Ein reines Wesen. Isabella Archan
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Ihre Mutter war mehrmals nach Köln gereist, immer in der Hoffnung, dass Willa bereit war nach Hause, nach Graz mitzukommen, aber Mamas Wünsche erfüllten sich nicht.
Willa blieb und holte sich ihre Streicheleinheiten von ihrem Kater Jimmy. Ihre gesellschaftlichen Aktivitäten beschränkten sich sonst hauptsächlich auf die Kollegen, die ihr von den neuen Fällen erzählten, an denen Willa keinen Anteil hatte.
So kam es, dass die Inspektorin in Köln ihren festen Platz hinter einem Schreibtisch eingenommen hatte.
Der Tisch war groß und mit vielen Schubläden ausgestattet, in denen sie neben den Unterlagen und Vorlagen allerlei Kram unterbrachte. Dinge, die sie eigentlich entsorgen wollte, die aber nicht ganz verschwinden sollten. Alte Ausschnitte aus Zeitungsartikeln über sie und ihre Fahndungserfolge waren darunter.
Polizeiverwaltungsbeamtin Stark.
Die Arbeit war träge und langweilig. Berichte von Kollegen überprüfen, die sich über Fehler bei Einsätzen beschwerten. Sich um interne Kommunikation kümmern, Dienstmails auffinden, die im allgemeinen Verkehr untergegangen, verschwunden, gelöscht worden waren, aber noch gebraucht wurden. Eine Liste an Aufgaben, die einer bloßen Sekretärin spannend und abwechslungsreich erschienen wären, Willa aber anödeten, bis ihr Hirn einknickte wie ihre Hüfte.
Ein scharfer Schmerz schoss vom linken Knie bis zu ihrer Achsel hoch. Sie schluckte Wasser, schaffte es aber, nicht unterzugehen. Eine Weile blieb sie an Ort und Stelle und trat Wasser. Schließlich gelang es ihr, die Bahn zu beenden, und sie hielt sich keuchend am Beckenrand fest.
Nach dem Schwimmen und dem Frühstück würde sie vom Hotel aus in die Saar-Vital-Klinik fahren.
Zu einem Termin bei Dr. Ira Steiner. Sie galt als eine der vielen Spezialistinnen für Hüftleiden.
Wieder war es Harro gewesen, der sich Willas Sache angenommen hatte. Er hatte sich immer weiter mit ihren Beschwerden beschäftigt. Mit ihm hatte Willa über die Möglichkeit eines neuen Hüftgelenks diskutiert, eine Lösung, die Linderung bringen konnte, vor der sie sich aber fürchtete. Doch am Ende war sie bereit gewesen, sich dieser Alternative zu stellen. Drei renommierte Ärzte hatte Harro ihr empfohlen. Im Klinikum Münster, an der Uniklinik Dresden und im Winterberg-Krankenhaus in Saarbrücken praktizierten diese Koryphäen jeweils. Die einzige Frau unter den Dreien und die Nähe zu Frankreich hatten Willas Entscheidung für das Saarland beeinflusst.
Des Weiteren hatte Harro es geschafft, binnen einer Woche ein erstes Zusammentreffen zwischen Frau Dr. Ira Steiner und Willa festzumachen. Die Ärztin war nicht nur im großen Winterberg-Krankenhaus angestellt, sondern bot auch zweimal die Woche in der noch neuen Privatklinik vor Ort Sprechstunden an.
Was immer dabei herauskommen mochte, die Krankenversicherung der Polizei würde die Kosten nicht übernehmen, soviel stand von vorneherein fest. Harros Angebot, Willa auch dabei finanziell unter die Arme zu greifen, hatte sie erst unter der Vorgabe, ihm nach und nach den Betrag zu erstatten, angenommen.
Um Herrin der Lage zu bleiben, hatte sie sich vorerst im Hotel am Triller einquartiert. Es war nicht ganz billig, aber das Schwimmbad hatte den Ausschlag gegeben. Stationär in die Klinik wechseln konnte sie immer noch, wenn es sich als notwendig herausstellen würde.
Der Schmerz ließ langsam nach. Willa pustete über den Beckenrand gegen das überfließende Wasser. Kleine Wellen kräuselten sich. Sie begann, die Beine zu dehnen und zu strecken.
