Die Stadt der Regenfresser. Thomas Thiemeyer

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Die Stadt der Regenfresser - Thomas Thiemeyer Die Chroniken der Weltensucher

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beruflich verwerten konnte …?

      »Davon dürfen wir wohl ausgehen«, sagte der Forscher.

      »Dann war er es, der das Foto gemacht hat.«

      Humboldt nickte. »Ich glaube, die Platte ist der Schlüssel. Als Eliza sie berührte, muss sie eine Verbindung mit ihm eingegangen sein.«

      »Und warum haben Sie das nicht schon früher versucht? Die Platte ist doch jetzt schon seit einer ganzen Zeit in Ihrem Besitz.«

      »Haben wir«, sagte Eliza. Ihre Stimme war schwach und leise. »Aber manche Verbindungen brauchen länger als andere. Manchmal geht es nur an bestimmten Tagen oder zu einer bestimmten Stunde.« Ein müdes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. »Ich fürchte, es ist keine sehr genaue Wissenschaft.«

      »Nein, meine Liebe.« Humboldt lächelte sie an. »Es ist Magie.«

      »Und wo ist dieser Boswell?«, fragte Oskar.

      »So genau kann ich das nicht sagen«, sagte sie. »Irgendwo in Peru. Die Verbindung war nur sehr kurz und die Vision leider nur sehr schwach. Ich habe Berge gesehen und eine Schlucht. Ich bin sicher, dass ich ein klareres Bild empfangen werde, je mehr wir uns ihm nähern.«

      Humboldt räumte das Buch weg und kam zu ihnen zurück. »Auf jeden Fall ist es ein enormer Fortschritt. Wir müssen davon ausgehen, dass auch andere Unternehmen auf die Idee kommen könnten, eine solche Expedition anzutreten. Denkt daran: Es gab noch mehr solcher Platten. Aber die Tatsache, dass Eliza einen Kontakt herstellen konnte, verschafft uns einen gewaltigen Vorteil.«

      »Was meinen Sie?«

      »Es wird ab jetzt immer wieder möglich sein, mit Boswell Verbindung aufzunehmen. Wir können herausfinden, was er gerade tut und wo er sich aufhält. Vielleicht können wir ihm sogar mittels Telepathie Botschaften zukommen lassen.«

      »Vorausgesetzt, er bleibt lange genug am Leben.« Elizas Gesichtsausdruck wirkte besorgt. »Was ich gesehen habe, war keineswegs ermutigend.«

      »Ein Grund mehr, dass wir uns beeilen«, sagte Humboldt. »Jemand wie er könnte für das Gelingen unserer Reise von unschätzbarem Vorteil sein. Stellt euch nur mal vor, was er uns alles zu erzählen hätte.« Humboldt strahlte vor Aufregung, als er sich erhob und zu seiner Glasvitrine hinüberging. »Auf diese gute Nachricht brauche ich erst mal einen Schluck«, sagte er und nahm eine Flasche und ein Glas heraus.

      In diesem Moment erklangen draußen im Hof die Geräusche von Hufen. Der Forscher spähte über den Rand seiner Brille durchs Fenster. Eine Kutsche war vorgefahren. Der Fahrer stieg ab und begann damit, Gepäckstücke abzuladen. Oskar glaubte eine junge Frau zu erkennen, die im Inneren der Droschke saß.

      Humboldt stellte Flasche und Glas auf den Tisch und ging zum Fenster. »Da ist sie ja endlich. Das wurde aber auch langsam Zeit.«

      8

      Die junge Frau trug ein weißes Kopftuch, unter dem einige blonde Strähnen hervorlugten. Ihr Gesicht war länglich und von ausgesprochen heller Farbe. Sie sah aus, als würde sie wenig Zeit an der frischen Luft verbringen. Ihre hohen Wangenknochen, die schmalen, fein gezogenen Augenbrauen und der geschwungene Mund verliehen ihr ein hochmütiges Aussehen. Nicht unbedingt sein Typ, entschied Oskar, aber doch interessant genug, nicht gleich jedes Interesse zu verlieren. Sie trug ein hellblaues Kleid und weiße Schuhe, die ihr kühles Erscheinungsbild unterstrichen. Eine der typischen feinen Großstadtdamen, die Oskar schon oft bewundert, die ihn aber immer mit Verachtung gestraft hatten.

      In Humboldts Begleitung trat er aus dem Haus und ging auf sie zu. Er wollte gerade zu einem fragenden Lächeln ansetzen, als sich ihre Blicke kreuzten. Die Augen des Mädchens hatten denselben eisgrauen Farbton wie die des Forschers.

