Spreewaldkohle. Franziska Steinhauer
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Читать онлайн книгу Spreewaldkohle - Franziska Steinhauer страница 3
»Ihr Mann ist Lokalpolitiker. Aber er hat sicher einen Brotjob?«, fragte der Cottbuser Hauptkommissar freundlich.
»Ja. Er arbeitet bei einem privaten Bankinstitut, Bühler & Partner, ist Finanzberater für viele kleine Firmen in der Umgebung.«
»Und er ist Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Hat sich im letzten Wahlkampf sehr engagiert gezeigt. Vor wenigen Tagen wurden von Unbekannten Farbbeutel gegen das Parteibüro geworfen – soweit ich informiert bin, ist der Staatsschutz in die Ermittlungen einbezogen.«
Doreens Miene wurde unergründlich.
»Ja. Unschöner Vorfall. Aber vielleicht ein wenig zu hoch gehängt. Es handelte sich um Farbbeutel!«
»Frau Stein, hat Ihr Mann in der letzten Zeit Drohmails oder Briefe mit Drohungen gegen seine Person erhalten?«, fasste Nachtigall seine Frage weiter.
»Ach, na ja«, druckste die Gattin, »schon. Aber so was hat er immer gleich gelöscht. Und wer bekommt denn keine solchen Mails? Früher hatte man wenigstens noch den Anstand, mit dem eigenen Namen zu unterzeichnen. Heute schreibt dir Dudeldidu oder Spidermousy!«
»Er hat sie gelöscht? Hm. Worum ging es denn in den Mails?«
»Umweltthemen. Die Absender nahmen kein Blatt vor den Mund. Manche haben sich über die Forderungen nach einer Kohlendioxidbepreisung aufgeregt und wollten ihm die Seele aus dem Leib prügeln, falls sie sich ihr Auto nicht mehr leisten könnten, andere regten sich über das geplante Tempolimit auf, wieder andere waren der Meinung, die Politik solle endlich dafür sorgen, dass die Kinder wieder in die Schule gehen, statt auf der Straße bei Fridays for Future rumzuhängen. Es könne nicht angehen, dass man ständig über Mängel im Bildungssektor debattiere und dann akzeptiere, dass die Angebote nicht genutzt werden, weil die Gören auf der Straße rumstehen. Man wollte ein Exempel an einem Politiker der ›dreckigen Umweltbande‹ statuieren – mit einem Messer ›ökologisch aus dem Verkehr ziehen!‹« Sie schüttelte vehement den Kopf und entschied: »So was nimmt doch keiner ernst!«
»Ihr Mann hat diese Drohungen für einen Scherz gehalten?«
»Nein«, räumte Doreen zögernd ein, »das nicht. Aber es waren keine konkreten Formulierungen. Eher so was wie: Mein Auto fährt, so schnell es kann! Freie Fahrt für alle! Tempo ist Spaß, Hände weg vom Limit! Einmal stand dort: Ich werde dich töten! Gut, da haben wir einen Schreck bekommen. Aber auch diese Nachricht wurde von den altbekannten Beschimpfungen begleitet. Das hat uns schnell beruhigt. Dieser Absender verdiente es nicht, ernst genommen zu werden.« Sie atmete tief durch. »Mein Mann will die Welt retten. Und muss sich sagen lassen, dass der Tod denjenigen findet, der gegen die Interessen der Bürger handelt. Als wäre der Versuch, das Klima zu retten, gegen die Menschen gerichtet, die und deren Kinder und Enkel in diesem Klima leben müssen. Absurd!«
»Er hat in keinem dieser Fälle Anzeige erstattet?«
»Nein. Am Ende käme eh nur raus, dass die Mails aus dem Ausland abgeschickt wurden – und man den Täter nicht verfolgen könne. Ein mulmiges Gefühl hatte er sicher, aber keine Angst.«
Sie verstummte.
»Hören Sie, wir reden über Patrick, als sei er gestorben! Wir beenden das jetzt sofort! Sie werden ihn finden, er ist gestürzt und kann nicht nach Hause kommen. Das ist passiert, basta!«
Die klare Ansage sollte die aufsteigende Panik überdecken. Nachtigall verstand diese Reaktion nur zu gut, nickte beruhigend.
