Finsterdorf. Peter Glanninger
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Sie wünschte sich, ohnmächtig zu werden, dann würde sie keine Schmerzen mehr spüren, aber es geschah nicht. Als der Mann sie losließ, kippte ihr Kopf nach vorne. Doch einen Moment später wurde er wieder an den Haaren hochgerissen. Sie schrie vor Schmerz und hörte erneut die flüsternde Stimme: »Wenn du nur ein Wort sagst über das, was hier passiert ist, nur ein Wort zu deinen verfluchten Eltern oder einer deiner verfickten Freundinnen oder zu dem versifften Pfaffen oder zu sonst irgendeiner beschissenen Kreatur, nur ein Wort – dann holen wir dich wieder. Ganz egal, wo du dich verkriechst, wir werden dich finden. Und dir wird alles, was wir bisher mit dir gemacht haben, wie das Paradies vorkommen. Wir werden dich ficken und dir die Haut abziehen und dich so lange in deinem Loch verfaulen lassen, bis der Tod dir eine Erlösung sein wird. Hast du das verstanden?«
Sie nickte unmerklich. Der Schlag einer Peitsche traf sie quer über den Rücken. Sie schrie.
»Hast du das verstanden?«, fragte die Stimme noch einmal, immer noch leise, aber bestimmter, wie das zornige Zischen einer giftigen Schlange. »Antworte oder wir schlagen dir das Fleisch von den Knochen.«
»Ja«, keuchte sie, »ja.«
»Lauter.«
Ein neuer Schlag hinterließ eine zweite Strieme, die brannte, als hätte ihr jemand Säure über den Rücken gegossen. Sie brüllte, das Schreien ging in ein hysterisches »Ja! Ja! Ja! Ich hab verstanden!« über.
»Gut«, flüsterte er und streichelte über ihre Brüste.
Jetzt wurden die Stricke gelöst und sie sackte zu Boden. Einen Moment lang keimte Hoffnung in ihr auf. »Bitte, lasst mich gehen«, wimmerte sie.
Als Antwort zog die Peitsche eine neue Strieme über ihren Rücken, und die Stimme sagte: »Du gehst, wenn ich es dir erlaube. Wir sind noch nicht fertig mit dir.«
4.
»Kollege Radek, ich hätte da einen Job für dich.« Chefinspektor Gierling stand mit einem breiten Grinsen in der Tür, kam dann zu Radeks Schreibtisch und blieb vor ihm stehen.
Radek erhob sich. Weniger aus Höflichkeit zu seinem Chef, sondern weil er ihm auf Augenhöhe gegenüberstehen und nicht von oben herab, wie es sich aus dieser Situation sonst ergeben hätte, behandelt werden wollte. Radek wusste, dass Gierling ihn nicht ausstehen konnte. Der Chef machte daraus kein Geheimnis.
Felix Dully, ein Kollege, der an seinem Computer in einen Bericht vertieft war, blickte auf und beobachtete die Situation gespannt. Vielleicht gab es Ärger für Radek. Auch Dully konnte ihn nicht leiden, genauso wenig wie die anderen Kollegen im Einsatzbereich Eins, Leib und Leben, im LKA Niederösterreich. Sie betrachteten Radek als Eindringling. Er war der Jüngste der Gruppe. Alle anderen waren eingefleischte Kriminalbeamte. Er war ein Frischling. Gierling hatte einen zusätzlichen Mann haben wollen, der ihnen den Papierkram erledigte, welcher in den letzten Jahren immer umfangreicher geworden war. Er hätte dafür einen älteren Kollegen bevorzugt, der auf einen ruhigen Posten wollte, auf dem er gemütlich in die Pension segeln konnte. Keinen ehrgeizigen Jungspund, der mit einem Auge stets auf seine Karriere schielte. Aber die besoldungsrechtliche Bewertung der Stelle, die sie bekommen hatten, war so schlecht, dass sich niemand für den Job fand. Nur Radek hatte sich nicht abschrecken lassen und sich direkt nach Beendigung eines Kurses für dienstführende Beamte hierher gemeldet.
Zuvor war er Streifenbeamter und Kriminalsachbearbeiter auf der Polizeiinspektion Linzer Straße in Sankt Pölten gewesen.
