Der versäumte Frühling. Hans Scherfig

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Der versäumte Frühling - Hans Scherfig

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soll mich der Himmel bewahren! Ich kann meine Hemmungen einfach nicht entbehren. Uff, ich hab direkt Angst vor ihm. Was er sich auch vornimmt, er findet bei allem die merkwürdigsten Sachen heraus. Und alles sei nur pure Liederlichkeit. Die normalsten Dinge haben für ihn eine liederliche Bedeutung.“

      „Ich halte das alles für Unsinn.“

      „Das mag ja sein. Aber es ist schlimm genug. Denn es ist nicht gerade ein Vergnügen, wenn die Frau den ganzen Tag über im Bett liegt. Und sich mit Mayonnaise vollstopft und dazu Likör trinkt.“

      „Trinkt sie denn richtiggehend?“

      „Ja, sie trinkt lila Bols – und ißt Mayonnaise dazu. Für die ist Likör bloß süßes Zeug. Daß er auch Prozente hat, will sie nicht wahrhaben. Und man dürfe ihr nicht widersprechen, sagt Riege. Sie braucht den Likör als Ersatz für Erotik.“

      „Wirklich sonderbar.“

      „Für mich ist das zumindest sehr unangenehm. – Und dann die Schlafzimmertür, die sie immer und ewig verschlossen hält. Das ist für mich sehr schwer. In Skjern gibt es ja nicht so gewisse Damen. Deshalb muß ich ab und zu bis nach Aalborg fahren. Aber das geht auch ins Geld. Und wenn man eine Frau hat, ist das schließlich ja nicht der Sinn der Sache. Wie kommst du denn damit so in Holstebro zurecht?“

      Der Amtsrichter bekam einen roten Kopf.

      „Ich, hm – in dieser Beziehung ist mein Bedarf nicht gerade übermäßig groß. Ich bin ja Junggeselle. Und das ist wohl mehr eine Sache der Gewohnheit.“

      „Es ist eine wahre Wohltat, darüber mal zu reden“, sagte der Polizeidirektor. „Gut, daß man sich bei einem alten Freund aussprechen kann. Zum Wohl, Alter! Du mußt uns mal in Skjern besuchen. Das ist wirklich ein hübsches Städtchen. Die neue Anlage ist recht schmuck geworden. Und meine Frau würde sich bestimmt freuen, dich kennenzulernen.“

      „Vielen Dank für die Einladung.“

      Die Fähre näherte sich Korsør. Man nahm vor der Gangway Aufstellung. Denn nun galt es, im Zug einen guten Platz zu erwischen.

      „He! He! Sie dahinten! Drängeln Sie nicht so! Das ist doch die Höhe! Ein Skandal!“ ereiferte sich der Polizeidirektor.

      11. Kapitel

      In dem in Hellrot gehaltenen Lokal warteten die Herren, daß das Festessen beginnen sollte. Sie lachten, tauschten alte Erinnerungen aus und strichen die Asche ihrer Zigarren an künstlerischen Keramikgebilden ab, auf deren Boden biblische Gestalten abgebildet waren.

      Neunzehn Herren waren erschienen. Das war eine ganze Menge. Mehr als erwartet.

      Wer fehlte denn eigentlich?

      Der Dicke ist nicht da. Dygesen. Der Klasse dicker Knabe, wie ihn Studienrat Blomme so spaßig zu nennen pflegte. „O feister Crassus! Habe die Güte, uns die Lektion zu übersetzen!“ Sie können allesamt Studienrat Blommes Stimme nachahmen. Dabei ist Studienrat Blomme seit vielen Jahren tot. Gestorben an einem vergifteten Bonbon. Auf niederträchtige und abstoßende Weise ermordet. Und der dicke Dygesen ist im Osten. Irgendwo auf der anderen Seite des Erdballs herrscht er über Scharen von Kulis. Sein Fernbleiben ist also entschuldigt. Er hat es nie zu einem Staatsexamen gebracht. Er wandte sich dem praktischen Leben zu und wurde Geschäftsmann. Und dort drüben in der Hitze soll er ganz mager geworden sein.

      Auch Hurrycane ist nicht erschienen. Ach ja, Hurrycane. Ursprünglich hieß er Hansen, dann nahm die Familie jedoch den Namen Hurrycane an. Darunter machte man es nicht. Und daß Hurrycane nicht gekommen ist, dazu läßt sich nichts sagen. Dort, wo er nun sitzt, sind eiserne Gitterstäbe vor dem Fenster. Die Einladung wird wohl kaum zu ihm gelangt sein.

