Waldviertelblut. Maria Publig
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»Ganz einfach: Er wurde in einer eindeutigen Situation beim Schnüffeln entdeckt und wollte fliehen. Ein Mitarbeiter stellte ihn. Der Flüchtende reagierte zuvor nicht auf Zurufe. Eine Erklärung gibt er bis jetzt nicht ab.«
»Sie hobn mei Halstuch in der Hand! Was mochn Sie damit?« Nico starrte auf die textile Tatwaffe.
»Nein, das gibt’s ja net!«, war Klaus Kuntner nun fassungslos. »Das ist Ihres?«
Walli Winzer wurde in diesem Moment kreidebleich. Auch ihr neues Make-up konnte nichts daran ändern. Ihr fiel wieder ein, Nico Salmer am Gang vor Tuchners Büro mit diesem auffälligen Halstuch gesehen zu haben. Ach Gott! Die Situation schien im Augenblick verfahren.
Nico sah sie verzweifelt an. Kuntner gab den Befehl, ihn sofort ins Polizeirevier mitzunehmen. »Frau Winzer! Bitte, ich hoffe, Sie glauben mir. Ich war’s nicht. Bitte helfen Sie mir und sagen S’ das auch dem Sepp Grubinger!«
»Schluss jetzt. Wir sind fertig. Raus mit Ihnen!« Ein unsanfter Ruck versetzte Nico Salmer in Bewegung. Kuntner wies die Umstehenden an, ihre Berichte so schnell wie möglich fertigzustellen und an ihn zu schicken. »Fall geklärt!«, rief er ihnen triumphierend zu. Dann murmelte er hörbar und amüsiert vor sich hin: »So blöd muass ja amoi einer sein, dass er net nur davonrennt, sondern freiwillig zugibt, dass die Mordwaffe a no sein Tüchl is!«
Zugegeben, auch Walli Winzer stand jetzt betroppezt da und war ratlos. Doch sie glaubte Nicos Worten. Zumindest – wollte sie es.
6. Kapitel
Noch war sie allein. Sie hatte sich inzwischen einen Drink bestellt. Nach dem ersten Schluck ihres Gin-Lillet-Cocktails stieß sie in regelmäßigen Abständen gedankenverloren die Limettenspirale darin mit einem pinken Plastikgäbelchen an. Ausweichend wippte das Geschmacksaccessoire neben einem Eiswürfel hin und her. Ihren linken Ellbogen stützte Walli Winzer auf den Tresen der Bar und hielt mit der Hand ihren Kopf. Starr hatte sie ihren Blick auf das kleine optische Schauspiel vor sich gerichtet.
Was war das nur wieder für ein Tag gewesen, fragte sie sich. Dabei war sie selbst glimpflich davongekommen. Ihre Einvernahme in der Polizeistation würde erst morgen stattfinden. Da konnte sie noch genauer nachdenken, was tatsächlich abgelaufen war oder was sie bemerkt hatte. Leider war das eben nicht viel. Schließlich hatte sie sich während der Vorbereitungen zur Teppichschau im Vorgespräch mit dem Geschäftsführer befunden, was interessant gewesen war. Walli Winzer hatte daher nicht darauf geachtet, was sich um sie herum abgespielt hatte. Sie erinnerte sich nur, dass viele Menschen im Schauraum gewesen waren.
Sie nahm einen Schluck.
Den dazu gereichten Snack allerdings nichts.
Noch ein Schluck.
Nichts. Rein gar nichts fiel ihr ein.
Walli behielt das Cocktailglas in der Hand und schwenkte es. Das Bild der tanzenden Limette beruhigte sie.
Langsam sah sie hoch und ließ ihren Blick durch die dämmrige Bar in der Wiener Innenstadt gleiten. Diese befand sich über den Dächern der Altstadt. Aus der Ferne sah sie die beleuchteten Türme des Wiener Stephansdoms.
Postkartenidylle.
Walli Winzer kauerte auf dem Barhocker. Trotz des malerischen Ausblicks, dessentwegen viele Touristen hierherkamen, schloss sie die Augen. Sie wollte bei sich sein. Durchatmen. Bevor die anderen da sein würden. Kurz noch.
Solche Momente schob sie jetzt öfter in ihren Alltag ein. Abschalten. Zwischendurch regenerieren. Nichts beachten. Nicht einmal sich selbst.
Das hatte sie im Waldviertel gelernt. Auf ihren Spaziergängen. Den vielen. Durch die Wälder oder auf den Wanderwegen durch die Felder.
Es waren Orte der Stille. Kraftorte gewissermaßen. Um aufzutanken.
