DIE VERSCHWÖRUNG DER SCHATTEN. Sören Prescher

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DIE VERSCHWÖRUNG DER SCHATTEN - Sören Prescher

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Sekunde lang, dann drehte er sich abrupt um und rannte so schnell er konnte zu mir zurück. Entweder war er zornig oder auf der Flucht. Keine der Möglichkeiten gefiel mir. Ich wollte Gas geben, aber etwas hielt mich zurück. Bevor ich mich versah, riss er die Beifahrertür auf.

      »Fahr! Schnell! Sie dürfen uns nicht erwischen.« Eine Sekunde später hatte er bereits von innen die Tür verriegelt.

      »Wer darf uns nicht erwischen?«

      »Die dunklen Männer. Sie werden gleich hier sein. Dann sind wir verloren.« In seinen Augen sah ich so viel Panik, wie nie zuvor in meinem Leben. »Los, schnell!«

      Ich verstand nach wie vor nicht und lugte an ihm vorbei in die Seitenstraße. Da war nichts außer Schwärze. Im selben Moment wie ich mich genervt abwenden wollte, fiel mir in der Finsternis eine Bewegung auf. Ich sah nicht genau, was es war, aber es genügte, dass sich meine Nackenhaare aufstellten.

      Gleichzeitig musste ich an die geheimnisvollen Helden denken, die mir vergangene Nacht das Leben gerettet hatten. Allerdings vertrug sich diese Erinnerung überhaupt nicht mit dem, was Mr. Schwach-und-Ausgemergelt gesagt hatte.

      »Los, fahr schon!«, erinnerte er mich. »Wenn sie uns erwischen, sind wir beide verloren. Dann ist alles vorbei.« Seine Worte beunruhigten mich und setzten sich weiter unter Druck. Wer auch immer die Verfolger waren, es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis sie den Buick erreichten.

      Hastig legte ich den Rückwärtsgang ein und stieß einige Meter zurück. Als der Wagen wieder nach vorn schoss, waren die Schatten unglaublich nah. Normalerweise hätten die Verfolger spätestens jetzt deutlich sichtbar sein müssen, doch ich sah nichts außer Schemen in der Dunkelheit.

      Wie konnte das sein?

      Ich spürte, wie sich mir die Härchen entlang der Wirbelsäule aufrichten. Mein Magen verkrampfte sich. Die Panik meines Beifahrers sprang auf mich über, obwohl ich nicht einmal wusste, wovor wir eigentlich flohen.

      Minutenlang düsten wir kreuz und quer durch die Stadt. Erst nach einer Million Querstraßen und Abzweigungen verschwand die Gänsehaut. Mein Begleiter sah ebenfalls entspannter aus, völlig beruhigt wirkte er aber nicht. In seinen Augen stand nach wie vor deutlich die Angst geschrieben und ich überlegte, ob sie möglicherweise vom ersten Moment unseres Treffens an da gewesen war.

      Die Lust auf ein kühles Bier war mir vergangen. Stattdessen dürstete es mir nach Antworten auf eine Menge offener Fragen. Ein Happen Essen wäre ebenfalls nicht schlecht. Letzteres hatte für mich Priorität, denn mit vollem Bauch konnte ich besser nachdenken. »Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber mir hängt der Magen in den Kniekehlen.«

      Keine Reaktion. Sein ausgemergeltes Gesicht sagte allerdings mehr als tausend Worte.

      »Wann hast du das letzte Mal was gegessen?«

      Er zuckte mit den Schultern und starrte aus dem Fenster. Er schien jede Straße und Gasse nach möglichen Verfolgern abzusuchen. In dem Moment tat er mir einfach nur leid und ich beschloss, ihn einzuladen. Vielleicht nicht unbedingt ins teuerste Restaurant der Stadt, denn das gab mein Geldbeutel nicht her. Außerdem trugen weder er noch ich die dafür passende Kleidung. Ein Besuch in einem Burgerlokal dürfte allerdings drin sein.

      Nahm ich an, doch als ich beim nächsten Wendy's auf den Parkplatz einbogen, schüttelte er den Kopf. »Da geh ich nicht rein. Wahrscheinlich gibt es überall Kameras. Außerdem weiß man nie, wer sich dort herumtreibt.«

      Die Antwort ließ tief blicken, aber ich vermied die Diskussion bewusst. Ich stoppte lediglich den Wagen. »Irgendwas müssen wir essen.«

      »Nicht hier drinnen.«

      Zwei Sekunden dachte ich über seine Worte nach, dann lenkte ich den Buick zum Drive-in. Schließlich hatte er nur gesagt, dass er nicht ins Schnellrestaurant wollte. Als mein Beifahrer sah, was ich vorhatte, schmunzelte er leicht. Ich deutete es als Zustimmung.

