Der letzte Prozess. Thomas Breuer

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Der letzte Prozess - Thomas Breuer

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war ein Mann verschwunden. Ich habe ihn von 2000 Häftlingen suchen lassen. Und was soll ich sagen? Der Aufwand hat sich gelohnt. Ich habe ihn gefunden. Er hatte sich unter einer Maschine eingegraben, um später zu entkommen. Ich habe kurzen Prozess gemacht und ihn vor den Augen der anderen Häftlinge sofort erschossen, damit niemals wieder einer auf den Gedanken kommt, in meinem Dienst einen Fluchtersuch zu wagen.

      Du wirst das nun grausam finden, weil Du eine so feinfühlige Person bist, aber ich muß Dir sagen, daß man die Gefangenen nicht als Menschen betrachten darf. Sie sind Staatsfeinde, mit denen wir uns täglich im Überlebenskampf befinden. Und Du wirst ja nun einsehen, daß wir den gewinnen müssen, nicht wahr? Außerdem hätte es sicher Nachteile für mich zur Folge, wenn bei meiner Wache jemand verschwinden würde. Da heißt es: hart sein gegen sich und die Feinde des Reiches!

      Aber das ist noch nicht alles an Neuigkeiten! Ich werde nämlich am Montag, den 11. Dezember, nach Ostwestfalen abkommandiert. Mein hartes Vorgehen und meine Unnachgiebigkeit gegenüber dem Häftlingsabschaum hier in Sachsenhausen hat sich endlich ausgezahlt und der Reichsführer ist auf mich aufmerksam geworden.

      Ich werde als Wachsturmführer mit 35 Kameraden und 85 Häftlingen im Auftrag Heinrich Himmlers nach Wewelsburg gehen. Der Reichsführer besitzt dort eine Ordensburg, die in sehr schlechtem Zustand ist und die wir ausbauen sollen. Das ist natürlich eine große Ehre für mich und Du darfst recht stolz sein auf deinen Vati, daß der Reichsführer ihm eine solche Aufgabe überträgt. Außerdem verkehren auf der Burg die höchsten Würdenträger der SS und ich werde ihnen zumindest hin und wieder begegnen.

      Sturmführer entspricht dem Leutnant bei den kämpfenden Truppen. Wenn ich bedenke, daß ich bei der Wehrmacht nicht einmal Unteroffizier war, bin ich doch froh, zur SS gegangen zu sein, denn hier habe ich schon den höchsten Unteroffiziersdienstgrad erreicht und werde nun sogar Offizier. Da siehst Du einmal, wie wichtig mein Dienst im KZ ist, daß er so belohnt wird.

      Aber nun etwas anderes: Was wünschen sich die Kinder und mein Muttchen denn vom Weihnachtsmann? Noch bin ich in Oranienburg und kann mich darum kümmern, sofern es nichts ist, wofür ich Bezugsscheine brauche. Wer weiß, ob es in Wewelsburg das zu kaufen gibt, was Ihr Euch wünscht.

      An Weihnachten bekomme ich Heimaturlaub. Ich kann es gar nicht erwarten, Dich, mein Hausmütterchen, und die Kinder wieder in die Arme zu schließen. Natürlich muß es zum Weihnachtsmahl Karpfen geben! Weihnachten ohne Karpfen ist doch nichts. Ich bringe schon seit Längerem kleine Portionen Butter beiseite und werde bis zum Urlaub sicherlich ein halbes Pfund beisammenhaben. Kaufen kann man Butter hier schon länger nicht mehr und auch andere Lebensmittel sind streng rationiert. Und Grünkohl mit Bratkartoffeln mußt Du mir einmal kochen, wenn ich zu Hause bin.

      Nun, liebe zukünftige Frau Sturmführerin, muß ich mich wieder auf die Bewachung der Staatsfeinde konzentrieren.

      Also, Muttchen, behalte deinen Vati recht lieb! Es grüßt und küßt Dich

      Dein Dir immer treuer Vati!

      10

      Im Besprechungszimmer herrschte abwartendes Schweigen, als Stefan Lenz eintrat. Schröder hatte vorsorglich seitlich am Tisch Platz genommen, gegenüber von Gina Gladow, und stierte auf den unbeschriebenen Notizblock, der vor ihm lag. KK Henke klopfte mit dem Bleistiftrücken im Takt auf die Tischplatte und die Oberkommissare Jakobsmeier und Steinkämper wechselten gelangweilte Blicke.

