DIE VERSCHWÖRUNG DER SCHATTEN. Sören Prescher

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DIE VERSCHWÖRUNG DER SCHATTEN - Sören Prescher

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Minuten lang schwiegen wir. Die einzigen Geräusche kamen von den Rädern, die über die schlecht asphaltierte Straße donnerten. Der Motor tuckerte leise vor sich hin. Die Zahl der Wohnhäuser nahm weiter ab, dafür stieg die Anzahl leer stehender Fabrikhallen und wild wuchernder Pflanzen. Wir befanden uns am Stadtrand.

      Weit weg von dunklen Männern und geheimnisvollen Graffiti. Unser Ziel war ein vor Jahren Pleite gegangenes Motel, an dem der Zahn der Zeit wie verrückt genagt hatte. Als ich den Buick auf den verlassenen Parkplatz daneben lenkte, sah ich, dass die Fensterscheiben des Hauses eingeworfen und die dünnen Holzwände fleckig wie die Unterhosen eines Kleinkindes waren. Ein lauschiges Plätzchen, an dem wir hoffentlich ungestört bleiben würden.

      Normans Blick blieb skeptisch, aber das war mir egal. Wenn er keine Kameras und sonstige ungewollte Aufmerksamkeit haben wollte, war dieser Platz ideal. Ich parkte den Buick mit Blick zur Straße, direkt unterhalb einer schwach leuchtenden Laterne.

      Für den Moment waren bloß die Gockelburger relevant. Normalerweise war ich kein großer Freund von Fast Food, aber im Augenblick hätte ich eine lädierte Schuhsohle samt schweißgetränkter Socke verdrückt. Norman schien es ähnlich zu gehen. So schnell, wie er sein Essen verschlang, hatte er wahrscheinlich seit Tagen nicht viel zu sich genommen.

      Als die Fensterscheiben beschlugen, kurbelte er die Scheibe auf der Beifahrerseite einen Spaltbreit herunter. Ein kühler Luftzug blies den Hähnchenmief nach draußen.

      Norman wusste, dass ich ein paar Antworten haben wollte. Dennoch zögerte er und hätte wohl weiterhin geschwiegen, hätte ich das Thema nicht angesprochen. Er nickte und starrte mit angespannter Miene hinaus in die Finsternis.

      »Die Leute, die mich verfolgen, nenne ich die dunklen Männer. Keine Ahnung, wie sie wirklich heißen. Ich weiß nicht, ob oder was du von ihnen gesehen hast. Meistens sind sie bloß Schatten, die in und aus der Finsternis auftauchen. In der Regel an Orten, wo du sie nie vermutet hättest. Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, wie sie es anstellen, aber sie scheinen immer ganz genau zu wissen, wo ich mich aufhalte. Zumindest so lange ich mich in der Stadt unter freiem Himmel aufhalte. In Gebäuden haben sie ihre Schwierigkeiten. Keine Ahnung, wie das mit Autos und völlig abgelegenen Gebieten ist.«

      »Diese dunklen Männer …«, begann ich. Abermals dachte ich an den Überfall von letzter Nacht und meine unbekannten Retter. Auf sie traf die Beschreibung ebenfalls zu.

      »Sie scheinen nicht nur aus der Finsternis aufzutauchen, sondern ein Teil davon zu sein. Ihre Gesichter habe ich nie vollständig gesehen, immer nur Andeutungen. Sofern überhaupt. Die Nacht ist ihr Verbündeter. Je dunkler es ist, desto stärker sind sie. Und sie sind überall. Etliche Male haben sie mir aufgelauert und zweimal bin ich nur knapp mit dem Leben davon gekommen. Ich kannte andere, die weniger Glück hatten.«

      Die letzten Worte sprach er im Flüsterton und machte sie damit noch unheimlicher. Ein Schauer jagte mir den Rücken hinab. Je länger ich darüber nachdachte, desto überzeugter war ich, diese mysteriösen Männer ebenfalls getroffen zu haben. Allerdings unter völlig anderen Umständen. Sie waren keine Feinde, sondern meine Beschützer gewesen. Ohne sie wäre der Kampf mit dem Skimaskenräuber vielleicht ganz anders ausgegangen. Was mir allerdings jetzt erst auffiel: Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie die hilfsbereiten Schwarzträger meinen Angreifer überhaupt ausgeschalten hatten. Alles war viel zu schnell gegangen. Doch das war für den Moment meine geringste Sorge. »Wovor bist du auf der Flucht?«

      Er blähte die Backen auf. »Schwer zu sagen. Obwohl es im Grunde genommen so simpel ist. So lange der König lebte, war alles in bester Ordnung. Jetzt ist er tot und alles wird sich ändern. Nichts kann sie jetzt noch aufhalten.«