      Während wir auf das Bestellterminal zurollten, erfuhr ich, dass mein neuer Freund Norman Hancock hieß. Ich nannte ihm meinen Namen und bot ihm an, mich Nat zu nennen. Schließlich taten das alle.

      Mit dem Geruch der Hähnchenburgermenüs in der Nase lenke ich den Buick durch eines der letzten Gettogebiete, bevor das Industriegebiet begann und den Stadtrand einläutete. Wir passierten schäbige Mietkasernen, die spätestens zur Jahrtausendwende hätten saniert werden müssen. Die Gegend selbst war ebenso schmutzig wie ungemütlich und vom Stadtrat vermutlich komplett vergessen. Niemand, der klar bei Verstand war, trieb sich hier abends allein auf der Straße herum. Aber selbst bei den entgegenkommenden Autos konnte man nicht sicher sein. Drive by shooting funktionierte nicht nur in Richtung Bürgersteig.

      Entsprechend nervös waren die Blicke, die ich auf Wagen und Fußweg warf. Die Häuserwände waren voll mit den Graffiti rivalisierender Straßengangs. Aber vielleicht war da noch mehr. Für einen Moment vergaß ich meinen Hunger. Heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit hatte ich mich ständig nach der Krakelei umgeschaut, die mir gestern Abend aufgefallen war. Zweimal hatte ich sie entdeckt. Warum es mich überhaupt interessierte, wusste ich nicht. Wahrscheinlich, weil ich noch immer nach einem tieferen Sinn darin suchte.

      Als ich den Schriftzug nirgendwo erblickte, nahm ich an, die Hobbypoeten hätte sich in diesen Teil der Stadt noch nicht vorgewagt. Dann stach es mir ins Auge. Es war zweifelsohne nicht dieselbe Handschrift, und in neongrün hatte ich es bislang auch nicht gesehen, aber die Worte an der brüchigen Ziegelsteinmauer waren definitiv dieselben: Der König ist tot.

      »Da ist es wieder. Meine Lyrikfreunde sind sehr tüchtig.«

      »Bitte was?«

      »Ach, nix. Ich habe mich nur gewundert, wo ich diesen Spruch überall lese.« Ich zeigte auf den Satz, den ich nun bereits zum fünften Mal zu Gesicht bekam. »Man könnte annehmen, die Worte verfolgen mich. Seit gestern lese ich sie ständig.«

      Norman schaute an mir vorbei aus dem Fenster, aber wir waren zu schnell unterwegs, als dass er das Graffiti noch hätte lesen können. »Was war das denn für ein Spruch?«

      »Ach, nix Wichtiges. Der König ist tot. Das steht ständig irgendwo. Ist vermutlich bloß die Werbung zu einem neuen Film oder Computerspiel.«

      »Oh, nein.« Sein ohnehin blasses Gesicht wurde schlagartig kalkweiß. Die Augen weiteten sich und sein Kopf zuckte wie bei einem epileptischen Anfall.

      »Alles in okay bei dir? Was hast du?« Einmal mehr bekam ich es mit der Angst zu tun.

      Er reagierte nicht und starrte mit einer Miene aus dem Fenster, als hätte er gerade vom Weltuntergang erfahren. Fünf Sekunden später sank er wie ein nasser Sack auf den Beifahrersitz zurück. »Nein, das kann nicht wahr sein. Noch nicht.« Er schien am Ende zu sein. Sowohl körperlich, als auch geistig. Was mich betraf – ich verstand wieder mal nur Bahnhof. »Was kann nicht wahr sein?«

      Seine Lippen zitterten wie die eines alten Mannes. »Es ist zu spät. Wir sind verloren. Jetzt kann sie niemand mehr aufhalten.«

      »Wen kann niemand mehr aufhalten? Was ist zu spät?« Mehr als zuvor wollte ich Antworten, denn je bestürzter und fassungsloser Norman aussah, desto banger wurde auch mir. Am schlimmsten war jedoch, dass ich nicht einmal wusste, wie ich auf all das reagieren sollte. So viele seltsame Dinge waren seit gestern geschehen. Bestand ein Zusammenhang? Einmal mehr befürchtete ich, kurz vor dem Durchdrehen zu stehen.

      »Das kann nicht sein«, flüsterte Norman immer

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