Abschied von Askalon. Eva Rechlin

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Abschied von Askalon - Eva Rechlin страница 14

Abschied von Askalon - Eva Rechlin

Скачать книгу

wendete sie sich Tobija zu.

      »Ich furchte, der gute alte Samuel ist ein wenig eifersüchtig auf uns zwei? Du gehörst in dieses Haus – und es ist ja nicht unser einziges, weißt du? Alles wird dir gehören, wenn du es nur willst!«

      »Und Debora«, erinnerte sie Tobija. Ihre Hand wurde schlaff, doch das Lächeln hielt sie durch:

      »Gewiß, auch Debora, wenn sie will. Mit Mädchen, weißt du, bin ich vielleicht unwillkürlich vorsichtiger, seit das mit Kora passierte. Aber was sage ich da! Ich sehe dir an, was du meinst: Debora ist anders. Erzähle mir von ihr.«

      »Gern… äh, wie soll ich dich nennen?«

      »Was für eine Frage? Tante!«

      »Einfach nur Tante?«

      »Ich bin deine Tante Agatha, oder gibt es noch andere, die sich einmischen könnten? Von deinem Vater etwa?«

      »Nein. Debora und ich leben seit Mutters Tod bei unsern Pflegeeltern Sebastian und Miriam. Sie haben ein kleines Gehöft mit Landwirtschaft: Oliven, Pistazien, Mandelbäume, Obst, etwas Weinbau. Und selber drei Kinder, Eva, Abel und David.«

      »O weh, hoffentlich genügend Vieh und Acker für so viele hungrige Mäuler?«

      »Hungern mußten wir bei ihnen noch nie. Miriam hat Mutter gepflegt. Sie war sehr krank, schon lange…« Tobija blickte unsicher auf seine Tante, ob es sie interessierte, von Kora zu hören, denn sie ließ plötzlich achtlos seine Hand los, griff wie in Gedanken in den halbrunden Ausschnitt ihrer Tunika und beförderte eine Handvoll klirrender, blinkender Goldketten und Klunker nach außen, ordnete sie um Hals und Borten und murmelte:

      »Daran muß ich mich erst gewöhnen. Ich muß ja jetzt auch die von meiner armen Schwester tragen, zum Gedächtnis. Aber sprich weiter, Kind! Was sagtest du zuletzt? Ach ja, von deiner Schwester wolltest du mir erzählen. Wie sieht sie aus?«

      »Wie unsere… ja, sie ist genauso hübsch, und wir wurden beide genau gleich erzogen. Also lernte und studierte Debora genau so viel wie ich. Ist das Gold? Dein Schmuck, meine ich. Die Ketten und Ringe und Armreifen…«

      »Was sonst? Selbstverständlich Gold und echte Juwelen. Du wirst es rasch lernen, echt von unecht zu unterscheiden. Ich werde dir alles zeigen! Das bißchen Alltagsschmuck hier ist nur ein winziger Bruchteil. Solange ich noch in Trauer bin, kann ich mich schließlich nicht aufzäumen wie ein Roß beim Wagenrennen.«

      »Gibt es hier etwa Wagenrennen?«

      »Oh, so war das nicht gemeint! Nein, nein, keine Rennen, keine Gladiatorenspiele und die übrigen römischen Laster. Wir sind in Ägypten! Das alexandrische Bürgerrecht gilt mehr als das römische. Ja, einen echten Alexandrier mache ich aus dir! Was schaust du dauernd zu Samuel hinüber?«

      »Samuel ist mein Vormund…«

      »Und ich deine Tante, deine einzige Verwandte. Was hat Samuel dir schon zu bieten?«

      »Darum geht es nicht!«

      »Um was sonst? Ich biete dir ein Elternhaus, und was für eins! Ganze Straßenzüge hängen daran! Gib es zu, Samuel, was hättest du dagegen zu bieten?«

      Samuel zeigte seine leeren Hände.

