Von Hause. Paul Keller

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Von Hause - Paul  Keller

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Sohnes. — — —

      Über seine eigenen Schmugglererfolge wusste der Hahnenwirt nicht viel Erfreuliches zu berichten. Eines Abends, als Wenzel wieder einmal bei ihm eingekehrt war, steckte er ihm ein Lindenblatt an den Hut.

      „Ah, gilt die alte Korrespondenz immer noch?““ fragte ich.

      „Nu natürlich! Sie roochen doch so gerne Regalia media, und ich hab’ keene im Hause. Nu — Lindenbaum bedeutet eben Regalia media.“

      Am nächsten Tage wurde wirklich vom Blauen Hahnenwirt drüben eine Kiste Regalia media über die Grenze geschafft.

      Aber Hollmann war trotzdem unzufrieden.

      „Wenzel hat meine Leute greulich oft erwischt,“ sagte er niedergeschlagen. „Ich kann sagen, es kost’ mich schon a Vermögen an Strafe. A paar von meinen Leuten haben sogar sitzen müssen. Na, das kost’ dann erst recht viel. Der Kaiser hat nich so teure Hosen an wie su a Gebirgsweber, wenn a für unsereinen amal a Paar durchsitzen muss. Aber geschmuggelt muss sein; denn wer hier in der Gegend nich schmuggelt, is blödsinnig. Und geleimt wird a doch, das haben Se ja geseh’n, wie a geleimt wird.“

      Es vergingen wieder viele, viele Jahre. An mich kam die Vierzig heran, und mein Freund Hollmann hatte den Kopf voll weisser Haare, als ich ihn wieder traf. Verändert hatte sich aber sonst in den Grenzhäusern so gut wie nichts. Es ist mit dem Leben umgekehrt wie mit einer Drehscheibe: im Zentrum rast es am schnellsten, an der Peripherie scheint es still zu stehen.

      Ja, und doch hatte sich Neues und Grosses in den Grenzhäusern ereignet. Des Wassermüllers Sohn Wilhelm war so herangewachsen, dass er schon seine Zeit bei den Hirschberger Jägern abgedient hatte, und der österreichische Zollbeamte Wenzel Hollmann hatte ein Töchterlein, das eine recht frische Bergwaldsblume war. Es war die alte Geschichte: die beiden Kinder liebten sich, und die beiden Väter wollten von dieser Liebe nichts wissen, da sie ihnen ganz gegen das Herz war, wenn sie sich auch äusserlich vertrugen. Den Müller schmerzte oft die halblahme Schulter, die er dem Grenzer zu verdanken hatte, und dieser hatte auch keinen Grund, mit dem Müller recht intim zu werden. So taten die beiden Alten das Dümmste, was sie junger, starker Liebe gegenüber tun konnten: sie sperrten sich dagegen. Dass das gar keinen Zweck hatte, ist unnötig zu erwähnen. Die Grenze hinüber und herüber wurde schönes, goldenes Liebesgut geschmuggelt: Briefe und Küsse, Blumen und Tränen. Und ging es gar nicht anders, so schlich der Mond, der älteste Schmuggler der Welt, hinter Wassermüllers Wald herum, nahm tausend Liebesgedanken als unerlaubtes Gut, stieg über die Berge, leuchtete dem dummen Grenzer, der unten auf dem Wege stand, dreist ins Flintenrohr und lieferte sein süsses Schmugglergut an des Töchterleins Kammerfensterab.

      Schon gut; es ging, wie es halt fast immer geht: die beiden Alten musstennachgeben. Und da kam ein Tag, wo in der Wassermühle ein grosses, echtes Versöhnungsfest gefeiert und alles für die bevorstehende Hochzeit besprochen werden sollte. Gerade da war ich wieder einmal auf eine Woche im „Roten Hahnen“ einquartiert.

      Eines Nachmittags war es, da fuhr ein Glaswagen beim Hahnen vor. Diesmal sass keine Strohpuppe darin und auch der Wenzel nicht beim Kutscher auf dem Bock, sondern stolz und feierlich neben seinem taufrischen Töchterlein. Gott, war das böhmische Mädel ein liebes Ding! Und der Wenzel — der war in Zivil. Hatte einen Zylinderhut aufs Haupt gestülpt, trug einen tadellosen Smoking und Lackschuhe mit Gamaschen. So fesch kann nur ein Österreicher aussehen. Langsam und feierlich kam er auf mich zu und reichte mir gerührt die Hand.

      „Schauns — so kommt’s!“ sagte er. „Aber das freut mich, dass Sie gerade hier sind. Sie gehören ja gewissermassen dazu.“

      Er legte seinen glänzenden Zylinder auf den Tisch und fuhr plötzlich zornig zurück.

