Tobinos Insel. Eva Rechlin

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Tobinos Insel - Eva Rechlin

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Gepäck. Hören Sie, wie sie tickt?«

      Der Pförtner beugte den Kopf vor und lauschte. Ganz deutlich machte Spiritos altertümlicher Wecker »tick-tack, ticktack«.

      Jetzt war es der Pförtner, der erschrocken einen Schritt zurückwich. »Was haben Sie vor?« stammelte er.

      Spirito mußte lachen. Aber dann zuckte er zusammen, denn der Pförtner brüllte plötzlich los: »Verdrückt euch! Schnell! Eine Höllenmaschine vor dem Tor!« Da wurde es links und rechts in der Blumenhecke lebendig. Sechs, sieben, acht bewaffnete Männer stürzten aus ihren Verstecken, rannten davon und warfen sich hinter einem Busch in Deckung. Der Pförtner selbst raste in sein Panzertürmchen und schlug die Tür hinter sich zu.

      Spirito lehnte sich gegen das Eisengitter und blickte sich um. Das Gitter war wenig höher als er selbst, er hätte es leicht übersteigen können, aber daran lag ihm jetzt nichts. Wie immer, wenn er in Verlegenheit geriet, nahm er seine Brille ab und putzte sie, obwohl kein Staubkörnchen ihre Gläser trübte. Am Schloßtor war es jetzt so still, daß er seinen alten großen Wecker durch die Kofferwände ticken, daß er Bienen und Hummeln in den Blumen summen und eine Amsel singen hörte. Er blickte nachdenklich auf die Allee zurück, die er gekommen war. Hinter einem Wacholderbusch sah er den Kopf eines geflüchteten Wächters. »Armer Herr Vivato«, murmelte er und putzte seine Brille heftiger. Es kam ihm vor, als sähe er den mächtigen, berühmten Vivato ahnungslos, von allen seinen Helfern verlassen, auf einer Höllenmaschine sitzen. »Was hat er nur für Wächter, die schon vor einem alten Wecker reißaus nehmen?«

      Schließlich setzte Spirito seine Brille wieder auf, ging zu dem Panzertürmchen und pochte mit der Faust an die Stahltür. »Kommen Sie raus! Die Höllenmaschine ist nur ein alter Wecker. Und ich bin der neue Erzieher für den Sohn!«

      »Wenn das stimmt«, antwortete der Pförtner und wagte sich wieder aus seinem Panzertürmchen, »öffnen Sie den Koffer und zeigen Sie mir den Wecker!«

      Und als der Pförtner erkennen mußte, vor welchem Gegenstand er sich gefürchtet hatte, packte ihn der Zorn. »Mann!« schrie er Spirito an, »Sie haben sich einen schlechten Scherz erlaubt! Wenn das Vivato erfährt – nicht auszudenken!«

      »Wenn Vivato erfährt«, sagte Spirito, »daß seine Wächter vor einem Wecker geflohen sind, was wird er dann wohl mit seinen Wächtern tun?«

      Der Pförtner wurde bleich und starrte Spirito an. Er ließ die Arme sinken, die Pistolen fielen aus seinen Händen. Zum zweiten Mal an diesem Vormittag nahm Spirito seine Brille ab, um sie mit fahrigen Fingern zu putzen.

      »Aber lassen Sie nur«, sagte er verlegen, »machen Sie sich keine Sorgen um Ihre Stellen. Von mir aus braucht niemand etwas von der ganzen Geschichte zu erfahren. Und jetzt öffnen Sie endlich das Gitter und lassen Sie mich ein.«

      »Sie wollen mich wirklich nicht verraten?« stieß der Pförtner argwöhnisch hervor.

      »Mein Wort.«

      Der Pförtner atmete auf. Plötzlich nestelte er an seiner Rocktasche und sagte schnell: »Von meinem letzten Lohn ist zwar nicht mehr viel übrig, aber vielleicht genügt Ihnen der Rest für Ihr Schweigen? Hier, es sind hundertachtzig Mark. Nehmen Sie! Bitte!«

      Spirito wich zurück. »Was soll ich? Wollen Sie sich meine Verschwiegenheit etwa kaufen?«

      »Aber das ist doch nur natürlich, mein Herr! Mit Geld kann man alles. Was glauben Sie denn …«

      »Hören Sie auf!« fuhr Spirito ihn an, »und stecken Sie Ihr Geld wieder ein!«

      Er wandte sich ab und ging schnellen Schritts zum Schloß.

