Der letzte Prozess. Thomas Breuer

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Der letzte Prozess - Thomas Breuer

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Preis keine Grenzen. Aber auch weiter unten wurde Lenz angenehm überrascht. Dass dort ebenfalls nur weibliche Geschlechtsmerkmale zu entdecken waren, ließ einen Stein von der Größe des Watzmanns von seiner Brust fallen und ebnete prompt den Weg zu einer ausgeprägten ersten Erektion an diesem Tag, was Lenz erfreut zur Kenntnis nahm.

      Einen Moment lang rang er mit sich, angesichts der greifbaren Verlockungen wieder in sein Bett zu kriechen, aber dann bahnte sich die Vernunft ihren Weg in sein Gehirn. Also schlich er aus dem Zimmer, um erst einmal aufs Klo und unter die Dusche zu gehen. Alles Weitere würde sich dann schon ergeben.

      Als er fünf Minuten später in der Wanne unter dem heißen Wasserstrahl stand, öffnete sich die Badezimmertür. Durch die beschlagene Duschfolie und im Wasserdampf, der durch den Raum waberte, identifizierte Lenz lediglich einen Schatten­riss, der sich vor seine Toilette stellte. Verflucht, also doch eine Transe! Wie hatte er das eben übersehen können? Der Schatten löste sich vom Klo, während die Spülung rauschte, und kam auf den Duschvorhang zu. Eine Hand langte in den Spalt und schob die Folie auf. Lenz wich automatisch zurück, bis sein Rücken die kalten Fliesen berührte.

      »Mach ma Platz«, forderte der Typ und schob sich ebenfalls unter die Dusche.

      Lenz hatte es die Sprache verschlagen. Mit offenem Mund starrte er den Kerl an, der seelenruhig nach dem Duschgel griff und damit begann, sich ausgiebig einzuseifen.

      »Ich bin übrigens der Bernie«, stellte er sich vor. »Du warst so zu letzte Nacht, da glaube ich nicht, dass du dich an mich noch erinnern kannst, oder?«

      Lenz schüttelte fassungslos den Kopf. Und dann registrierte er etwas, das ihn erleichtert aufatmen ließ: Bernie hatte lange, dunkelblonde Haare und nicht den geringsten Ansatz von Brüsten. Wer auch immer Bernie war, die dunkle Schönheit aus seinem Bett war er nicht.

      »Natascha schläft noch?«, erkundigte sich Bernie.

      »Äh, ja, ich glaube schon.« Natascha – Puh!

      »Respekt, Alter.« Bernie schlug Lenz patschend auf die Schulter. »Ich bagger seit Jahren an ihr rum, aber von mir hat sie sich noch nie flachlegen lassen. Und dann kommst du und schleppst sie gleich am ersten Abend ab. Ehrlich, Mann: Respekt!«

      »Wenn ich mich nur daran erinnern könnte, ob überhaupt etwas passiert ist«, wandte Lenz ein. »Ich habe einen Filmriss.«

      »Das wundert mich überhaupt nicht«, verkündete Bernie lachend, drückte ihm die Geltube in die Hand und nahm den Duschkopf aus der Halterung, um den Schaum gründlich abzuduschen. »Als du bei uns aufgeschlagen bist, warst du schon ziemlich breit. Dann bist du Natascha in die Fänge geraten und am Ende hattest du bestimmt fünfzehn Tequila intus. Aber ich kann dich beruhigen. Da ist ’ne Menge passiert zwischen euch. Ich war froh, als das Stöhnen aufgehört hat und ich endlich schlafen konnte.«

      Bernie hängte den Duschkopf wieder ein und verließ die Kabine. Erst jetzt wurde Lenz bewusst, dass er die ganze Zeit einfach nur danebengestanden und Bernie beim Duschen zugesehen hatte. Fünfzehn Tequila? Ja, klar, nur so war das alles zu erklären. Aber wo, verdammt noch mal, hatte Bernie geschlafen?

      Wieder öffnete sich die Badezimmertür. Natascha kam direkt auf die Dusche zu, schob den Vorhang zurück, murmelte »Mach ma Platz!« und nahm ihm das Duschgel aus der Hand.

      Während Natascha im Schlafzimmer ihre Klamotten zusammensuchte, saßen Bernie und Lenz am Küchentisch und tranken eine tiefschwarze Brühe, die Bernie Kaffee nannte.

      »Schnarcht die immer so?« Lenz deutete mit dem Kopf in Richtung Schlafzimmer.