      „Verflucht — wer hat mir denn an meinen Zylinderhut eine Kornblume gesteckt? Ist das eine Frechheit!“

      Der Rote Hahnenwirt kam heran, beguckte kopfschüttelnd die Blume und ging hinaus, wo er leise ein Fässchen Wünschelburger Kornbranntwein nach dem Blauen Hahnen in Auftrag gab.

      Wenzel warf die Blume grimmig auf die Erde. Dann wurde er aber wieder feierrlch und erzählte mir, als ob er sich entschuldigen müsste, warum er nun doch seine Einwilligung zu dieser Hochzeit gäbe. Wäre der Liebich noch ein Schmuggler — niemals, nie! Aber der sei kein Schmuggler mehr, der sei nur noch ein alter Esel. Und so fahre er jetzt mit der Ursula hin, und es solle ein schönes Familienfest werden. Der Hahnenwirt und ich, wir müssten mitmachen, denn wir gehörten dazu. Der Blaue Hahnenwirt drüben habe gerade die Gicht; sonst hätte er ihn auch mitgebracht. Im Wagen sei Platz für uns.

      Hollmann der Wirt musste nun Toilette machen und erschien endlich in einem viel zu engen Gehrock, der den Globus seines Bauches nur bis zu den Wendekreisen bedeckte. Wir nahmen mit im Wagen Platz, und die Fahrt ging hinab nach der Wassermühle.

      Es ist für mich als Preussen schmerzlich zu sagen: aber mein Landsmann Liebich empfing seinen feierlich ausstaffierten Mit-Schwiegervater in Hemdsärmeln! Wenzel bemerkte es schon beizeiten und sagte leise zu mir:

      „Nu sagen’s, wie konnte die Franziska an solchen Kerl nehmen, der nicht im geringsten an Schneid hat?“

      Das Fest selbst aber wurde sehr, sehr schön. Junge Liebe und junges Glück zu sehen, ist freilich für den, der übers Leben schaut, eine wehmütige Freude, aber doch eine Freude voll schweren Erinnerungsduftes aus fernen Frühlingstagen.

      Liebich war sehr schweigsam. Die Verlobung wurde vollzogen, und der Wein, den wir tranken, war alles österreichische Marke und wahrscheinlich geschmuggelt; aber Wenzel liess ihn sich schmecken, denn was ging es ihn an, wenn sich preussische Grenzer über den Löffel balbieren liessen? Ja, er trank viel und wir andern auch, und die Stimmung wurde sehr lustig. Da erhob sich der Müller zu einer Rede.

      „Hier sitzen wir nu, und das is sehr schön. Dass die Franziska nich dabei is, is freilich sehr schade. Aber ich weiss, wo die is; das weiss ich schon durch meine lahme Achsel. Na, das is nu aber ja längst alles vollkommen vergessen, und die Kinder, die sich heiraten werden, haben das alles nich mit erlebt. Wozu reden wir also erst darüber? Und damit du siehst, Wenzel, wie gut ich’s mit dir meine, schenk’ ich dir hier eine echt silberne Tabaksdose, damit du immer an mich denkst, wenn du draus schnupfst. Das Brautpaar lebe, hurra — hoch!“

      Aus blauem Florpapier wurde eine ganz prächtige silberne Dose enthüllt, die Liebich erst kurz zuvor in Breslau erstanden hatte. Wenzel war tiefgerührt. Es ärgerte ihn aber jetzt sehr, dass er kein Gegengeschenk hatte und nun in seinem Smoking gegen den Hemdärmelmann unvorteilhaft abstach. Als das reiche Abendbrot vorüber war und die Böhmen an die Heimkehr dachten, befahl der Müller seinem Sohne, nun auch ihr eigenes Wäglein zurechtzumachen; sie würden die lieben Gäste heimbegleiten, denn so ein Tag wie heut sei nicht oft.

      Fröhlich ging es die Berge hinauf, der Grenze zu. Wir kamen ans österreichische Zollhaus. Ein Beamter trat heraus und fragte der Reihe nach jeden nach Steuerbarem. Wir verneinten alle, auch Wenzel, der Grenzer in Zivil, natürlich. Da sagte der Beamte, der (wie ich später erfuhr) auf seinen Kollegen nicht gut zu sprechen war:

      „Es tut mir leid, Herr Wenzel Hollmann, aber es ist eine Anzeige eingelaufen, Sie brächten eine neue silberne Dose über die Grenze.“

      Ein Schrei aus Wenzels Mund. Und schon flog ein Bündel blaues Florpapier auf die Strasse, und aus dem Papier heraus flog eine neue silberne Dose.

      Wir glaubten alle, nun müsse die Welt untergehen. Wenzel, der gefürchtete Grenzer, das Muster von Gewissenhaftigkeit und unnachsichtlicher Strenge, war beim Schmuggeln ertappt worden.

      Er stieg aus dem Wagen

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