      Ein frostiger Empfang

      Als Spirito die Marmorterrasse des Schlosses erreichte, kam ihm ein so auffallend elegant gekleideter Mann entgegen, daß er dachte, von dem berühmten Herrn Vivato persönlich empfangen zu werden. Dieser Irrtum klärte sich allerdings rasch auf: Der Mann im goldfarbenen Seidenanzug war sein Vorgänger Dr. Kasimir, der Spirito in das neue Amt einführen sollte. Kasimir führte den Ankömmling in einen Salon des Schlosses und ließ ihn durch einen Diener mit Tee und Törtchen bewirten.

      »Ich habe noch eine Stunde Zeit«, sagte er, während er sich in einen Sessel sinken ließ und eine bleistiftlange Zigarette anzündete. »Ich denke, das genügt, um Sie vorzubereiten. Können Sie sich vorstellen, was Sie hier erwartet?«

      »Nun ja«, antwortete Spirito, »die Vivatos sind nicht unbekannt. In den Zeitungen steht genug über sie. Und was ich bisher über den Sohn hörte, klang eher entmutigend. Aber ich bin entschlossen, es mit ihm zu versuchen.«

      Kasimir blies mit runden Lippen kleine Qualmringe in die Luft. Dem letzten lächelte er boshaft nach und sagte: »Bester Kollege Spirito, Entschlossenheit nützt Ihnen gar nichts bei der Erziehung dieses verhätschelten Teufels.«

      »Ist der Junge denn ein Teufel?«

      »In jeder Hinsicht. Werfen Sie ihm Ihren Charakter vor die Füße, daß er darauf herumtrampeln darf – es macht sich bezahlt.«

      »Was soll das heißen?« fragte Spirito.

      Kasimir blickte ihn höhnisch aus zusammengekniffenen Augen an. Mit vertraulich gesenkter Stimme erklärte er: »Schlagen Sie sich den Unsinn aus dem Kopf, hier den guten Erzieher spielen zu wollen. Das bringt Ihnen nichts. Das einzige, was Sie hier erreichen können, ist, in kurzer Zeit ein gemachter Mann zu werden. Insofern ist Schloß Vivato ein Paradies.«

      »Paradies? Ich verstehe kein Wort.«

      »Sie werden verstehen lernen. Mir könnte es ja gleichgültig sein, was aus Ihnen wird. Aber wie Sie aussehen«, Kasimir musterte Spirito von Kopf bis Fuß, »können Sie es sicher vertragen, in kürzester Frist eine Menge Geld einzuheimsen. Ich kam vor zwölf Wochen genauso abgewetzt an wie Sie …« Mit seinen Fingern, an denen Brillantringe blitzten, deutete Kasimir auf Spiritos Köfferchen und fuhr fort: »Und heute? Sehen Sie da drüben vor den Garagen die nagelneue Luxuslimousine? Gehört mir. Lohnt es sich etwa nicht, sich dafür ein paar Wochen von einem verzogenen Teufelchen schikanieren zu lassen?«

      »Ja … nein … ja«, stammelte Spirito, »aber mit solchen Nebenabsichten kann man doch nicht ein Kind erziehen!«

      »Seien Sie nicht schmalzig, Spirito. Was interessiert mich im Grunde der Junge? Man muß die Gelegenheit wahrnehmen! Und hier ist eine Menge herauszuholen!«

      Spirito senkte den Kopf. Er mochte nicht länger in die eitlen Augen Dr. Kasimirs blicken. »Aha, so ist das also«, murmelte er, »wollen Sie jetzt bitte meinen künftigen Schützling rufen?«

      »Ru-fen?« Kasimir brach in schallendes Gelächter aus. »Rufen? Mann, Sie haben es mit dem einzigen Erben eines schwerreichen Mannes zu tun! Zu dem müssen Sie sich schon selbst bequemen. Aber warten Sie, ich möchte Ihnen noch einen nützlichen Rat geben: Tun Sie stets, was der Bengel will. Geben Sie ihm immer Recht, auch wenn er Blödsinn faselt. Er ist das so gewohnt. Ich habe Ihnen ja gesagt, daß es sich bezahlt macht. Damit haben sich schon zweiundsechzig Erzieher, Damen wie Herren, vor uns gesund gewirtschaftet.« Dr. Kasimir legte grinsend seine geschmückte linke Hand an die Brust, als wollte er auf seine wohlgefüllte Brieftasche hinweisen.

      Spirito stand so heftig auf, daß das Teetischchen vor ihm wackelte und klirrte. Er hätte den Kollegen gern saftig beleidigt, aber etwas schnürte ihm die Kehle zu. Mit gesenktem Kopf folgte er Dr. Kasimir ins Schloßinnere.

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