Mord à la carte in Schwabing. Jörg Lösel

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Mord à la carte in Schwabing - Jörg Lösel

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etwas, was wir machen sollten?«

      Tom meldete sich.

      »Bitte schön, Herr Kollege.« Tom sah die Überheblichkeit im Gesichtsausdruck des Redaktionsleiters.

      Er schluckte, räusperte sich und begann: »Einmal weiß ich, dass nächste Woche in Niederbayern ein neues Geothermie-Projekt begonnen wird …«

      Neuwirt unterbrach ihn. »Sie sind wohl Umweltaktivist? Schauen auch ein bisschen so aus mit Ihren langen Haaren und der Lederjacke … Über Geothermie-Projekte haben wir doch schon mehrfach berichtet. Was haben Sie noch?«

      »Ich weiß, dass gestern ein Mann, der aus Steinebergs Odeon kam, bewusstlos zusammengebrochen ist. Ich weiß nicht, ob das irgendetwas mit Rauschgift zu tun hatte, aber ich wollte das einfach mitteilen.«

      »Und woher wissen Sie das?«

      »Ich war zufällig vor Ort.«

      »Oh, unser Redaktionsneuling ist Umweltaktivist und speist im Zwei-Sterne-Restaurant. Respekt.«

      Tom war wieder rot geworden. »Nein, ich habe da nicht gegessen, ich war zufällig dort.«

      »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«

      »Ich wusste nicht, ob das wichtig ist.«

      Bei diesen Worten sah Neuwirt auf seine Uhr, streifte sie über das Handgelenk und erhob sich.

      »Das kann es schon sein. Recherchier das mal, Brandt, und sag mir Bescheid, aber nicht erst heute Nachmittag!«

      Damit war die Sitzung beendet, Tom konnte es sich nicht verkneifen, seinem Nachbarn in der Zimmerecke zuzuraunen: »Ist der immer so?«

      »Meistens. Aber er hat auch seine netten Tage. – Wir haben uns noch nicht kennengelernt. Ich bin Eike.«

      »Ich bin Tom«, sagte er und sah sich Eike genauer an. Der Autor trug hautenge Jeans, rote Sneaker, ein enges weißes T-Shirt und darüber eine kurze graublaue Lederjacke. Seine dunkelbraunen Haare waren exakt gescheitelt, und Tom glaubte, auf den Wangen eine Spur von Rouge zu entdecken.

      »Freut mich, Tom. Lass uns in die Kantine gehen und einen Kaffee trinken. Dann kann ich dir was über unser Redaktionsleben erzählen.«

      In diesem Moment fuhr Karen dazwischen: »Komm, junger Mann, wir müssen was tun. Mit der Quatschkanone kannst du ein andermal plaudern.«

      Sie drehte sich um und verließ das Redaktionszimmer. Tom nickte Eike entschuldigend zu und beeilte sich, Karen zu folgen, die mit vorgestrecktem Kinn energisch in das Mikro eines In-Ear-Headsets sprechend voranstürmte und dabei einen blumigen Duft hinter sich herzog.

      Tom kannte den Justizpalast nur vom Vorbeifahren in der Tram am Stachus oder vom Biergarten des Parkcafés beim Alten Botanischen Garten aus, drinnen war er noch nie gewesen. Bombastisch wie ein absolutistisches Schloss stand das neobarocke Gebäude zwischen dem Münchner Hauptbahnhof und dem Karlsplatz, signalisierte die Macht der Justiz und des Staates, wobei die Staatsformen über die Jahrzehnte variierten. Da der größte Saal im Strafjustizzentrum in der Nymphenburger Straße belegt war und beim Steineberg-Prozess ein Ansturm von Presse- und TV-Journalisten erwartet wurde, hatte man diesen Prozess ausnahmsweise hierher verlegt.

