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Die Eigenschaft des chirurgischen Fadens und somit die Wahl des Nahtmaterials wird durch unterschiedliche Faktoren, wie Resorptionsverhalten (Tab. 2-1), Herkunft, Textur, Länge und Dicke, beeinflusst.
Tab. 2-1 Herkunft und Resorptionsverhalten von chirurgischen Fäden1.
Resorbierbares Nahtmaterial kommt in der Oralchirurgie nur selten zum Zug: Viel zu hoch ist die korrespondierende Plaqueakkumulation und deren Standzeit von bis zu einigen Wochen. Allerdings rechtfertigen Eingriffe, in denen mehrere Gewebeschichten adaptiert werden müssen (submuköse Nähte), oder Patienten, die sich aufgrund mangelnder Kooperation nur in Intubationsnarkose behandeln lassen (z. B. Angstpatienten, Kleinkinder oder geistig retardierte Patienten), deren Einsatz. Durch die Verwendung von resorbierbarem Nahtmaterial erübrigt sich die spätere Nahtentfernung beziehungsweise eine weitere Intubationsnarkose. In allen anderen Fällen ist jedoch nicht resorbierbares Nahtmaterial zu bevorzugen.
Des Weiteren sind chirurgische Fäden durch ihre Textur charakterisiert. Es wird hierbei zwischen monofil, pseudomonofil und multifil unterschieden. Der monofile Faden (Abb. 2-76) besteht aus einem einzigen Kunststoffstrang, welcher eine hydrophobe Oberfläche besitzt. Dies gewährleistet eine sehr gute Gleitfähigkeit durch das Gewebe von der ersten bis zur letzten Naht und führt in der Heilungsphase zu einer geringen Plaqueakkumulation. Eine Sonderform des monofilen Fadens ist der in sich gezwirnte PTFE-Faden (Polytetrafluorethylen) (Abb. 2-77). Er besticht nicht nur durch seine weiße Farbe, sondern auch durch sein weiches, gewebeschonendes und hydrophobes Material, mit dem es sich sehr angenehm nähen lässt. Allerdings kennzeichnet ihn auch ein hoher Einkaufspreis. Der multifile Faden besteht aus vielen feinen Filamenten, die geflochten oder gezwirnt sein können (Abb. 2-78). Dadurch besitzt der Faden eine eher raue Oberfläche, die beim Durchziehen zu einem zusätzlichen Trauma und postoperativ zu einer höheren Plaqueakkumulation führt. Des Weiteren saugt dieser aufgrund der hydrophilen Eigenschaft (Kapillarität) mit jeder weiteren Naht mehr Blut, Speichel und Gewebeflüssigkeit auf, was zu einer schlechteren Gleitfähigkeit führt. Dafür ist der multifile Faden einfacher zu knoten und das Fadenende wird von den Patienten aufgrund der höheren Geschmeidigkeit als weniger störend empfunden. Der pseudomonofile Faden ist ein multifiler Faden, der an der Oberfläche beschichtet beziehungsweise imprägniert wurde (Abb. 2-79). Dadurch wird dieser etwas glatter und hydrophober als der multifile Faden sein, was zu einer geringeren Plaqueakkumulation führt. Der pseudomonofile Faden stellt somit einen Kompromiss zwischen den Eigenschaften des monofilen und multifilen Fadens dar.
Abb. 2-76 Monofiler Faden.
Abb. 2-77 Gezwirnter PTFE-Faden.
Abb. 2-78 Multifiler Faden.
Abb. 2-79 Pseudomonofiler Faden.
Der Faden kann in verschiedenen Dicken bestellt werden. Das Spektrum für oralchirurgische Eingriffe bewegt sich zwischen 3-0 und 6-0 (Bezeichnung USP). Dabei gilt: Je höher die Zahl desto dünner der Faden und umgekehrt. Die Verwendung einer 6-0-Naht ist in der Oralchirurgie eher die Ausnahme. Sie erfordert ein mikrochirurgisches Instrumentarium und eine optische Vergrößerungshilfe. Grundsätzlich gilt, dass im ästhetisch sichtbaren Bereich eher dünnere Fäden und im Seitenzahnbereich eher dickere verwendet werden sollten.
Sämtliche Nahtmaterialien werden von den Herstellern steril verpackt geliefert. Dabei ist der Faden auf einer Spule aufgewickelt, die aus Pappe oder Kunststoff besteht. Gerade monofiles Nahtmaterial neigt dazu, nach Entnahme aus der Verpackung die Form der Spule beizubehalten (Abb. 2-80 und 2-81). Das Nähen wird dadurch nicht gerade erleichtert, insbesondere bei den ersten Nähten, bei denen der Faden meist noch 40 Zentimeter lang ist. In diesen Fällen empfiehlt es sich, mit sterilen Handschuhen die Nadel zwischen Daumen und Zeigefinger der einen Hand zu halten und den Faden durch Daumen und Zeigefinger der anderen Hand einmal hindurchzuziehen (Video 2-8). Durch das Strecken des Fadens verschwindet die Form der Spule fast vollständig und das Nähen wird deutlich erleichtert.
Abb. 2-80 und 2-81 Nach Entnahme des Fadens aus der Verpackung.
Video 2-8 Strecken des chirurgischen Fadens nach der Entnahme aus der Verpackung.
Literatur
1.Reichart PA et al.: Curriculum Zahnärztliche Chirurgie. Band 1. Berlin: Quintessenz, 2001.
2.Schweizerische Zahnärztegesellschaft SSO: Qualitätsleitlinien: Praxishygiene (2015). https://www.sso.ch/zahnaerzte/qualitaetsleitlinien.html (letzter Zugriff 04.06.2020).
3.World Health Organization (WHO): Surgical Handrubbing Technique, NewSurgicalA3 (2009).
Nahttechniken in der Oralchirurgie
Viele oralchirurgische Eingriffe enden mit einer Nahtversorgung – primär, um einen mobilisierten und replatzierten Mukoperiostlappen möglichst in seiner Originalposition zu fixieren; sekundär aber auch, um gegebenenfalls die Wundfläche von Alveolen zu verkleinern oder eine Alveolen- oder Defektauffüllung mittels Naht zu stabilisieren; und nicht zuletzt auch, um gegebenenfalls einen stabilen plastischen Verschluss von Alveolen oder eröffneten