      Über Hurrycane spricht man nicht laut. Er ist ein Schandfleck für den Jahrgang. „Da war irgend etwas mit Betrug, nicht wahr?“ flüstert man. „Ja, und er hatte sowieso schon Bewährung“, kann Richter Ellerstrøm mitteilen. Das mit Hurrycane ist eine peinliche Geschichte. Er paßte eigentlich nie so recht zu ihnen. Er stand sich auch mit keinem aus der Klasse besonders gut. Immer war er derjenige, der von den anderen gehänselt wurde. So einen gibt es in jeder Klasse. Selbst wenn Hurrycane auf freiem Fuß gewesen wäre, würde es gar nicht einmal so sicher sein, daß er mit seinen Plagegeistern das Jubiläumsfest hätte feiern wollen.

      „Ein paar von uns sind wohl schon tot? erkundigt sich Chefarzt Thorsen.

      Nur einer ist gestorben. Aage Mørdrup, der wilde Mørdrup, der immer so wütend und ungebärdig wurde. „Ein übles Element“, nannte ihn der Rektor stets. Doch Mørdrup war eigentlich ganz in Ordnung. Und die Ärzte fachsimpeln über seine mögliche Todesursache.

      „Es ist erstaunlich, daß sich nur einer von uns davongemacht hat. Das ist ein verdammt gesunder Jahrgang gewesen. Aber wenn wir das nächste Mal Jubiläum feiern, sind wir nicht mehr so viele!“

      Thorsen und Riege haben sich nur kühl gegrüßt. Und sie vermeiden es auch, miteinander ins Gespräch zu kommen. Jeder verachtet die Arbeit des anderen. Ihr ironisches Lächeln soll zeigen, was einer vom anderen hält.

      Es sind jedoch noch mehr Ärzte da. Dr. Møller und Dr. Nederby. Und sie sehen zu Thorsen auf, der von ihnen der Größte ist und die beste Karriere gemacht hat. Und die Mediziner unterhalten sich vertraulich über die seltsamen Wesen, die man Patienten nennt. „Sie sind tatsächlich seltsam.“ – „Ja, sie sind geradezu geistig unterbemittelt. Sagt man zu ihnen: ,Mach das und das‘, dann glotzen sie einen blöde an und machen gerade das Gegenteil. Da versucht man, ihnen ein bißchen über Vitamine einzutrichtern. Alles vergebens, sie wollen partout bloß Soße und Kartoffeln essen. Wenn man ihnen wenigstens ein bißchen Respekt vor der Zeit und der Arbeit des Arztes beibringen könnte. Aber nein, sie rennen einem zu den unmöglichsten Zeiten mit jedem Mist und Quatsch die Tür ein. Da kommt doch so ein Individuum zu mir und verlangt, ich solle ihm ein Attest ausschreiben, daß die Wände seiner Wohnung feucht sind. Für die Fürsorge. ,Guter Mann‘, sage ich zu ihm, ,ich bin doch kein Maurer! Ich kann für Ihre Wände keine Atteste ausstellen.‘ Er läßt jedoch nicht locker: Also, er meine, die Wohnung sei gesundheitsschädlich und er habe soundso viel Kinder und so weiter und so weiter. Und wenn der Herr Doktor eine Erklärung schreibe, bekäme er vielleicht eine gesündere Wohnung. Aber da frage ich, wie zum Teufel ich denn wissen soll, ob er nicht selber Wasser an die Wände gießt? Es muß ja schließlich eine Grenze dafür geben, womit man einen Arzt belästigen kann.“

      Und die Mediziner tauschen Erlebnisse über die unglaubliche Unwissenheit und Dummheit der einfachen Leute aus. Und sie erzählen einander die witzigen Antworten, die sie bei passender Gelegenheit gegeben haben.

      Aber auch der Oberlehrer weiß von dummen Schülern zu erzählen, denen die spaßigsten Übersetzungsfehler unterlaufen.

      Und die beiden Reichsgerichtsanwälte können manches über die komischen Figuren erzählen, denen sie in ihrer Praxis begegnet sind.

      Auch der Offizier hat einiges zu erzählen. Rekruten sind nämlich keinen Deut besser als Patienten. Bei einem Intelligenztest in der Kaserne erhielt man die unglaublichsten Resultate. Einfach phantastisch, wie dumm und unwissend Soldaten sind, selbst wenn es um die elementarsten Dinge geht.

      Der Richter hat ebenfalls abnormen und merkwürdigen Geschöpfen gegenübergestanden, Geschöpfen, deren Existenz man einfach nicht für möglich gehalten hätte, die der Staat jahrelang ernähren und für die er an allen Ecken und Enden Sorge tragen müsse. „Natürlich sind sie unverbesserlich, aber leben müssen sie ja schließlich. Und für so etwas müssen wir Steuerzahler nun

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