      Er schwieg.

      »Hallo Onkel«, sagte sie, ohne Oskar weiter zu beachten. »Ich hoffe, ich komme nicht zu spät. Ich hatte leider keine Zeit, dir wegen meiner Ankunft zu telegrafieren.«

      »In der Tat? Wir warten hier schon alle sehnsüchtig auf dich«, sagte Humboldt. »Wie war deine Reise?«

      »Lang und beschwerlich, wie immer«, sagte das Mädchen. »Ich habe das Gefühl, der Kutscher ist durch jedes Schlagloch zwischen Heiligendamm und Berlin gefahren. Ich kann es kaum erwarten, mir endlich etwas Bequemes anzuziehen.« Ihr Blick streifte Oskar. »Wer ist das?«

      »Ein Gast. Ein sehr talentierter junger Mann, den ich als Diener mitzunehmen gedenke. Ich dachte mir, er wird unsere kleine Expedition verstärken. Oskar, das ist meine Nichte Charlotte.«

      »Sehr erfreut.« Ernsthaft bemüht um ein möglichst gutes Benehmen, streckte er ihr die Hand entgegen. Schließlich musste die junge Dame ja nicht gleich erfahren, dass er auf der Straße aufgewachsen war, doch das Mädchen ignorierte ihn.

      »Ein neuer Diener? Wo hast du ihn gefunden? Hat er gute Referenzen?«

      Humboldt musste sich ein Lachen verkneifen. »Nun, das vielleicht nicht gerade, aber ich habe das Gefühl, dass er genau der Richtige ist. Und ein weiterer Mann ist für diese Reise unerlässlich. Warum gehen wir nicht ins Haus und unterhalten uns drinnen weiter?«

      »Sehr gerne, Onkel.« Mit einem kühlen Blick in Oskars Richtung sagte sie: »Die Koffer kommen ins Mansardenzimmer, ganz die Treppe rauf. Und sei vorsichtig damit, sie sind sehr alt und sehr wertvoll. Ich möchte nicht, dass sie irgendwelche Schrammen abbekommen.« Damit eilte sie in Begleitung ihres Onkels an ihm vorbei und durch die Haustür.

      Oskar blieb wie vom Donner gerührt stehen. Was für eine Zicke! Humboldt hatte ihm nichts von einer Nichte erzählt, geschweige denn davon, dass er sie mitzunehmen gedachte. Für wen hielt sich dieses junge Fräulein? Sie tat so, als würde ihr das Haus gehören. Von Humboldt ließ er sich ja Befehle erteilen, aber von diesem Mädchen? Er starrte eine Weile grimmig zu Boden, bis er die belustigten Blicke des Kutschers und des Stallburschen bemerkte. Letzterer war ein netter, aufgeweckter Junge mit apfelroten Wangen. »Probleme mit dem Fräulein Charlotte?« Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht.

      Oskar verkniff sich einen Kommentar und schnappte sich den ersten der drei Koffer. Er wollte unbedingt mitbekommen, was im Haus weiter gesprochen wurde.

      »Tut mir leid, dass ich mich nicht eher gemeldet habe«, hörte er die Stimme des Mädchens aus dem Speisezimmer. »Aber ich wollte so schnell wie möglich wieder zurück. Dieser Kurbetrieb macht mich wahnsinnig. Du kannst dir gar nicht vorstellen, welch belangloses Zeug da geredet wird. Und dann immer diese dämliche Etikette. Ich bin es leid, im weißen Kostüm herumzulaufen und artig zu knicksen.«

      Oskar rückte näher an die Tür, die Ohren weit aufgesperrt.

      »Wie geht es meiner Schwester?«, erkundigte sich Humboldt. »Hat sich ihr Zustand verbessert?«

      »Mutter geht es den Umständen entsprechend gut«, sagte Charlotte. »Sie ist kräftig genug, alles und jeden in ihrer Umgebung herumzukommandieren, mich eingeschlossen. Trotzdem wird sie wohl noch eine Weile dort bleiben müssen. Mindestens ein halbes Jahr hat der Arzt gesagt. Ihre Lunge ist immer noch sehr schwach.«

      »Der Fluch der Frauen in meiner Familie«, sagte Humboldt. »Abgesehen natürlich von dir. Du warst stets mit einer bärenstarken Gesundheit gesegnet. Hast du ihr von unserer Expedition erzählt?«

      »Kein Sterbenswörtchen«, sagte Charlotte entrüstet. »Sie hätte sofort wieder

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