Waldviertelblut. Maria Publig
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Waldviertelblut - Maria Publig страница 9
Bülent Yüksel schien davon wenig begeistert zu sein. Er wehrte sich. »Was? Sind wir jetzt alle verdächtig?«, richtete er dem Polizeimajor seinen Protest im Vorübergehen aus.
»Na, so wie’s ausschaut, wollen wir wissen, was ihr vorher g’macht habt. Alle. Ohne Ausnahme. Der Reihe nach.«
Widerwillig ließ sich Yüksel zu den anderen begleiten. Nur noch wenige Beamte blieben im Schauraum zurück. Mit einem Mal war es ziemlich ruhig geworden.
Major Kuntner stellte sich neben die Leiche. Er starrte sie wortlos an, dann beugte er sich über sie. Die Augen des Toten standen noch offen. Kuntner schien das nicht zu stören. Vielmehr vermittelte er auch hierbei den Eindruck von abgebrühter Routine. Nach kurzer Zeit ging er in die Hocke, um den Körper näher zu betrachten. Was er vor sich hinmurmelte, hätte Walli Winzer in diesem Moment interessiert. Sie stand jedoch entfernt und konnte die Situation daher nur aus dem Augenwinkel wahrnehmen.
Einige Polizisten hatten Nico Salmer in eine Ecke des Zimmers gedrängt. Er stand lammfromm da und wartete geduldig, was mit ihm nun weiter geschehen würde. Walli Winzer ging auf ihn zu. Sie spürte seine Erleichterung. Trotzdem sah sie die Verzweiflung in seinem Blick. »Nico, was ist denn passiert? Warum sind Sie hier?«
Er blickte ins Leere und schloss dann die Augen. Noch bevor er antworten konnte, gab Major Kuntner eine laute Anweisung an zwei seiner Mitarbeiter: »Nowak, Wastracil! Wo ist die Dr. Eichinger? Ich hab doch nach ihr rufen lassen. Wie lang soll ich noch warten, bis die endlich da ist?«
»Wir haben sie angerufen, und die Frau Dr. Eichinger hat gesagt, dass sie gleich da sein wird.«
»Dann ruafts es glei noch amoi an: Sie soll sich beeilen.«
Dieser Zeitgenosse der Polizei war definitiv keiner von der angenehmen Sorte, stand es für Walli eindeutig fest. Ob das überhaupt jemand jemals in solch einem Beruf würde sein können? Sie hatte ihre Zweifel.
Walli Winzer beschloss, sicherheitshalber in Nico Salmers Nähe zu bleiben. Auch wenn er in einem Alter war, in dem ein Mann für sich selbst einstehen konnte. Doch Nico schien da eine Ausnahme, das hatte sie im Gefühl.
Warum er prinzipiell verstummte, wenn sie in seine Nähe kam, konnte Walli sich sowieso nicht erklären. Dabei hatte sie ihn einmal mit dem Sepp Grubinger im Wirtshaus vom Hannes Lechner in Großlichten erlebt. Da war der Nico ganz und gar nicht schüchtern gewesen. Vielmehr war er lustig. Aber das war vielleicht wegen des Grubingers. Weil der die Dorfleute mit seiner speziellen Art nahm, so wie sie waren. Und mit ihnen beinahe konspirativ die Köpfe zusammensteckte. Auch mit dem Nico. Dadurch viel von ihnen erfuhr und aus ihnen herausholen konnte. Für die im Waldviertel meist gewählte Knappheit der Worte war das offenbar etwas Besonderes. Den Inhalt verstand nur der engere Kreis der Alteingesessenen. Zumindest konnte man das leicht glauben. Denn Fremden gegenüber verhielten sie sich anders. Bei genauerer Analyse dieser Kommunikationstechnik stand Walli Winzer vor einem Rätsel. Bestand sie doch weniger aus zusammenhängenden Sätzen, als aus lose aneinandergereihten Worten, die mit Kopfnicken und Anheben und Absenken der Schultern bestätigt oder infrage gestellt wurden.
Manchmal überkam Walli der Eindruck, dass die regionale Kommunikation überwiegend aus Pausen bestand, in denen man einander ansah und abwartete. Jedenfalls hielten jene, die so redeten, mehr Stille miteinander aus, als Walli Winzer sich das für sich vorstellen konnte. Dabei fand sie, dass es ihr nach ihrem Sabbatical im Waldviertel mittlerweile besser gelang als zuvor.
Betrachtete sie allerdings den groben Wiener Polizeikommandanten, war ihr inneres Gleichgewicht – so sie dies überhaupt zustande brachte – gleich dahin.
