Der letzte Prozess. Thomas Breuer

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Der letzte Prozess - Thomas Breuer

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fragte Lenz jovial und vollführte eine einladende Geste. »Herr Merschhaus, bitte.«

      »Wir haben dieser jungen Dame hier …«, er wies mit abfälliger Mimik auf Gina Gladow, »gesagt, dass das nicht der erste Mord in diesem Haus ist.«

      »Herr Kottmann wurde nicht hier ermordet!«, ging Kerstin Finke dazwischen. »Niemand ist hier jemals ermordet worden!«

      Lenz gab ihr gestisch zu verstehen, dass sie ihn einfach mal in Ruhe machen lassen sollte, und hakte nach: »Was wollen Sie damit andeuten, Herr Merschhaus?«

      »Andeuten will ich gar nichts«, stellte der alte Mann herrisch klar. »Ich klage an. Vor drei Monaten ist eine weitere Mitbewohnerin in diesem Haus vergiftet worden. Für mich deutet das ohne jeden Zweifel auf einen Serientäter hin.«

      »Langsam, Herr Merschhaus. Was ist genau passiert?«

      »Elfriede Gerken«, rapportierte Merschhaus zackig. »Lag morgens tot in ihrem Bett. Angeblich Herzversagen.« Er lachte laut auf. »Ha! Elfi und Herzversagen! Von wegen. Am Abend vorher haben wir noch getanzt und am Morgen war sie plötzlich tot. Vergiftet worden ist die Elfi! Darauf verwette ich mein Ritterkreuz!«

      Kerstin Finke war inzwischen vor Wut rot angelaufen und tigerte mit vor der Brust verschränkten Armen und gesenktem Blick vor der Sitzecke auf und ab. Die platzt gleich, dachte Lenz. Noch fünf Minuten und sie bekommt einen Herzinfarkt.

      »Frau Finke«, sprang er ihr zur Hilfe, »was sagen Sie denn zu der Sache?«

      Die Residenz-Leiterin hatte sichtbar Mühe, zumindest nach außen hin Ruhe zu bewahren. Sie atmete mehrmals tief durch, bevor sie mit gepresster Stimme antwortete: »Frau Gerken war 93 Jahre alt. Als wir sie morgens in ihrem Bett gefunden haben, haben wir gleich unsere Hausärztin gerufen. Die hat sie gründlich untersucht …«

      »Ha!«, rief Merschhaus dazwischen. »Gründlich untersucht! Elf Minuten war sie in Elfis Zimmer. Elf Minuten! Ich habe auf die Uhr gesehen. Von wegen: gründlich untersucht! Die wusste doch schon vorher, was sie diagnostizieren sollte.«

      »Herr Merschhaus, bitte!«, wies Lenz ihn zurecht und blickte dann Kerstin Finke aufmunternd an.

      »Frau Dr. Reuther ist eine ausgewiesene Notfallärztin«, erklärte die Residenzleiterin bestimmt. »Sie hat eindeutig Herzversagen festgestellt. Ohne jeden Zweifel. Und genau so steht es auch im Totenschein.«

      »Ihr steckt doch hier alle unter einer Decke.« Merschhaus sprang auf. »Einen nach dem anderen bringt ihr von uns um die Ecke. Und ich weiß auch warum: Weil wir euch lästig sind. Ihr habt Angst, dass wir euren guten Ruf gefährden. Deshalb müssen wir weg. Aber damit ist jetzt Schluss. Ab sofort lassen wir uns nur noch von Wolfgang helfen.« Die anderen Alten nickten und murmelten zustimmend. »Alle anderen Pflegekräfte haben absolutes Verbot, unsere Zimmer zu betreten.«

      »So geht das nicht, Herr Merschhaus!« Kerstin Finke richtete sich auf und wurde mit einem Mal geschäftlich. »Ich leite dieses Haus und ich lasse mir von niemandem vorschreiben, wie ich das mache. Auch von Ihnen nicht, Herr Merschhaus. Glauben Sie mir, gerade bei den Bewohnern aus Trakt B täte es mir leid, wenn ich sie verlieren würde. Aber wenn es nicht anders geht, werde ich Ihnen allen kündigen!«

      Nun richtete sich das aufgeregte Gemurmel der Alten gegen Merschhaus. Der japste entrüstet nach Luft und drehte sich schließlich zu den anderen um. »Krisensitzung!«, ordnete er an. »In fünf Minuten im Aufenthaltsraum. Wir lassen uns doch nicht drohen, Kameraden!« Gefolgt von den anderen marschierte er voraus und stieß eine Glastür so heftig auf, dass sie laut vor die Wand schlug. Der Pfleger Wolfgang wechselte einen unsicheren Blick mit seiner Chefin und folgte den alten Leuten dann mit besorgter Miene. Augenblicklich war die Sitzecke bis auf die Polizeibeamten und Kerstin Finke verwaist.