»Unsere Leute suchen die Strecken ab, die Sie uns genannt haben.« Nachtigall checkte zum x-ten Mal sein Handy. »Bisher haben sie Ihren Mann nicht gefunden. Und selbstverständlich versuchen wir, sein Handy zu orten. Mehr können wir im Augenblick nicht tun. Wird er nicht gefunden, müssen wir seine Anrufe und Mailkontakte checken, die Suche nach ihm ausweiten.«
»Sie halten es für möglich, dass er uns verlassen hat?« Doreens Augen sprühten gefährliche Funken. »Das hat er nicht! Er liebt seine Familie. Das ist ausgeschlossen.«
»Wir werden ein Team bereithalten, das die Überwachung Ihrer Telefonverbindungen einleitet, sobald wir dazu einen richterlichen Beschluss haben. Kann ich bitte Ihren Briefkastenschlüssel bekommen? Ich möchte nachsehen, ob in der Zwischenzeit etwas zugestellt wurde.« Nachtigall streckte die Hand aus.
Doreen zögerte.
»Ich weiß, dass Sie beim Nachhausekommen nachgesehen haben. Es ist nur zur Sicherheit.« Das Bund klapperte in seine Hand.
»Leer«, verkündete der Hauptkommissar wenig später.
»Sie glauben an eine Entführung? Aber hätte mir der Kidnapper das nicht eher mitteilen müssen? Also, ich meine, bevor ich merke, dass etwas nicht stimmt, und die Polizei verständige? Normalerweise wollen diese Typen doch nicht, dass man die Ermittler informiert.« Die Ehefrau des Verschwundenen klang nun leicht hysterisch.
»Da haben Sie sicher recht. Aber wir müssen von allen möglichen Szenarien ausgehen.« Nachtigall legte Frau Stein die Hand auf den Unterarm, wollte beruhigen, doch die Frau schüttelte sie ab, trat sogar einen Schritt zurück, als fürchte sie eine weitere Berührung.
»Mein Mann wartet darauf, gefunden zu werden. Er ist gestürzt oder hat sich im Wald verlaufen. Ihm ist nichts zugestoßen«, stellte sie unterkühlt klar. »Es gibt keinen Grund, irgendwelche Schreckensszenarien zu entwerfen.«
Nur Stunden später hatte sich die Angst bei den Steins fest eingenistet.
»Das kann nicht sein! Das ist vollkommen ausgeschlossen.«
Nachtigall konnte hören, dass die Tränen nur knapp unter der zur Schau gestellten ruhigen Oberfläche nach oben drängten.
»Wie ist das möglich, dass so viele Polizeikräfte meinen Mann nicht finden können?«
»Unsere Leute sind alle von Ihnen genannten Laufstrecken abgegangen. Sein Handy wurde entdeckt – Ihr Mann aber nicht. Das Mobiltelefon ist bei den Kollegen der Technik, wir werden versuchen, alle Daten wiederherzustellen. Dann sehen wir, welche Nachrichten er verschickt und bekommen hat. Möglicherweise eine Verabredung? Hunde sind unterwegs. Frau Stein, wir sind im Hintergrund sehr aktiv, auch wenn Sie im Moment nicht diesen Eindruck …«
»Mein Mann ist durchaus risikobewusst. Er läuft auf dem Weg – nicht durchs Unterholz. Gebrochene Arme und Beine stützten nicht das von ihm vorgesehene Image des dynamischen Machers, der alle Probleme bewältigen kann. Gleitschirmfliegen, Ultraleichtfliegerausflüge – nein, niemals. Gelegentlich spielt er mit den Kindern aus der Siedlung Fußball. Das ist es dann aber auch schon.«
»Es ist also nicht vorstellbar, dass er querfeldein …«, begann Klapproth und wurde giftig unterbrochen.
»Hören Sie mir eigentlich zu? Niemals würde mein Mann freiwillig durchs Unterholz joggen!«
Doreen Stein warf dem Hauptkommissar einen bitteren Blick zu. »Ich weiß, was Sie denken. Ein geheimes Treffen, ein Bett im Kornfeld, sexuelle Glückseligkeit mit einer anderen. Aber das ist undenkbar! Niemals hätte Patrick sich auf so etwas eingelassen. Auf einem Feld, teilweise oder völlig nackt, unter offenem Himmel, im Dreck, neben Regenwurm, Zecke und Co. … sehen Sie, es ist ein Unterschied, ob ich die Natur schütze oder mich in ihr bewege. Und zu viel Natur auf einmal ist nichts für meinen Mann! Krabbeltiere an den