      »Nur wenn sie Tequila getrunken hat«, antwortete Bernie leichthin. »Da musst du drauf achten. Wenn du nachts schlafen willst, gib ihr keinen Tequila.«

      Lenz nickte und war einen Moment versucht, ihn zu fragen, woher er das denn wusste, wenn er doch bislang nicht bei ihr hatte landen können. Aber so genau wollte er es dann doch nicht wissen.

      Natascha kam herein, öffnete den Kühlschrank, ließ die Tür angesichts der gähnenden Leere wieder zufallen und fragte: »Wozu verschwendest du eigentlich den Strom? Schalt die Kiste doch einfach aus.«

      »Ich bin noch nicht zum Einkaufen gekommen. Schließlich wohne ich erst seit gestern Abend hier.«

      »Das erklärt’s natürlich.«

      »Also los«, rief Bernie und setzte mit seiner Lautstärke wieder den Schotterlaster in Lenz’ Kopf in Gang. »Bei mir drüben ist der Kühlschrank voll. Lasst uns rübergehen.« Er wuchtete sich von seinem Stuhl hoch.

      »Bei dir drüben?«, hakte Lenz vorsichtig nach.

      »Im Lockvogel. Da wo du gestern versackt bist.« Er schüttelte den Kopf. »Mannmannmann, du erinnerst dich ja wirklich an gar nichts mehr.«

      Eine Stunde später, unter dem Einfluss mehrerer Tassen eines starken Kaffees aus der Espressomaschine und eines reichhaltigen Frühstücks, sah Lenz klarer. Sein Zug durch die Paderborner Gastronomie hatte im Brauhaus begonnen, dann an mehreren nicht mehr zu rekonstruierenden Stationen Zwischenstopps eingelegt und zu vorgerückter Stunde im Lockvogel ihr Ende gefunden. Lenz hatte bei der Bedienung Natascha offenbar den richtigen Ton gefunden, so dass sie nach Lokalschluss ein Wettsaufen mit Tequila veranstaltet hatten. Wer den Vorschlag gemacht hatte, blieb strittig. Am Ende hatten beide gleichermaßen kapituliert und waren in sportlicher Eintracht Arm in Arm zu Lenz’ Wohnung hinübergetaumelt. Bernie, der Inhaber des Lockvogels, hatte zwar nur jeden zweiten Tequila mitgetrunken, war aber nach eigener Auffassung nicht mehr in der Lage gewesen, nach Hause zu finden, und hatte sich kurzerhand dem torkelnden Paar angeschlossen. Lenz rechnete es dem Wirt hoch an, dass er Anstand genug besessen hatte, nicht auch das Bett mit Natascha und ihm zu teilen, sondern auf der altmodischen Eckbank in der Küche zu schlafen.

      Als Lenz gegen Mittag den Lockvogel verließ, waren die drei dicke Freunde und er freute sich auf eine Fortsetzung mit Natascha.

      *

      Wewelsburg, den 7. Januar 1940

      Mein liebes Muttchen!

      Nun ist mein kurzer Urlaub schon wieder einige Tage vorbei und ihr fehlt mir so sehr. Manchmal wünsche ich mir doch, ich wäre bei der Wehrmacht geblieben. Nach dem schnellen Sieg über Polen wäre ich nun schon längst wieder ganz bei Euch. Stattdessen bleibt mir nichts, als auf meinem schweren Posten fern von Euch nach Abwechslung vom Lagerleben zu suchen.

      Heute bin ich draußen in dieser herrlichen Schneelandschaft spazieren gewesen. Es herrscht ein so tiefer Frieden hier in den Tälern und Wäldern. Nur das Knirschen der Schritte im Schnee ist zu hören. Und wenn man sich dann dem Dorfe wieder annähert, schweben plötzlich die fröhlichen Gesänge der Häftlinge, die den ganzen Tag im Steinbruch arbeiten und mit dem Schneeräumen auf den Straßen beschäftigt sind, über der Landschaft.

      Nun will ich dir aber von Silvester erzählen, denn das ist mit den Kameraden hier in Wewelsburg eine sehr schöne Angelegenheit.

      Wir haben eine kleine Hütte an den Berghang gebaut, in der wir uns bei unserem Dienst aufwärmen können. Wir nennen sie scherzhaft unsere »Skihütte«. Darin steht ein Ofen und es gibt Radio, Licht und Sitzgelegenheiten. Wenn jetzt die schneebedeckten Tannenzweige weit herabhängen und dann noch der Mond darauf scheint, gibt es wohl keinen schöneren Ort, um seine Kameradschaft zu feiern. Dort haben wir auch an Silvester einen Kasten Bier geleert.

      Erst nach neun sind wir Führer in die Burg gezogen. Wir stiegen im gewaltigen

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