      »So, Kollegen.« Lenz setzte sich ans Kopfende des Tisches. »Dann lasst uns zügig anfangen, damit wir alle in den Feier­abend kommen. Frau Gladow, setzen Sie das Team bitte über unseren Besuch in Büren ins Bild.«

      Erstaunt blickte die Kriminalkommissarin ihn an, begann aber dann mit einem flüssigen Vortrag. Lenz war beeindruckt von der Sicherheit, mit der sie ihren Bericht so ganz ohne Vorbereitung strukturierte. Als sie die Lebenshintergründe Anton Kottmanns und der anderen alten Leute in Trakt B referierte, erntete sie ungläubiges Gemurmel aus der Runde. Ihre Beschreibung des Pflegers Wolfgang, von dem Lenz nun erstmalig erfuhr, dass er mit Nachnamen Kaup hieß und in Niederntudorf wohnte, rief schließlich allgemeines Kopfschütteln hervor.

      KOK Jakobsmeier urteilte: »Das darf doch nicht wahr sein. Was ist denn das für ein brauner Sumpf?«

      »Genau das müssen wir klären«, stimmte Lenz zu. »Ich glaube zwar noch nicht daran, dass wir es wirklich mit einem Serientäter zu tun haben, aber die Todesumstände des Opfers Kottmann könnten ja durchaus im Zusammenhang mit seiner früheren Lagertätigkeit stehen. Der Auffindeort der Leiche spricht jedenfalls dafür.«

      Gina Gladow legte das Fotoalbum, das sie mitgenommen hatten, unter ein Projektionsgerät, blätterte es langsam durch und warf die Bilder so nacheinander auf das Smartboard.

      »Kann jemand von Ihnen etwas mit den Motiven anfangen?«, erkundigte sich Lenz.

      »Das müsste der Wewelsburger Steinbruch sein, in dem die Häftlinge schuften mussten«, antwortete KOK Jakobsmeier.

      »Dass man so etwas in einem privaten Album aufbewahrt«, zeigte sich Steinkämper verständnislos. »Ob der Alte die Fotos damals selbst geschossen hat? Wie Urlaubsfotos oder so? Blättert man das Album dann mit den alten Kameraden durch und erfreut sich an den schönen Erinnerungen, oder was?«

      »Offensichtlich«, antwortete Lenz. »Wir haben das Album jedenfalls im Nachtschränkchen des alten Mannes gefunden.«

      »Vielleicht ist das die Parallele zu dem Felsbrocken, mit dem der Alte erschlagen wurde«, überlegte Jakobsmeier. »Auch die Peitschenhiebe passen in das Bild. Und wenn die Nazi-Täter so alt werden, gilt das auch für die Überlebenden unter ihren Opfern. Vielleicht übt einer von denen nun Rache.« Auf das skeptische Gemurmel seiner Kollegen hin ergänzte er: »Na ja, es muss ja keiner der Alten selbst sein. Vielleicht ist es ein Nachfahre eines Opfers.«

      »Sehr guter Ansatz, Kollege«, lobte Lenz. »Verfolgen Sie das bitte weiter. Frau Gladow wird Ihnen im Anschluss die Dokumente des Toten geben, die uns vielleicht weiterhelfen. Und versuchen Sie auch herauszubekommen, welche Funktion die andere Verstorbene aus der Residenz seinerzeit hatte, diese … wie hieß die doch gleich?« Er blickte Gina Gladow hilfesuchend an.

      »Elfriede Gerken.«

      »Richtig. Kollege Schröder, Sie und Herr Steinkämper nehmen alle anderen Bewohner aus Trakt B unter die Lupe. Wir müssen jeder Überraschung in dem Fall vorbeugen. Falls es wirklich kein einzelner Mord gewesen sein sollte, haben wir eine Menge aufzuarbeiten. Außerdem wird der Täter dann möglicherweise weitermachen und ich möchte vorbereitet sein.« Schröder verzog keine Miene, während KOK Steinkämper eifrig nickte und sich Notizen machte. »Frau Gladow geht auf die Suche nach überlebenden Opfern, die hier in der Nähe wohnen, und nimmt Kontakt zu der Ärztin auf, die Frau Gerkens Totenschein ausgestellt hat. Ich will alles über die Krankengeschichte und die genauen Todesumstände wissen. Haarklein. Im Zweifel buddeln wir sie wieder aus und obduzieren selber noch einmal. Wir können es uns nicht leisten, dass uns ein paar alte Nazis vorwerfen, wir würden einem Mordverdacht nicht hinreichend nachgehen. Ich will den Fall absolut wasserdicht haben.«

      »Zu Befehl«, erwiderte Gina Gladow und vermied den direkten Blickkontakt.

      »Gut, Kollegen.« Lenz schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Morgen ist Samstag, da müssen Sie alle ran. Mord­ermittlungen kennen zwar eigentlich kein Wochenende, aber den Sonntag gönne ich Ihnen. Am Montag erwarte ich erste Ergebnisse.«

      »Und was machen Sie in der Zeit?«, entwischte es KHK Schröder in angefressenem Tonfall.

      »Ich

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