      »Was war das denn jetzt?«, fragte Gina Gladow fassungslos. »Und was hat es mit dem Trakt B auf sich?«

      Kerstin Finke ließ sich in einen der Sessel fallen und schnappte ebenfalls nach Luft. »Da wohnen unsere besonders zahlungskräftigen Bewohner. Deshalb fordern die auch immer eine besondere Zuwendung. Und die bekommen sie auch, aber in diesem Fall kann ich unmöglich nachgeben.«

      »Und was hat Herr Merschhaus damit gemeint, dass die Bewohner des Traktes B dem Ruf des Hauses schaden?«, erkundigte sich Lenz. »Zahlungskraft ist doch nicht rufschädigend – eher im Gegenteil.«

      Kerstin Finke rang mit sich und setzte mehrfach zu einer Antwort an. Schließlich sagte sie: »Also gut, Sie werden es ja sowieso herauskriegen. Alle Bewohner im Trakt B haben eine Vergangenheit, die nicht jedem gefällt.«

      »Waren das Nutten und Zuhälter, oder was?«, zeigte sich Gina Gladow verständnislos.

      »Unsinn!« Die Residenz-Leiterin sah Lenz direkt in die Augen. »Dann hätten wir sie nicht aufgenommen. Sie waren im Dritten Reich bei der SS und haben in Wewelsburg gearbeitet.« Als wäre sie geradezu erleichtert, nachdem sie das ausgesprochen hatte, lehnte sie sich nun in ihrem Sessel zurück.

      »Wie bitte?« Gina Gladow blickte zwischen Lenz und Kerstin Finke hin und her. »Der Kottmann war nicht der einzige Nazi hier?«

      Auch Lenz hatte Mühe, das Gehörte richtig einzuordnen. »Und warum haben die sich ausgerechnet hier bei Ihnen versammelt?«

      »Die Zeit in Wewelsburg war für alle die schönste Zeit ihres Lebens. Nach dem Krieg …«

      »Sie meinen, nach dem Dritten Reich«, fiel ihr Gina Gladow ins Wort. »Das sollte man nicht in einen Topf werfen.«

      »Nach dem Dritten Reich«, fuhr die Residenz-Leiterin fort, »waren sie in ganz Deutschland verstreut, hatten dort ihre Familien und ihre Berufe. Aber jetzt, im Alter, sind sie alle allein. Und da zieht es sie eben wieder in die Nähe des Ortes zurück, an dem sie sich so wohlgefühlt haben. Hier bei uns haben sie sich wiedergetroffen. In dieser Gemeinschaft fühlen sie sich zu Hause.«

      »Und das lassen Sie sich auch besonders bezahlen.« Gina Gladows Tonfall ließ offen, ob das eine Feststellung oder ein Vorwurf war.

      »Die alten Leute können es sich leisten. Und diejenigen, die selbst nicht so viel Geld haben, werden aus einem Fonds unterstützt.«

      »Ein Fonds für Altnazis? Das wird ja immer schöner!« Gina Gladow schüttelte angewidert den Kopf. »Und da regen Sie sich über Nutten und Zuhälter auf.«

      »Warum vertrauen die alten Leute nur Wolfgang?« Lenz bemühte sich im Gegensatz zu seiner jungen Kollegin um Ruhe und Beschwichtigung.

      »Weil er ihre Vergangenheit nicht verurteilt, sondern …«

      »Sondern?«, kam es lauernd von Gina Gladow.

      »Na ja, er bewundert die alten Leute und begegnet ihnen mit Respekt.«

      »Ein Neonazi?«, spuckte die junge Kriminalbeamtin förmlich aus.

      »So würde ich ihn nicht bezeichnen. Er hat … na ja … eher konservative Ansichten.«

      »In was für einem Sumpf sind wir hier eigentlich gelandet? Altnazis, ein Fonds für Alte Kameraden und ein Neonazi als Pfleger.« Gina Gladow schüttelte heftig den Kopf. »Ich könnte kotzen!«

      Lenz konnte ihre Reaktion nachvollziehen. Gleichzeitig tat ihm Kerstin Finke leid, die wie ein begossener Pudel in ihrem Sessel hockte. »Wir möchten dann bitte noch das Zimmer von Frau

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