      Als der Tonmann, der den Ford Kombi fuhr, endlich in der Nähe des Gerichtsgebäudes eine Lücke zum Parken gefunden hatte, stand schon ein Pulk von Fotografen, Zeitungs- und Hörfunkjournalisten sowie Kamerateams anderer Fernsehsender vor dem Haupteingang. Karen sprach noch immer in ihr Headset, um irgendetwas zu organisieren. Dabei hatte sie sich auf ihrem Schoß eine beträchtliche Anzahl von Notizzetteln nebst Rouge-Döschen und Lippenstift angehäuft, was sie in ihre rostbraune Business-Ledertasche einzuräumen versuchte. Sie wies das Team an, es solle vor dem Hauptportal die Kamera aufbauen, den Aufsager im On würde sie später machen, und Tom solle den Kollegen beim Tragen helfen. Zwischendrin sprach sie wegen der Terminierung ihres Videoschnittes ins Headset, wollte aussteigen, verschätzte sich aber bei der Höhe des Türrahmens und knallte mit der Stirn geräuschvoll gegen die Kante. Ein lauter Schrei. Tom, der bereits draußen auf der Straße stand, sah, wie langsam Blut aus einer Wunde über ihrer rechten Augenbraue zwischen Nase und Wangenknochen nach unten lief und auf die weiße Designerbluse tropfte. Karen war blass geworden und hatte ihre offene Ledertasche auf den Fahrzeugboden fallen lassen. Dorthin hatte sich auch ein Teil des Tascheninhalts ergossen. Tom fischte ein sauberes Papiertaschentuch aus der Hosentasche und drückte es ihr auf die Stirn.

      »Ist nur ein kleiner Riss!«, versuchte er sie zu trösten.

      Karen atmete heftig, saß aber völlig apathisch auf dem Beifahrersitz.

      »Ich hol schnell aus dem Café da drüben etwas Eis, dann schwillt die Wunde nicht so an.«

      Als Tom mit zerstoßenem Eis in einem durchsichtigen Plastikbeutel zurückkam, war Karen fast wieder die Alte.

      Sie gab dem Team und auch Tom Anweisungen: »Hilf den Kollegen beim Einfangen der O-Töne!«

      Dabei presste sie den Eisbeutel auf ihre Stirn.

      Toms Pulsschlag wurde schneller, und sein Magen zog sich zusammen. Plötzlich war er ein richtiger Reporter.

      Mit seinem Arbeitsgerät auf der Schulter lief der Kameramann Richtung Haupteingang, der übergewichtige Tonmann schnaufte hinterher. Tom versuchte, etwas Platz für sein Team unter den wartenden Journalisten zu schaffen. Bei den Fotografen kam das nicht gut an. Einmal stieß ihm jemand mit dem Ellenbogen in den Rücken.

      Unruhe und Hektik entstand unter den Medienleuten, als der Staatsanwalt ganz in Grau gekleidet und mit einer dicken Aktentasche in der Hand auf den Justizpalast zusteuerte. Tom, der den Namen des Mannes nicht kannte, rief: »Herr Staatsanwalt, können Sie fürs Fernsehen ein Statement abgeben?«

      Aber der zwängte sich an den Reportern vorbei zum Eingang, und gab nur kopfschüttelnd »Kein Kommentar!« von sich.

      Kurz danach erschien Steineberg mit seinem Anwalt. Fotoapparate klickten, Lichter blitzten auf, Hörfunkreporter hielten ihre Mikrofone in die Höhe. Toms Kameramann hievte seine Sony auf die Schulter. Jeder der Journalisten wollte zum Fall eine Erklärung von dem Sternekoch, aber er äußerte sich nicht – wie es alle auch erwartet hatten. Dafür stellte sich sein Anwalt medienerprobt vor die steinerne Pforte: »Wir sind sicher, dass Herr Steineberg freigesprochen und das Gericht als freier Mann verlassen wird.«

      Das Team konnte noch ein paar Bilder im Gerichtssaal drehen, danach ließ der Richter keine Aufnahmen mehr zu.

      Der Kameramann wollte sein Equipment schon in den Kombi packen, da stutzte er und fragte Karen, ob sie nun den Aufsager noch machen möchte.

      »So gehe ich doch nicht vor die Kamera!«, fauchte sie und deutete dabei auf ihre Stirn und ihre Bluse. »Außerdem brummt mir der Schädel. – Was habt ihr denn jetzt? Vielleicht reicht’s ja für den Bericht?«

      »Leider nicht sehr viel, der Staatsanwalt hat nichts gesagt, und Steineberg natürlich auch nicht. Sein Anwalt hat nur beteuert, dass sein Mandant freigesprochen wird«, berichtete Tom kleinlaut.

      »Das hat uns noch gefehlt, dass ihr kaum etwas habt.«

      »Dann soll’s der Hospitant halt mit dem Aufsager versuchen«, schaltete sich der Kameramann ein.

      Karen verzog zweifelnd den

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