Bayerische Hinterhand. Dinesh Bauer

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Bayerische Hinterhand - Dinesh Bauer

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Rand des Mäuerchens. Das Zielobjekt sitzt nichts ahnend im Biergarten – wie festgenagelt, praktisch! Er klappt das Visier hoch, stützt sein Gewehr ab, kneift die Augen zusammen und – kawumm. Meine Leute haben drei Patronenhülsen, Jagdmunition, Standard-Kaliber, eingetütet – was folgt daraus?«

      Reimers hüstelte in seinen schütteren Spitzbart. »Der Täter hat dreimal gefeuert – aber nur einmal getroffen.«

      Orterer schnaufte kurzatmig. »So ist es. Ein Projektil steckt im rechten Hinterreifen eines vor dem Gasthof parkenden Fiat Punto. Der Rostkübel gehört einem Matthias Wachtveitl, vierschrötiger Typ, Marke Räuber Hotzenplotz. Eine Kugel geht ins Blaue. Aber aller guten Dinge sind drei – die Dritte sitzt, die Pumpe platzt. Was folgern wir daraus?« In Orterers Augen blitzte der Schalk.

      Reimers strich sich ums spärlich behaarte Kinn. »Da sehe ich zwei Alternativen. Entweder wir haben es mit einem Sonntagsschützen zu tun, der einen Zufallstreffer landet. Oder einem Profi, der uns nach Strich und Faden verarscht.« Die Äugelein des KTU-Leiters verengten sich zu zwei schmalen Schlitzen. »Ein Täuschungsmanöver? Scusi, das halte ich für abwegig. Unser Attentäter war hochgradig nervös. Er hat die Tat zwar von langer Hand geplant, aber stümperhaft ausgeführt.« Der Kommissar schniefte, es war merklich kühler geworden. Er fror in der leichten, luftigen Freizeitkluft – er hätte sich eine Strickjacke um den Hals schlingen sollen. »Sie hören sich ja schon an wie der Großneffe von Hercule Poirot.«

      Orterer verzog keine Miene, der spöttische Unterton in seiner Replik war allerdings unüberhörbar: »Wir liefern die Fakten, die Kripo den Täter ans Messer! Es ist Ihr Job, die richtigen Schlüsse aus der vorliegenden Kausalkette zu ziehen.« Orterer hatte seine Fäuste kampflustig in die Hüfte gestemmt.

      »Und wie sieht die Ihrer Meinung nach aus?«

      Der Chef-Spurenleser wies mit der ausgestreckten Hand zum Hügel hinüber. »Den Fluchtweg kann ich anhand der Spurenlage mit dem Lineal nachzeichnen: Unser Mordschütze gibt den letzten Schuss ab, steckt sich eine zweite Zigarette an.«

      Reimers überlegte laut: »Er zögert, will sich überzeugen, ob er sein Ziel nicht doch verfehlt hat.«

      Orterer schnippte ein paar Staubpartikel vom Ärmel seines Schutzanzugs. »Nun, vielleicht hat er aber auch auf die Nachricht eines Komplizen gewartet. Mission completed.«

      Die Stirn des Kommissars wellte sich. »Durchaus möglich. Er verstaut sein Gewehr in einer Sporttasche und verschwindet unauffällig vom Tatort.«

      »Falsch«, korrigierte ihn Orterer. »Er hat es plötzlich eilig, er springt auf und rennt los. Bei seiner Flucht hinterlässt er deutliche Vertiefungen im sauber geharkten Kiesweg. Er schlittert die Böschung hinab und steigt in einen frisch aufgeworfenen Maulwurfshaufen.«

      »Ihr habt einen Schuhabdruck?« Reimers war beeindruckt. Die Jungs waren fix. »Gummisohle. Fünf Millimeter Profiltiefe. Ein robuster Bergstiefel, relativ neu oder zumindest selten getragen. Marke und Modell liefern wir nach.«

      Reimers war, was nicht allzu oft vorkam, perplex. Um nicht wie ein Dilettant dazustehen, kam er auf das Fluchtfahrzeug zu sprechen. »Unten an der Straße wartet ein Mittelklasse-SUV, BMW oder Audi auf ihn.«

      Jetzt war es Orterer, der ihn erstaunt musterte: »Parbleu, Kompliment, exakt! In den weichen, noch feuchten Untergrund hat sich das Profil der Pneus gestochen scharf eingestanzt. Selbst für einen Laien nicht zu übersehen. Pfeilmuster mit schmalen Rillen.« Der Meister war sichtlich stolz auf die professionelle Arbeit seiner Techniker-Truppe: »Wir haben Gipsabdrücke genommen. Ich bin zwar kein Spezialist, aber die Reifen waren ziemlich breit – Größe 235/55 R 17, grob geschätzt. Nächste Abteilung Bulldog oder Bagger.«

      Reimers nahm sich vor, Orterer demnächst auf einen Mojito und eine Cohiba in die »Bar Cubano« einzuladen. »Hersteller, Serien- und Chargennummer?«

