigen Lächeln.
Ein rothaariger Planer namens Brandt, der alle Programmentscheidungen eifrig mitgeschrieben hatte, meldete sich zu Wort. »Den Prozessauftakt gegen Steineberg haben wir nicht.«
»Und wieso sagt du das nicht früher? Der steht doch seit Wochen fest. Und die anderen Planer haben das nicht gemerkt? Gratulation zu so viel Übersicht.«
Augenblicklich war es in dem Raum zehn Grad kälter, und es wurde sehr still.
»Was machen wir jetzt? Wer hat Zeit?«
Niemand meldete sich. Die Autoren blätterten in ihren Unterlagen oder guckten ins Leere.
»Also sind alle gut beschäftigt, produzieren für heute, oder? Karen, was ist mit dir?«
Karen warf ihre langen blonden Haare über die Schulter und drückte die Brust gegen ihre weiße Ralph-Lauren-Bluse:
»Wenn jemand für meine morgige Story ins Archiv geht, könnte ich schon.«
Tom war hin- und hergerissen. Einerseits störte ihn der rüde Ton von Neuwirt und die eingeschüchterte Reaktion des gesamten Teams, andererseits sah er es als Chance, um auf sich aufmerksam zu machen. »Ich kann gerne helfen, Herr Neuwirt.«
Die Augenpaare aller Kollegen richteten sich auf ihn, viele mit einem spöttischen Ausdruck im Gesicht. Er kam sich anbiedernd vor und schämte sich.
»Er kann mit mir zum Drehen, die Suche im Archiv sollte lieber jemand übernehmen, der Bescheid weiß«, warf Karen ein.
Tom wurde rot.
»Wer geht für Karen ins Archiv?«, fragte Neuwirt.
Stille im Raum.
»Soll ich selber das alte Filmmaterial im Archiv heraussuchen? Stellt euch nicht so an. Wir müssen alle immer noch etwas mehr arbeiten. Brandt, du darfst dich freuen, hast ja auch den Termin verschusselt.«
Der Planer gab sich kleinlaut. »Verschusselt hab ich ihn nicht, aber ich helfe Karen gerne.«
Als der Name Steineberg gefallen war, war Tom hellhörig geworden. Steineberg war angeklagt, weil der Verdacht bestand, in seinem Restaurant wäre Haschisch in die Sterne-Menüs gemischt worden. Das war ein gefundenes Fressen für die Presse, und die Zeitungen würden sicher am nächsten Tag ausführlich über den Prozess informieren.
Sollte Tom von seinem gestrigen Erlebnis vor dem Odeon berichten? Vielleicht hatte der Franzose auch irgendwelches Rauschgift im Essen gehabt? Oder hatte er etwas mit dem Prozess gegen Steineberg zu tun?
Wenn herauskam, dass es einen kriminellen Hintergrund zu dem Vorfall gab, Tom vor Ort war und davon nichts erzählt hatte, dann stünde er ganz schnell auf der Versagerseite – kein guter Start ins Berufsleben.