Mord à la carte in Schwabing. Jörg Lösel
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Darunter setzte er ein Smiley und schickte die Nachricht ab.
Abgearbeitet und mit betrübter Miene saß Lisa Tom gegenüber in einer gut besuchten Bar, die nur wenige Meter vom Odeon entfernt lag. Lisa hatte ihre Lippen noch einmal nachgezogen, am etwas verschmierten Kajal und dem geröteten Weiß in ihren Augen bemerkte Tom, dass sie geweint hatte. Eine Bedienung mit hochgesteckten roten Haaren und einem hinter das Ohr tätowierten grünen Schmetterling brachte ihnen zwei Bier an den Tisch, fürs Hintergrundrauschen sorgte Mark Forster, der trällernd kundtat, dass er 194 Länder sehen wollte.
»So einen Scheißtag wie heute habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Die Polizei hat jedes Salatblatt umgedreht, Proben von allem genommen, was da war, und wir müssen in das Chaos jetzt wieder Ordnung bringen. Der Chef hat eine Laune … Jeden hat er angemotzt. Als mir ein Wirsingkopf auf den Boden fiel, hat er mich angeschrien, ich würde ihn noch seine Sterne kosten.« Lisa hatte ihre Hände zu Fäusten geballt, dann nahm sie sich sichtlich zusammen und machte eine Wischbewegung vor ihrer Stirn. Unsicher legte Tom ihr eine Hand auf den Arm.
Er wusste nicht, wie er sie trösten konnte. Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen, aber er spürte, dass sie gerade in ihrer eigenen Welt war.
»Morgen geht’s weiter mit dem Aufräumen. – Und wann der Laden wieder öffnen kann, wissen wir auch noch nicht.«
Tom hörte jetzt stärker als sonst ihren fränkischen Dialekt.
Lisa schob mit einer schnellen Bewegung alte Brotkrümel vom Tisch, als wären damit alle Arbeitsprobleme auch wie weggeblasen. Sie richtete sich auf, streckte ihren Busen heraus und nahm ihr Bierglas in die Hand. »Prost! Jetzt habe ich die ganze Zeit gejammert. Wie geht es denn dir?«
Tom verschränkte die Arme, legte die Stirn in Falten und hoffte, dass er Lisa mit seiner Leidensgeschichte ein bisschen Trost spenden könnte. »Auch beschissen. Ich habe mich zu einem Interview überreden lassen, obwohl es der Redaktionsleiter untersagt hatte. Als er mich in dem Beitrag gesehen hat, gab es richtig Knatsch. – Das hat meine Chancen, beim Fernsehen zu bleiben, nicht gerade vergrößert.«
»Hast du einen Plan B?«
»Nicht wirklich. Ich muss mich halt bei anderen Sendern bewerben. Und du?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Und uneigentlich?«
»Na ja, am liebsten würde ich selber ein Restaurant aufmachen.«
»Das ist doch eine gute Idee!«
»Aber eine teure. Man braucht jede Menge Euronen.« Lisa sah in die Ferne und wirkte angespannt, als würde sie den Mietvertrag für ihr neues Restaurant gleich unterschreiben müssen. »Und Leute, die für einen arbeiten und die man bezahlen muss. Ist schwierig.«
»Du müsstest das vielleicht im Team machen, du kennst doch sicher genug Menschen in der Branche.«
»Ich glaub, ich trau mir das noch nicht zu.«
»Du musst auf vegetarische und vegane Gerichte setzen. Da entsteht ein großer Markt.«
»Da hast du recht, inzwischen existieren rund drei Dutzend von guten vegetarischen und veganen Restaurants in München, aber wenn du etwas Besonderes anbieten willst, musst du Seeteufel, Hummer, Wasserschnecken, Täubchen, Kaninchen oder ausgefallene Sachen wie Kalbsbries auf der Speisekarte stehen haben. Ohne Fleisch und Fisch hast du wesentlich weniger Variationsmöglichkeiten für die Gerichte.«
Tom tätschelte ihre Hand. »Du willst gleich einen Stern?«
Lisa zog die Schultern hoch. »Na ja, lassen wir das. Man darf ja träumen.«
Sie war auf ihr Bierglas konzentriert und wischte das Kondenswasser darauf mit einer Serviette weg, während Tom sich verlegen am Kopf kratzte.