      »Liegt spätestens Dienstag auf Ihrem Tisch. Sie können die Infanterie schon mal instruieren. Mit der Reifenbeschau sollten sie in den Doppel- und Dreifachgaragen anfangen.«

      Reimers kam sich wie ein biederer und begriffsstutziger Provinz-Profiler vor, der nichts wirklich Wesentliches zur Aufklärung des Falls beisteuerte. »Hut ab, das ging ja flott!« Mit einem Auge linste er auf die Zeiger der Armbanduhr. »Die Mord-Meldung kam erst vor knapp zweieinhalb Stunden rein.«

      Der Chef-SpuSi wiegelte ab: »Ich war grad zufällig ums Eck – und fürs Herumsitzen werde ich schließlich nicht bezahlt. Ah, da wäre noch etwas, kommen Sie.« Mit einer energischen Handbewegung bedeutete er dem Kommissar, ihm zu folgen.

      Im Trippelschritt steuerte Orterer auf die mannshohe Mauer zu, die den Friedhof auf der Südseite umschloss: »Hier hat noch jemand herumgeballert, und zwar mit einer Schrotflinte. Magnum-Patronen Kaliber 12, Hülsenlänge 76 Millimeter.«

      Reimers dackelte wie ein getreuer Jagdhund hinterher – langsam wurde ihm dieser Wunderknabe unheimlich. »Weshalb das? Das ergibt doch nur einen Sinn, wenn es jemand auf den Täter abgesehen hat. Aber wenn ich einen Mitwisser beseitigen will, dann doch nicht hier, sondern an einem stillen Örtchen.«

      »Na ja, es könnte sich auch um jemanden handeln, der den Mord verhindern wollte«, mutmaßte Orterer. »Wir haben drei Hülsen respektive die Geschossböden der Schrotpatronen eingetütet. Das Zeug ist aus Messing und glänzt, dass jede Elster neidisch wird.« Behände erklomm Orterer die Böschung und tastete sich am Mauerwerk entlang. An mehreren Stellen war der Putz abgebröckelt. »Sehen Sie, überall feiner roter Ziegelstaub.« Der Kommissar fuhr mit den Fingerspitzen über die betreffende Stelle. Orterers Diagnose war auf den Punkt: Eine Schrotladung – kleine Eisenkügelchen aus Hartblei – hatte die Wand durchsiebt, Schrammen und Furchen hinterlassen.

      Reimers arbeitete ungern mit ungesicherten Hypothesen, doch die Spuren legten die Vermutung nahe, dass ein Unbekannter auf den Attentäter gefeuert hatte – in klarer Tötungsabsicht: »Deswegen hat der Mordschütze so überstürzt reagiert. Er hat bemerkt, dass ihm jemand auf den Fersen ist. Auf dem Weg zum Wagen wurde er beschossen – aus einer Jagdflinte.«

      »Plausibles Szenario.« Orterer nickte zustimmend. Dunkelheit kroch aus den Ritzen des Gemäuers.

      Die rußgeschwärzte Ruine der Trafostation erinnerte ihn an ein Spukschloss. »Noch ein Sonntagsschuss – der einen Kurzschluss und eine Detonation verursacht.«

      »Licht aus, Spot an«, kommentierte Orterer lakonisch. Er wiegte den Kopf – und schien Reimers Hypothese in Zweifel ziehen zu wollen: »Nun, es ist Ihre Aufgabe, den Tathergang zu klären. Ich würde aber annehmen, dass der Mann mit der Flinte von hier drüben den Hang hochkam.« Orterer deutete auf ein weites, freies Feld. Das Gelände stieg nur sanft an – und war frei einsehbar. Es erschien Reimers unwahrscheinlich, dass jemand das Risiko einging, einfach so querfeldein über die Wiese zu hoppeln. »Gleich nach Sonnenaufgang lass ich das Terrain abgrasen, vielleicht findet sich was. Ein Stofffetzen an einer Brombeerranke, ein Faserrest, ein Papierfitzelchen, irgendetwas.«

      Reimers blieb skeptisch: »Wenn unser Mister X von dort kam, hätte er doch mitbekommen, dass hier oben scharf geschossen wird. Wer begibt sich freiwillig auf ein solches Himmelfahrtskommando?« Reimers strich über den völlig zerknitterten Kragen eines teuren, taubenblauen Leinenhemds. Er hatte am Morgen sein Outfit mit ungewöhnlicher Sorgfalt zusammengestellt, um sich bei der Kneiptour mit dem stets modisch akkurat gekleideten »Dressman« Dirk keine Blöße zu geben. Nach der Landpartie sah er jedoch wie eine zerzauste Vogelscheuche aus.

      Orterer ließ nicht locker, der Gedankengang des Kommissars leuchtete ihm nicht recht ein: »D’accord! Was wissen wir? Sämtliche Indizien legen die Vermutung nahe,

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