      »Welcher König? Wer kann nicht mehr aufgehalten werden? Und warum? Was wird sich ändern?«

      »Alles.« Er hielt inne und sein Blick huschte unruhig von einer Fensterseite zur anderen. »Hast du das auch gehört?«

      »Was soll ich gehört haben? Hier ist doch …«

      Weiter kam ich nicht. Norman unterbrach mich mit einem knappen aber ebenso bestimmten »Pscht!«. Widerwillig lauschte ich der Stille um uns herum. Doch wie sehr ich mich auch anstrengte, ich vernahm lediglich das Heulen des Novemberwindes. Und der klang so vertraut wie eh und je.

      »Hier ist nichts«, flüsterte ich, aber Norman starrte unbeirrt aus dem Fenster. In diesem Moment erschien er mir wie ein Geisteskranker. Wen zum Teufel hatte ich mir da ins Auto gelassen? Wie wurde ich ihn wieder los? Allerdings besaß er das Talent, mich mit seiner panisch-verrückten Art anzustecken.

      Das schafften sonst nur wenige.

      Ich lauschte ebenfalls mit gespanntem Blick in die Dunkelheit. Mit dem gleichen Erfolg wie zuvor. Da war nichts und würde wahrscheinlich auch nie was sein.

      Doch halt!

      Gerade als ich meine Fragen wiederholen wollte, vernahm ich ein leises Rascheln, das ich normalerweise überhört hätte. Es klang, als würde eine alte Zeitung oder Laubblätter herumgeweht werden. Mein Begleiter schien in sich zu schrumpfen und suchte die Außenwelt mit zu Schlitzen verengten Lidern ab.

      »Vielleicht war es nur der Wind«, versuchte ich, das Geräusch zu verharmlosen, glaubte aber von Sekunde zu Sekunde weniger daran. Das Rascheln klang anders … irgendwie fremd. Verflucht, warum hatte ich überhaupt hier draußen geparkt? Der Lichtkegel der Straßenlaterne reichte keine fünf Schritte.

      Alles, was ich sah, war eine flüchtige Bewegung. Möglicherweise von einem umherstreunenden Tier. Möglicherweise nicht.

      »Hast du das gesehen?«, fragte Norman leise. »Wir fahren besser.«

      Ich spürte ein unangenehmes Kribbeln. Zuerst nur in den Fingern, wenig später ebenso im Bauch. In der Innenstadt gab es so viele beleuchtete Plätze. Wenn das, was Norman sagte, stimmte, war die Dunkelheit im Augenblick sein beziehungsweise unser größter Feind. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wieso hatte Norman dann nichts gesagt, als wir zum Stadtrand fuhren? Hatte er tatsächlich geglaubt, dass wir im Auto sicher wären?

      Ich sehnte mich nach Licht, selbst eine dünne Taschenlampe wäre mir recht gewesen … Taschenlampe? Licht? Augenblick! Wieso zum Teufel war ich nicht früher darauf gekommen? Jeder verdammte Idiot hätte zuallererst an die Autoscheinwerfer gedacht. Sofort behob ich meinen Fehler, wünschte mir aber noch im selben Atemzug, es nicht getan zu haben.

      Da draußen befand sich tatsächlich etwas. Es bewegte sich auch nicht bloß von einer Seite her, sondern schien aus allem Richtungen gleichzeitig zu kommen. Manchmal wirkte es wie Nebelschwaden, mal wie verschiedene Personen. Nichts, was sich tatsächlich erkennen oder zuordnen ließ. Dennoch genügte es, mich noch mehr einzuschüchtern. Mein Mund wurde staubtrocken und mein Puls raste.

      Ich wollte das alles nicht und hätte in diesem Moment lieber bei Joes eine Saalrunde geschmissen, als hier zusammen mit Norman in der Finsternis zu hocken. Sämtliches Blut war aus meinen Händen gewichen.

      Plötzlich wurde das Bild klarer. Abseits der grellen Scheinwerfer stand sie: Undefinierbare Gestalten, alle in Finsternis gehüllt, so als wären sie ein Teil davon. Mal sah ich die Andeutung eines bleichen Kinns oder einer Stirn, jedoch nie das komplette Gesicht.

      Ein wenig erinnerten sie mich an die Nazgûl, die Ringgeister aus Tolkiens Der Herr der Ringe. Keine besonders angenehmen Zeitgenossen, wenn ich mich recht an die Verfilmung erinnerte.

      Es wurde noch schlimmer: Die Lehren von Optik und Licht schienen nicht mehr zu stimmen. Mein an Naturgesetze glaubendes

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