Adile Gül erhob sich langsam von ihrem Stuhl und ging, begleitet von ihrem Chef Eraydin Turan und dem ungeschickten Praktikanten, in Richtung Vernehmungszimmer.
Sie drängten sich an einigen neu eintreffenden Polizisten vorbei, die den Schauraum betraten. Eine junge Frau in weißem Arztkittel und einige Rettungseinsatzkräfte kreuzten ebenso ihre Wege. Diese ließ sich, ohne genauer in die Runde zu blicken, neben Kuntner nieder, ignorierte ihn trotz kurzen Grußes und betrachtete das Mordopfer. Sie holte Untersuchungsinstrumente aus ihrer großen Arzttasche und begann sofort mit einer ersten Einschätzung.
Kuntner blieb neben ihr und schaute eine Weile zu. Die Ärztin leuchtete dem Toten mit einer Taschenlampe in die Augen. Hob dessen Lider mit einer Pinzette, bewegte die Leiche aber keinen Millimeter.
»Hast du schon die Spurensicherung verständigt?«, fragte sie schließlich den Polizisten.
»Ja, schon vor einer halben Stunde.«
Die Ärztin spürte unweigerlich den vorwurfsvollen Unterton in Kuntners Stimme und fühlte sich bemüßigt, darauf zu antworten: »Also, ob man jetzt fünf Minuten früher oder später bei einem Toten ankommt, is a scho wurscht – bei dem Autoverkehr. Denn, der da is eindeutig tot. Wie du unschwer erkennen kannst, wurde er erdrosselt. Die roten Abriebe an seinem Hals bestätigen das. Da, schau!« Sie reichte Kuntner mit einer neuen Pinzette ein buntes indisches Halstuch, das sie dem Opfer abgenommen hatte. Der wich überrascht zurück. »Da!«, wiederholte sie mit Nachdruck: »Die Tatwaffe gibt’s schon.«
»Martin!«, rief der Polizeimajor so laut, dass sogar Dr. Silvia Eichinger zusammenzuckte. Seine Hände beließ er in den Hosentaschen.
»Ja, was gibt’s?« Der Kriminalbeamte war sofort zur Stelle.
»Geh, gib des Tüchl in eines von unseren Plastiksackerl und dann gleich an die Spurensicherung weiter.« Gesagt – getan.
Kurz darauf übergab der Polizist seinem Vorgesetzten das sorgsam in Plastik verpackte Tatwerkzeug. Der leitende Ermittler hielt die Tüte von sich weg, sah sich aber das Halstuch genauer an. Polizeibeamter Martin machte sich unaufgefordert wieder in Richtung des Vernehmungstrupps auf.
»Sag, Klaus, was ist dir über die Leber gelaufen, dass du in letzter Zeit so unwirsch bist?«, fragte Frau Dr. Eichinger, während sie ihre Arzttasche einräumte.
Der Polizeimajor kam nicht mehr dazu, darauf zu antworten. Die kurze private Unterredung wurde unterbrochen. Die Spurensicherung war eingetroffen, und die ersten von ihnen begannen, sich ihre weißen, keimfreien Overalls überzuziehen.
Klaus Kuntner schien das nur recht zu sein, nicht mehr auf die zuvor gestellte Frage antworten zu müssen. Stattdessen ließ er die Ärztin wortlos stehen und ging auf den Ranghöchsten zu. Offenbar kannten sie einander, das ließ der sehr akzentuierte, feste Männerhandschlag vermuten. Ein nachfolgender freundlicher Gruß bestätigte das. Die Spurenermittler gruppierten sich ohne Anweisung um die Leiche und begannen mit deren Vermessung. Ein Fotograf hielt zusätzlich die Position der Leiche fest. Auch der Teppich wurde ins Bild gesetzt.
Nach kurzer Absprache mit den Kollegen von der Spurensicherung, ordnete Kuntner an, Männer zu rufen, die mit Plastikhandschuhen beim Einrollen des riesigen Stücks helfen sollten. Es boten sich gleich mehrere an. Offensichtlich hofften sie, dadurch schneller beim Verhör dranzukommen. Sie drängten zur Tür herein, was wieder für Unruhe sorgte.
Auch Nico Salmer wurde langsam unrund. »Ich hab damit nix zum tuan und möcht endlich ham gehen.« Er wollte sich an Walli Winzer und den nebenstehenden Polizeibeamten vorbeischlängeln, was diese mit sicherem Griff zu verhindern wussten.
»Sie mochn jetzt amoi goar nix und bleiben da. Punktum!«, befahl Klaus Kuntner barsch.
Nico rüttelte an der offenbar zu groben Fixierung seiner Arme.
»Also,