      »Darum geht es nicht!« rief Tobija beschwörend hinüber. »Ich will es richtig verstehen, ich will es richtig machen. Mein Weg wird es sein, Samuel, meiner! Setz mich nicht einfach so aus.« Tobija sprang von den Seidenpolstern auf und zu Samuel, warf sich ihm an die Brust, umschlang mit beiden Armen den gebeugten Nacken des alten Mannes und barg sein Gesicht an dessen rot und weiß umhüllter Schulter. »Hilf mir«, stammelte er, »es ist zu neu, zu anders. Hilf mir!«

      »Ja ja«, sagte Samuel, »du hast es dir einfacher vorgestellt? Warst nicht du selber es, der diesen Weg wählte?« Er klopfte Tobijas Rücken, strich ihm über das dichte, dunkle Haar und blickte hinüber zu der Frau auf den Polstern, die die Szene achselzuckend verfolgte, als fragte sie: »Habe ich etwas falsch gemacht?«

      »Genug, Agatha, es reicht. Köder benutzt nur, wer Fallen stellt. Ich habe dich gewarnt: Unterschätze auch Tobija nicht!«

      Im Nu war wieder das Tränentuch in ihrer Hand. Sie preßte es gegen den Mund, daß ihre Stimme wie erstickend klang:

      »Alle Liebe biete ich ihm, alle Liebe meines einsamen Alters! Und du wagst, meine besten Gefühle Köder zu nennen? Wenn ich dir jetzt nicht die Tür weise, Samuel, dann nur aus Rücksicht auf dieses Kind! Du weißt nur zu gut, wie weich sein Herz ist, wie mitfühlend! Aber du gönnst ihn mir nicht. Nicht einmal diesen einzigen Trost gönnst du mir in meinem unsäglichen Schmerz um meine Angela! Ist es zu fassen? Ich halte das nicht aus, deinen Neid, deine Herrschsucht über die unmündigen armen Waisen! Es tut weh… zu weh… bitte, meine Zofe! Um Himmels willen, so ruf mir Kamilla! Mein Herz…! Ich gehe zugrunde vor…« Ihre Stimme erstickte. Sie griff sich an die Brust, ihre Hand krallte sich um die feinen Tuchfalten über ihrem Herzen, dann sank sie mit einem Schluchzen auf die Polster und blieb mit geschlossenen Augen schwer atmend liegen.

      Tobija drehte sich um und sah entsetzt, wie sie dalag, wie ihre Hand mit dem Tränentuch schlaff herabbaumelte.

      »Hilf ihr, Samuel, hilf doch!«

      »Geh an die Treppe und rufe Kamilla, wahrscheinlich triffst du sie bereits im Gang.«

      Samuel blieb sitzen, sprang nicht einmal auf, sondern blickte ruhig zu Agatha hinüber. Er schien keine Spur besorgt. Tobija traute seinen Augen nicht.

      »Sie könnte sterben, Samuel! Und du betest nicht einmal?«

      »Sie denkt nicht daran, zu sterben. Ruf Kamilla, du kommst mit mir.«

      »Nicht einen Schritt, solange sie womöglich stirbt!«

      Tobija hastete hinaus auf den Gang und stieß fast mit Agathas Leibsklavin zusammen. Er brauchte ihr nichts zu sagen. Mit einem Fläschchen in der Hand trat Kamilla energisch an Agathas Lager. Samuel war aufgestanden. Er wollte Tobija aufhalten, der der Sklavin besorgt folgte. »Kann ich helfen? Man muß einen Arzt rufen! Sag mir, was ich tun kann, bitte!«

      Sie blickte sich kurz nach ihm um und deutete zur Tür: »Männer sind jetzt hier überflüssig. Sag deiner Herzensfreundin Monika, sie soll das Übliche veranlassen.«

      Samuel hatte das Zimmer bereits verlassen. Tobija rannte an ihm vorbei zur großen Treppe, rief durch die Halle nach Monika, die bereits mit Wasserkrug und Schüssel aus dem Gesindetrakt kam. Auch sie zeigte keinerlei Erschrecken, als wäre alles längst und oft erprobt.

      »Nur keine Panik«, sagte sie im Vorbeihuschen, »und merk dir das für das nächste Mal…« und war augenblicklich im Zimmer ihrer Herrin verschwunden. Mit hängendem Kopf blieb Tobija an der Treppe stehen. Nicht einmal die Hunde unten rührten sich! Und er wußte doch, wie ahnungsvoll Hunde reagieren konnten, wenn es sich um ihr Herrchen oder Frauchen handelte. Was ging hier vor? Er verstand es nicht! Er hörte Samuels Schritte kommen, dann spürte er dessen Hand auf seiner Schulter und hörte sein leises:

      »Komm.«

      »Wohin? Es könnte so einfach sein, wenn du nicht… ach, wenn es nicht alle immer so gut mit mir meinten! Einmal im Leben möchte ich herausfinden, wie ich es selber mit mir meine.«

      »Dann

Скачать книгу