Spreewaldkohle. Franziska Steinhauer

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Spreewaldkohle - Franziska Steinhauer

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erklären Sie uns zuerst, wie man da hineingeraten kann, während wir auf das Team des Erkennungsdienstes warten. Es wird doch Tag und Nacht an dieser Brücke gearbeitet. Es gibt sicher Überwachungskameras und solche Dinge. Eigentlich hätte ich gedacht, es sei unmöglich, unbemerkt so nah an die Maschinen heranzukommen.« Nachtigall sah an der beeindruckend hohen Wand aus Kohle und Erde, Lehm und Sand hinauf. Erkannte die Hand, von der Herr Weiler gesprochen hatte. Gehörten diese Finger zu dem vermissten Familienvater? Das wäre ein schwerer Schock für die Familie. Bei dem Gedanken daran, dass er die Nachricht überbringen müsste, kroch eine unangenehme Gänsehaut über seine Arme und den Nacken. Und wahrscheinlich war der Tote nicht von allein in die Schaufel geraten, mindestens eine weitere Person wäre involviert, Mord also nicht ausgeschlossen. Nachtigall seufzte.

      Timothy zuckte mit den Schultern. »Ehrlich gesagt, kann ich mir nicht vorstellen, wie das zugegangen sein soll. Natürlich kann man diesen Bereich des Tagebaus nicht ohne Probleme erreichen, die Schaufel trägt in Schichten das Material ab. Sie müsste ihn also förmlich aus dem Erdreich gekratzt haben. Und wie sollte er dort hingeraten sein? Ne, das erscheint alles nur wie blühende Fantasie.« Er runzelte die Stirn. »Ist ja so, dass die Kohle hier nicht an der Oberfläche liegt. Es sind mehrere Schichten Erde darüber. Die werden abgebaggert und als Abraum gelagert. Das erledigt der eine Bagger, dieser hier zum Beispiel. Die Kohle selbst können wir erst mehrere Schichten tiefer abbauen.« Er zeigte dabei auf die Wände des tiefen Kraters, wo die Veränderung der Farbe deutlich zu sehen war. Von Braun zu fast Schwarz.

      »Wieso sind Sie hier?«, fragte Klapproth und musterte Timothy eindringlich.

      »Nun, manchmal verklemmt sich was, dann kommen wir und sehen nach, was es ist. Große Dinge zum Beispiel aus Metall könnten die Förderbrücke beschädigen. Manchmal finden wir Stubben in den Schaufeln. Eigentlich gehen Leute übers Gelände und suchen es nach solchen Dingen ab, bevor der Bagger an die Stelle weiterrückt, aber manchmal wird eben einer übersehen.«

      »Während der Nachtschicht ist bestimmt der ganze Bereich gut ausgeleuchtet?«, mutmaßte Klapproth.

      »Ja, klar. Aber Sie wissen sicher, dass es immer wieder Leuten gelingt auf unser Gelände vorzudringen. Zum Beispiel Demonstranten, die den Bagger besetzen. Ihre Kollegen haben dann immer alle Hände voll zu tun, bis wir wieder arbeiten können. Es ist eben unmöglich alle Ecken des Geländes im Auge zu behalten. Wenn Sie meinen, dass jemand einen Toten waagerecht im Flöz verstecken könnte, muss ich sagen, dass so was nicht möglich ist. Darüber habe ich beim Warten auch nachgedacht – aber nein, der Buddler bliebe nicht unbemerkt. Außerdem trägt diese Maschine den Abraum ab, also das, was über dem Flöz liegt. Und tatsächlich fällt man nicht einfach so in den Baggerbereich. Das passiert nicht.« Timothy legte den Kopf in den Nacken, sah zu der Hand hinauf. »Also ehrlich, für mich sieht die frisch aus. Nicht, dass ich jetzt Ahnung von solchen Dingen hätte, bewahre, aber ich denke, wenn hier was liegt, dann verwest es. Und eigentlich ist es sowieso vollkommen unmöglich!«

      »Hm«, meinte Nachtigall. »Aber dennoch ragt hier ein Arm aus der Schaufel. Irgendwie hat es also funktioniert.«

      Timothy Weiler nickte bedächtig. »Wenn Sie mich fragen, entweder sollte der Körper rasch gefunden werden oder derjenige, der ihn loswerden wollte, stammt nicht von hier. Jedes Kind weiß, dass Alarm ausgelöst wird, wenn ein Fremdkörper in der Schaufel steckt. Das lernt man schon in der Schule.«

