Bayerische Hinterhand. Dinesh Bauer

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Bayerische Hinterhand - Dinesh Bauer

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die Waffe in Einzelteile zerlegt und da drin versteckt hat. In einer Abstellkammer, hinter einem Gemälde, unter einer Leichenbahre, was weiß ich. Schau dir auch die Holzverkleidungen und Paneele an.«

      »Herr Kommissar, wenn es da drin etwas zu finden gibt, finde ich es.« Moser, ein Mann von mittlerer Größe und rundlicher, untersetzter Statur, watschelte von dannen. In seinem unförmigen Schutzanzug sah er aus wie ein Michelin-Männchen.

      Bei einem Schwerverbrechen ging man nach dem erprobten Muster vor – einem hundertmal durchexerzierten Ablaufplan. Das Prozedere war immer das gleiche. Die Aufgaben waren klar verteilt, die Zuständigkeitsbereiche fest umrissen, die Arbeit weitgehend Routine. Ein Schauspiel, das stets in derselben Besetzung über die Bühne ging: Da war der Gerichtsmediziner, der mit kühler Distanziertheit die Leiche auf Spuren von Gewaltanwendung hin untersuchte, der Staatsanwalt, der mit genervter Miene auf und ab stolzierte und per Handy Rücksprache mit dem ermittelnden Richter hielt, die Mitarbeiter der Kriminaltechnik, die Sessellehnen, Bierkrüge und zur Not auch Grabsteine mit Rußpulver bepinselten, um anschließend die Fingerabdrücke per Klebefolie abzunehmen. In gebührendem Abstand zu den Hauptdarstellern war die Komparserie im Einsatz: Sanitäter, Feuerwehrler oder die Jungs vom THW vermittelten stets den Eindruck geschäftiger Betriebsamkeit. Einzig und allein die vom Büro der Kripo verständigten Bahrenschubser hatten es nie sonderlich eilig. Ihr Fahrgast lief ihnen nicht davon. Als leitender Ermittler erteilte Reimers die Regieanweisungen, um die ganze Szene so realistisch und überzeugend zu inszenieren, als ob ein Filmteam mit von der Partie wäre. Unvermittelt musste er grinsen. Jeder »Tatort«-Kommissar hatte sein Script, seine Dialogzeilen, nur er musste sein Drehbuch erst noch schreiben.

      »Ah, da sind Sie ja, Monsieur Le Commissaire!« Eine schlanke, schlaksige Gestalt hechelte im Triathleten-Tempo den Steilhang an der Nordseite des Hügels herauf und hüpfte mit der etwas hüftsteifen Eleganz einer aus der Übung geratenen Hürdensprinterin über das Friedhofsmäuerchen. Trotz der modischen, mit einigen Abstrichen in der B-Note nahezu perfekt sitzenden Wanderkluft wirkte ihre Junior-Kommissarin stets so, als ob sie nur notgedrungen »Räuberzivil« trug und einer schick geschnittenen Ausgehuniform eindeutig den Vorzug gegeben hätte. Ihr Blondschopf war kurz geschnitten, die kurzärmelige Outdoor-Bluse und die eng anliegende Stretchhose betonten ihre sportliche, aber durchaus weibliche Figur. Marie-Rose Duroc umgab eine burschikose und doch feminine Aura, die sie auch heute mit einer feinen Parfumnote betonte. Mit ihren weich modellierten Gesichtszügen und dem kleinen neckischen Grübchen am Kinn sah »Rosi« aus wie das flotte, vielleicht noch etwas naive Mädel vom Land. Doch der erste Eindruck täuschte gewaltig. Die Co-Produktion eines auf Eichenholz-Restaurierungen spezialisierten bretonischen Schreiners und einer aus dem Inntal stammenden Vergolderin und Fassmalerin hatte es faustdick hinter den Ohren. In einer lässigen Geste erhob sie ihren Arm zum Gruß. Kriminalkommissarin Duroc war seit knapp zwei Jahren Teil der Abteilung K 1 der Kriminalpolizeiinspektion Rosenheim. Reimers hatte keinen Grund zur Klage, seine »Neue« war weder launenhaft noch kapriziös. »Rosi« war die Gewissenhaftigkeit und Beharrlichkeit in Person, diszipliniert, zielstrebig und umsichtig. An ihrer fachlichen Kompetenz war nichts auszusetzen. Mit ihr hatte er eine akribisch arbeitende Ermittlerin an seiner Seite, die mit unermüdlichem Bienenfleiß Unterlagen und Datenbanken durchforstete, Zeugen befragte und sämtliche relevanten Fakten wie die Teile eines Puzzles zusammentrug. Das Einzige, was ihr noch abging, war die berühmte »Spürnase«, der siebte Sinn, die kriminalistische Intuition, die vielleicht so weiblich nicht war. Sie sprühte förmlich vor Tatendrang: »Guten Abend, Chef. Tatort Friedhof – mal was Neues. Ich möchte nicht pietätlos erscheinen, aber eigentlich könnten Sie den Toten gleich da drüben aufbahren.« Kommissarin Duroc neigte ihr blondgelocktes Haupt in Richtung Leichenschauhaus.