»Schöner Tag heute, nicht? Spätsommer-Traumwetter-Periode. Tolles Wort für Scrabble, wenn es anerkannt würde.«
Neben ihr war ein älterer Herr zum Halten gekommen.
»Geht so«, antwortete Willa knapp.
Eine Anmache am Morgen, bevor sie überhaupt ihren ersten Kaffee getrunken hatte, von einem Herrn, der gut und gerne dreißig Jahre älter als sie war, konnte sie nicht gebrauchen.
»Die nächsten Tage sollen noch heißer werden.« Er ließ nicht locker. »Da tut Erfrischung gut. Mit einem Eis zum Beispiel.«
Er zwinkerte ihr zu und Willa bekam Kopfschmerzen.
»Wenn’s Abkühlung brauchen, gehen Sie in den Saunabereich und springen Sie kopfüber ins Eisbecken. Aber quatschen’s mich nicht an.«
Der ältere Herr zog seine weißen Augenbrauen hoch und seine kahle Stirn kraus.
»Ich wollte nur nett sein am Morgen.«
»Und ich mag so was nicht, verstehn’s mich, kapische?«
»Sie stammen wohl aus dem südlichen Sprachbereich, oder?«, murmelte der Mann, als würde das ihre Reaktion erklären, und stieß sich ab.
Darüber nun musste Willa schmunzeln. Zugleich dachte sie an ihre aktive Ermittlerzeit. Fräulein Ösi, das war ihr Spitzname im Team. Gewesen.
Et es wie et es, sagte eines der Kölschen Grundgesetze. Ein Spruch, den sie nicht mehr hören konnte. Vielleicht hatte das Saarland bessere Weisheiten zu bieten.
Sie beendete die Übungen und begann eine neue Bahn. Auf dem Rücken. Ihre Arme breiteten sich aus, ihre Beine bewegten sich rhythmisch und in einem gleichmäßigen Tempo.
Über ein Jahr. Solange war sie zurück aus dem Koma.
Ich bin nicht mehr ich selbst, dachte sie. Nur als Meerjungfrau, auf dem Rücken treibend, gibt es mich noch.
Sie stellte sich vor, dass das Becken kein Ende haben würde. Sie würde, mit dem Gesicht in den Himmel gerichtet, schwimmen und schwimmen, über den Rand der Welt hinaus.
Dorthin, wo es keine verdrängten Erinnerungen, keine Hüftschmerzen und keine älteren Herrn gab, die nach einer frühmorgendlichen Zweisamkeit suchten.
11
Bevor sich Willa in die Klinik begab, machte sie einen Zwischenstopp in der Innenstadt. Ein nächster Kaffee musste noch vor der Untersuchung sein. Außerdem wollte sie sich im Zentrum umsehen.
Das Taxi setzte sie an der Alten Brücke ab. Sie stieg aus und ihr Blick wurde erst von der Mauer und dem Schloss auf der linken Uferseite, dann vom Bau des Staatstheaters vor ihr angezogen. Sie zückte ihr Smartphone und las über das barocke Schloss mit seinem Gewölbekeller und den Ausstellungsräumen des Historischen Museums Saar nach. Das Theater hatte seine Spielzeiteröffnungspremiere noch vor sich und beeindruckte Willa mit der Vielfalt des Spielplans. Oper und Tanz waren zwar nicht ihre bevorzugten Kulturevents, aber sich einmal ein Stück auf der großen Bühne anzusehen, schien verlockend.
Ein angenehmes Touristengefühl überkam Willa. Wenn sie schon unterwegs war, wollte sie die Schwere der letzten Zeit einmal wenigstens zur Seite schieben.
Nach Überquerung der Straße kam sie in den Innenstadtbereich. Das Kopfsteinpflaster ließ sie vorsichtiger vorangehen. Doch, was sie sah, mochte sie auf Anhieb.
Am St. Johanner Markt waren Marktstände aufgebaut und es herrschte ziemliche Betriebsamkeit. Auf den Stufen des Marktbrunnens saßen ebenso Leute, wie in den Lokalen rund um den Platz. Statt sich sofort für eines zu entscheiden, spazierte Willa