Gierling blätterte den dünnen Akt durch, den er in der Hand hielt. »Ich habe hier eine etwas sonderbare Angelegenheit«, sagte er. »Es geht um Folgendes: Vor etwa zwei Wochen wurde in Schandau, das ist ein Nest im Bezirk Scheibbs, ein Mädchen namens …«, er suchte im Akt nach den Personaldaten, »Bernadette Lindner, 17 Jahre alt, als vermisst gemeldet. Die Eltern haben eine Abgängigkeitsanzeige erstattet. Dann ist das Mädchen nach einer Woche unversehrt wiederaufgetaucht. Die Vermisstenanzeige haben wir bearbeitet, es ist jedoch nichts Großartiges herausgekommen. Das Übliche eben.«
Gierling machte eine Pause, als warte er auf Fragen, aber Radek wollte erst die Fortsetzung hören.
»Diese Lindner wirkte auf die Kollegin von der Polizeiinspektion Gresten, die die Sache jetzt bearbeitet, etwas verwirrt. Und zu allem Überdruss hat sie wilde Geschichten vom Teufel erzählt. Na ja, jedenfalls hat die Kollegin einen Bericht ans Bezirkspolizeikommando geschickt und darin den Verdacht geäußert, dass Satanisten ihr Unwesen treiben. Der Sachbearbeiter im BPK übermittelte das Ganze an das Landesamt für Verfassungsschutz, und die haben den Akt an uns weitergeleitet, weil wir die Vermisstensache bearbeitet haben. Mit der Anmerkung, dass es seit den letzten Reformen kein Sektenreferat mehr gebe und die entsprechenden Kompetenzen zur Beurteilung des Sachverhalts nicht mehr vorhanden seien.«
Früher hatte es beim Verfassungsschutz in den Ländern und im Innenministerium eigene Referate für Sekten gegeben. Vor einigen Jahren waren sie allerdings aufgelöst worden. Die wollen sich abputzen, dachte Radek, die wollen uns sagen: Die Dienstbehörde kürzt uns mit ihren Scheißreformen die Ressourcen und deshalb stellen wir für diesen Kram kein Personal mehr ab. Also, liebes LKA, selber machen. Ihm war zwar noch nicht klar, was Gierling von ihm wollte, aber er hatte eine vage Vermutung.
»Was erwartest du jetzt von mir?«, fragte Radek. »Soll ich eine Analyse anfertigen?«
Radek machte in Gierlings Gruppe nur wenig kriminalpolizeiliche Arbeit. Vorwiegend analysierte er Berichte und Sachverhalte von Straftaten, führte Computerrecherchen durch oder erledigte sonstigen Papierkram. Arbeiten, die allen anderen zuwider waren. Gierling wollte ihn damit aus dem Ermittlungsteam raushalten.
»Nein, du sollst keine Analyse machen. Du sollst dort hinfahren und dir die Situation vor Ort anschauen«, sagte Gierling.
Das überraschte Radek. »Wie meinst du das?«, fragte er etwas verunsichert.
Gierling zuckte die Schultern. »Das LV hat schon recht. Eigentlich sind wir dafür zuständig. Aber ich möchte keinen großen Wind um die Sache machen. Deshalb folgende Überlegung: Arbeite dich in den Akt ein, fahr nach Schandau und schau, was da los ist. Vor allem solltest du klären, ob mit der Abgängigkeit ein strafrechtlicher Tatbestand verbunden ist. Soweit ich das bisher gesehen habe, hat sich die Kollegin dort diesbezüglich noch nicht festgelegt. Wenn du das geklärt hast, dann überlegen wir, was wir in dieser Angelegenheit weiter unternehmen werden. Sollte es eine Entführung sein, sind wir dafür zuständig. Du weißt ja, das ist eine Straftat, die in unseren Bereich fällt.«
Er grinste breit und es sah nicht so aus, als würde er das, was er eben gesagt hatte, selbst ernst nehmen. Aber es stimmte. Entführung war ein schweres Delikt, den ihr Einsatzbereich zu bearbeiten hatte. Allerdings zweifelte auch Radek daran, dass es sich tatsächlich um eine solche handelte. Sonst wären aus der Polizeiinspektion Gresten klarere Informationen gekommen.
»Soll