»Haschisch im Essen und jetzt offenbar Liquid Ecstasy – das muss doch jemand aus eurer Mannschaft gewesen sein. Kannst du dir nicht vorstellen, wer das war und warum?«
Automatisch verspannte sich Lisas Körper, sie richtete sich auf und erhob Tom gegenüber abwehrend eine Hand. »Wieso fragst du das?«
»Ich denke, wenn wir das wüssten, wäre allen gedient.«
Lisa hatte sich wieder in ihr Schneckenhaus zurückgezogen.
Tom unterbrach das Schweigen. »Warum macht jemand so etwas? Dadurch werden der Koch und das Restaurant diskreditiert. Jemand will Steineberg schaden. Aber ich verstehe nicht warum! Bezahlt er zu schlecht, überfordert er seine Mitarbeiter, hat er Dreck am Stecken? Warum will man seinen Laden ruinieren? Was ist beispielsweise mit diesem Edgar? Das ist doch ein komischer Typ.«
»Ach Edgar, der hätte so einen Plan gar nicht auf dem Schirm. Der ist eher einfach gestrickt.«
»Und wie kommt der in ein Sterne-Restaurant?«
»Unser Chef ist ein Oldtimerfan. Er lässt diese alten Kisten bei einem Mechaniker in Emmering restaurieren. Der hat ihn wohl gefragt, ob er nicht einen Job für seinen Sohn hätte.«
»Weißt du mehr über ihn?«
»Na ja, er ist sicher nicht der Hellste. Ich glaube, er ist in mich verliebt. Jedenfalls stottert er immer dann, wenn er in meiner Nähe ist.«
Tom lächelte. »Ist das alles, was du über ihn weißt?«
Lisa schwieg, Tom spürte ihr Misstrauen, dennoch fragte er hartnäckig nach.
»Was hat er für Freunde? Hat er Umgang mit Kriminellen? Was macht er in seiner Freizeit? Wo wohnt er?«
»Hör auf, du machst mich zur Quelle für deine Recherche. Das stört mich.«
»Sorry.«
»Er wohnt irgendwo beim Goetheplatz … im Schlachthofviertel. So, und ich gehe jetzt nach Hause.« Lisa winkte der Kellnerin, um zu zahlen.
»Ich fahre dich gerne heim. Liegt ja fast auf meinem Weg.«
»Einverstanden, aber reden wir nicht mehr über unsere persönlichen Dramen. Erzähl mal was Lustiges!«
In diesem Moment ging die Tür auf und Edgar betrat das Lokal.
Lisa stieß Tom an. »Lass uns schnell aufbrechen.«
Aber Edgar hatte Lisa schon entdeckt. Während er auf sie zu lief, hellte sich sein Gesicht auf. »Das ist ja ’ne Ü-Ü-Überraschung!«, brachte er euphorisch hervor.
»Sorry, Edgar, wir gehen gerade. Bis morgen.«
Lisa stand bereits, Edgar fletschte wütend die Zähne, als der frech grinsende Tom sich von seinem Stuhl erhob und an seinem Widersacher mit einer geschmeidigen Bewegung vorbeischob.
»Los, komm endlich!«, rief Lisa unwirsch an der Ausgangstür.
Tom hatte Lisa vor ihrer Wohnung abgesetzt und sich auf den Heimweg gemacht, da bemerkte er im Rückspiegel ein Motorrad. Mal ließ es sich ein Stück weit zurückfallen, dann klebte es fast an Toms Stoßstange. Als er in eine Nebenstraße einbog, tat es der Motorradfahrer auch.
Werde