Wie laut war für sie daher das Getöse, das sie in Wien erwartete. Die vielen Menschen. »Mittlerweile zu viele«, murmelte sie bereits entspannter vor sich hin. Vor allem hier im Zentrum, um den Stephansplatz herum. Menschenmassen schoben einen tagtäglich wie in Venedig vor sich her. Ein Zielort war bei ihnen nicht auszumachen. Und betrachten oder fotografieren konnte man bei diesem Gedränge und Geschiebe auch nichts. Also, warum das alles?
Jetzt lehnte sie hier. Nur weil Lena unbedingt hierher wollte. Walli hatte schließlich zugestimmt. Ihre beste Freundin Lena Breitenecker hatte die Bar neu entdeckt und vorgeschlagen. Mit einigen Geschäftspartnern und ihrem Ehemann Hans ließ sie hier häufig erfolgreiche Verhandlungen ausklingen.
Es war noch sehr früh. Walli war vorzeitig gekommen, da sie nach den unerwarteten Ereignissen nicht mehr bei ihrer Wohnung vorbeifahren wollte. Es war zu spät geworden, um sich umzuziehen. Gut, da die Kleidungsvorschriften überall bereits salopper gehandhabt wurden, würde ihr Tageshosenanzug am Abend auch nicht weiter auffallen. Und wen das tatsächlich störte, der konnte auch wegschauen. Spießer! Solche konnte sie sowieso nie ausstehen.
Da Walli sonst nichts zu tun hatte und der Keeper gerade mit dem Eiscrusher beschäftigt war und daher für Small Talk nicht zur Verfügung stand, blickte sie in die Runde. Wen würde sie in der topmodernen und chillig designten Bar sympathisch finden? Hm. Auf den ersten Blick fiel das schwer. Heute waren außerdem Haltungen und Einstellungen nicht mehr so eindeutig wie früher mit Kleidung verbunden. Das hatte sich grundlegend verändert. Wer heute Geld und Einfluss besaß, kleidete sich oft im Sinne des Understatements, also mit Zurückhaltung. Fast könnte man sagen: verlottert.
Wallis Ding war so etwas allerdings nicht. Na ja, sie war ja auch nicht so vermögend wie etwa Bill Gates. Der konnte daher im ewigen Studentenlook herumlaufen. Er war und würde immer Bill Gates sein und bleiben. Da konnte eine Walli Winzer, auch wenn ihr das Glück bisher im Leben – mit Ausnahme einiger Ausreißer – hold geblieben war, eindeutig nicht mithalten. Und bei Frauen war das sowieso ganz anders als bei Männern.
Frauen waren einander die größten Kritikerinnen. Passende Kleidung putzte selbst graue Mäuse heraus. Da konnten einige reden, was sie wollten. Auch die wussten, dass es noch eine Zeit lang so bleiben würde. Die jahrhundertelang antrainierte Stutenbissigkeit würde nicht so schnell abgelegt werden können. Und die meisten Männer hatten sicher nichts dagegen, eine gepflegte, gut gekleidete Frau vor sich zu haben.
Auch wenn, wie bei Walli Winzer, die Kleidung in Gegenwart attraktiver Männer rasch wenig Bedeutung für beide hatte. Einfach deshalb, weil bald keiner mehr welche trug. Sie schmunzelte. Gut, das war wieder ein bisschen aus ihrem Nähkästchen geplaudert.
Also, wie tickte das Publikum hier, in dieser Wiener Nobelmeile? Walli Winzer fielen zwei smarte Männer auf. Beide elegant gekleidet mit perfektem Messerhaarschnitt. Sie redeten angeregt miteinander. Das Gespräch blieb vorerst ernst, um dann … aha, Walli grinste … ins Flirten umzuschlagen.
Lionel Richie tönte dazu mit seinem 1980er-Hit »All Night Long« aus der unsichtbaren Konserve. Ob das nun ein Geschäftsabschluss der beiden oder ein Date in der Bar war, die Grenzen verschwammen eben. Walli war sich nicht sicher. Durch ihren Mitarbeiter Tobias Stieglitz und seinen Lebensgefährten stand sie in engem Kontakt mit deren Freundes- und Bekanntenkreis. In der PR-Branche war das keineswegs ungewöhnlich, eher nützlich. Denn Männer tauschten regelmäßig Informationen miteinander aus. Auch aus ihrem Tätigkeitsbereich. Sie waren also meist auf dem neuesten Stand.
Was konnte einem daher Besseres passieren, als davon zu profitieren? Walli mochte die Jungs, und diese mochten Walli. Schließlich konnte