      »Nun, erst mal muss unser Kunde noch unters Messer. Auch wenn Todesursache und Todeszeitpunkt ja festzustehen scheinen.« Es sollte jovial und zupackend klingen – kam aber eher abschätzig und von oben herab daher – so schob er hastig nach: »Den Meldedaten nach kommt das Opfer aus einem Nachbarort, Rauholzen. Er wird also kaum hier beerdigt werden, das wäre dann doch ein wenig, hm, makaber.« Die Kriminalkommissarin nickte mechanisch – schien ihm aber nur mit einem Ohr zugehört zu haben. »Der diensthabende Gerichtsmediziner Doktor Bruckmann hat die Leiche untersucht. Tödliche Schussverletzung, unzweideutig. Das Projektil hat, wie sagt man, ins Schwarze getroffen und das Herz perforiert, ja zerfetzt.«

      Zwei dunkelblaue Augen mit einer Schattierung ins Grünliche blickten ihn fragend an. »Und die Spurensicherung, haben die schon was für uns?«

      Seine Untergebene musste ein hämisches Grinsen unterdrücken. »Ein Biergarten als Tatort, das ist für unseren Ober-SpuSi doch ein gefundenes Fressen. Optimale Arbeitsbedingungen, massig Spuren, noch frisch und bestens konserviert. Ein wahres Schlaraffenland, wenn ich ihn zitieren darf.« Orterer, den Leiter der KTU, würde er sich später noch vorknöpfen.

      Reimers blickte sich misstrauisch um, so als ob er jeden Moment einen Angriff aus dem Rückraum befürchtete. Nun, es half alles nichts, er musste das leidige Thema anschneiden: »Was ist mit dem Staatsanwalt, hat er schon das Go gegeben? An einem Tod durch Fremdeinwirkung kann wohl kein berechtigter Zweifel bestehen.« Über Durocs weichgezeichnete Wangen huschte ein Schatten. Wie jeder aufrechte Kripo-Beamte stand sie auf Kriegsfuß mit den Herren und Damen in ihren mit Samt besetzten, schwarzen Roben. »Ehe ich’s vergesse, Doktor Knittelbeck wünscht Sie umgehend zu sehen – offenbar besteht Gesprächsbedarf.« Seine Gesichtszüge verhärteten, seine Haltung versteifte sich. Ausgerechnet Knittelbeck – dieser überkorrekte, pedantische Korinthenkacker. Das bedeutete zweierlei: Ärger und Überstunden. »Und die Fahndung ist raus, nehme ich an? Haben wir schon eine konkrete Spur?«

      Duroc hatte ihre Hausaufgaben gemacht und schnarrte wie ein bretonischer Polizeioffizier: »Fahndung läuft, mon Commissaire. Wir suchen nach drei verdächtigen Personen – mögliche Tatzeugen! Und nach einem Wagen – wahrscheinlich mit Tiroler Kennzeichen! Überdies haben wir einen anonymen Hinweis aus der Bevölkerung erhalten.«

      Reimers blickte überrascht auf – das war weit mehr als erwartet. Wieso hatte Duroc nicht gleich erwähnt, dass es eine heiße Fährte gab? »Wissen wir, nach was wir suchen, Marke, Modell?«

      »Die Ringfahndung steht – aber wir haben verdammt wenig. Nur den vagen Hinweis, dass es sich bei dem gesuchten Fahrzeug um einen Geländewagen handeln … könnte.«

      Sein Jagdinstinkt war nun vollends erwacht. Reimers schielte aufs goldumrandete Ziffernblatt seiner Armbanduhr. »Wann kam der Notruf rein? Vor einer Stunde?«

      Durocs Blick war hellwach – sie hatte verstanden. »Moment, Chef.« Sie wischte auf dem Display ihres Tablet-PCs herum. »Hmm, per Teamwire kam nichts rein, komisch.«

      In Momenten wie diesen nervte Reimers die stets um penible Korrektheit bemühte Art seiner Kollegin. Ungeduldig knurrte er: »Vergiss die exakte Uhrzeit! Seit wann wissen wir von der Karre – und von wem kommt die Info?« Duroc blätterte hektisch in ihrem Notizblock, schlagartig entspannte sich der Ausdruck auf ihrem Gesicht: »Da, ich hab’s. Um 17 Uhr 52 kam der erste Notruf rein. Es hat immerhin 15 Minuten gedauert, ehe die erste Streife vor Ort war.«

      »Scheißfeierabendverkehr«, warf Reimers ein.

      »Einer der Zeugen will einen Offroader gesehen haben, der mit quietschenden Reifen davonfuhr. Da könnte durchaus eine Koinzidenz bestehen.«

      Und ob es da einen Zusammenhang gab – Reimers war sich sicher. »Woher wissen wir das mit dem Tiroler Nummernschild?«

      Eine tiefe Querfalte furchte Durocs Alabasterstirn – ihre Miene glich der eines asiatischen Denkers, der nach einer Antwort auf die Frage nach dem finalen Sinn des Lebens suchte. »Das ist merkwürdig, Chef.« Die junge Kommissarin blätterte eifrig in ihrem Stenoblock: »Das ist hier nirgends vermerkt. Die Kellnerin, Irmi irgendwie, hat die Leitstelle kontaktiert und einen Schusswechsel gemeldet. Dass es einen Toten gegeben hat, haben

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