      »Wir sollten ihn runterlassen, damit wir einen Blick auf den Körper werfen können«, meinte Klapproth ungeduldig, zog die Augen schmal. »So kommen wir nicht einen Schritt weiter. Es ist zwar völlig ausgeschlossen und unmöglich, dass dort jemand liegt, Tatsache bleibt, dass es dennoch so ist. Wir müssen klären, wer derjenige ist. Runter mit der Schaufel.«

      »Jaja«, maulte eine Stimme hinter ihr, und sie fuhr erschrocken herum. »Wir sind ja da und werden uns mit der Bergung beeilen, damit ihr einen Blick auf die Leiche werfen könnt.« Peddersen gab seinen Leuten ein Zeichen.

      Das Tatortfahrzeug des Erkennungsdienstes war von einem der LEAG-Jeeps eskortiert worden, dessen Fahrer sich mit Timothy kurz verständigte, umkehrte und wegfuhr.

      »Er meinte, zwei Begleitfahrzeuge seien wohl nicht notwendig. Und wir sollten uns beeilen, jeder Ausfall kostet.«

      »Guten Morgen erst mal«, brummte Nachtigall. »Wir müssen nicht nur klären, um wen es sich handelt. Spannend ist, wie er in die Schaufeln gelangen konnte. Sollte es sich um den Vermissten handeln, wissen wir, dass dieser Ort fernab aller genannten Joggingstrecken liegt.«

      »Wir können sicher schnell die ersten Antworten geben. Fotos, dann Spuren und Fotos, dann die Bergung.« Peddersen gab Anweisungen, und sein Team machte sich an die Arbeit.

      »Lassen Sie um Himmels willen die Helme auf!« Timothy war sehr beunruhigt. »Auch wenn es für Sie nicht so aussieht: Es ist gefährlich.«

      »Yupp!« Damit war Peddersen verschwunden.

      »Längere Arbeitsausfälle sind in den Abläufen nicht vorgesehen. Leichenfunde natürlich auch nicht. Ich muss mal eben mit dem Schichtleiter sprechen.« Weiler trat zur Seite und begann aufgeregt zu telefonieren.

      Einige Zeit später lag der Leichnam in einer Transportvorrichtung, wurde in einen Sarg gelegt.

      Klapproth und Nachtigall hatten keine Probleme, Patrick Stein zu erkennen, trotz des dunklen Staubs, des Sandes und der Erde, die an ihm hafteten.

      »Er ist es, kein Zweifel.« Klapproth drehte sich zu Timothy Weiler um, der seinen Hals gereckt hatte, damit er einen Blick auf den Toten werfen konnte. »Damit ist eine unserer Fragen geklärt. Die Kollegen sind noch nicht fertig, aber wir müssen die Angehörigen informieren. Bitte geben Sie keine Informationen an die Presse oder andere Neugierige weiter. Wir sind nicht daran interessiert, dem Täter mitzuteilen, dass wir sein Opfer bereits gefunden haben.«

      »Ja, logisch!«

      Er ließ die beiden in seinen Jeep einsteigen, klemmte sich hinter das Lenkrad. »Hey, macht keinen Blödsinn!«, rief er Peddersen und seinen Leuten zu. »Ich bin gleich zurück.«

      Wortlos brachte er die beiden Ermittler zu ihrem Wagen zurück.

      Stirnrunzelnd sah er ihnen nach, kehrte dann zu der Fundstelle zurück.

      »Das war doch dieser Politiker«, murmelte er, als er neben dem Fahrzeug der Spurensicherung hielt, »dieser Kohleausstiegsbefürworter. Klar doch!«

      6

      Nachtigall atmete tief durch, drückte dann vorsichtig auf die Klingel, als könne er so das schrille Geräusch im Haus abmildern.

      Wieder würde er eine Nachricht überbringen, die Trauer, Entsetzen und Tränen über eine ganze Familie schwappte.

      Maja Klapproth beobachtete sein Mienenspiel voller Interesse. Schüttelte fast unmerklich den Kopf. Ihrer Meinung nach ließ der Kollege all die beruflichen Dinge viel zu nah an sich heran. Inzwischen wusste sie allerdings, dass er das anders sah. Er nannte es »empathisches Denken«.

      Sie warteten.

      Wortlos.

      Regungslos.

      Beiden stand das Bild des Toten in der Schaufel deutlich vor Augen. Wollte so gar nicht zu der Idylle des Gartens vor der Tür passen.

      Aus dem Haus war Kinderlachen zu hören.

      »Nein, das ist

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