Abschied von Askalon. Eva Rechlin

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Abschied von Askalon - Eva Rechlin

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ihr Beichtvater? Ein Wanderprediger? Angela und gelitten – sie, die alles hatte? Mein Hand hätte ich mir abschlagen lassen, wenn es ihr Leben verlängert hätte! Jeden Wunsch habe ich ihr von den Augen abgelesen… Was siehst du mich an? Darf ich vielleicht meine bescheidenen Verdienste nicht erwähnen? Ich habe meiner Schwester bis zur Selbstaufgabe gedient! Sie war der Inhalt meines Lebens.«

      »So such dir einen neuen, Agatha. Du hast alle Möglichkeiten, weiterhin Gutes zu tun.«

      »Ja ja, keine Sorge, daß ich die üblichen Spenden vergesse. Deswegen bist du nur hergekommen, auffallend schnell.

      Wolltest du nicht erst im Winter wiederkommen? Ich habe ein gutes Gedächtnis, Samuel. ›Wenn es kühl ist und bevor der Chamsin ausbricht!‹, hast du bei deinem letzten Besuch gesagt.«

      Samuel wich aus: »Es war wohl so eine Ahnung. Und vielleicht hilft es dir ein wenig.«

      »Ach ja, schon gut, ich leugne es ja nicht. Mit wem sonst könnte ich so offen über alles sprechen? Seit über dreißig Jahren kennen wir uns. Zwar hast du uns damals unsere Kora fortge…« Die Tante stockte mitten im Satz, als fiele ein völlig neuer und unerwarteter Gedanke über sie her, und schon wurde ihre etwas monotone Stimme wieder laut: »Kora! Kora hatte doch Kinder! Gütiger Himmel, wie konnte ich das vergessen? Einen Sohn hatte sie und eine Tochter. Stehen sie nicht ganz allein in der Welt? Und du bist ihr Vormund, Samuel! Wie alt mögen sie sein? Warte mal… Kora verließ uns vor sechzehn Jahren, als sie diesem judäischen Hungerleider nachlief, und das erste Kind muß bald danach gekommen sein. Samuel, warum erinnerst du mich nicht an Koras Kinder? Was können sie für die Verfehlungen ihrer Eltern? Sie sind mit deren frühem Tod genug bestraft. Koras Kinder sind meine einzigen Verwandten! Zwei unschuldige Waisen…« Der Lauscher draußen im Gang rutschte langsam an der Wand hinunter auf die Knie. Er versuchte, sich die Ohren zuzuhalten und konnte zugleich nicht genug hören. Endlich besann sie sich auf ihn – holte ihn wie aus dem Nichts in ihr Bewußtsein, ihn und seine Schwester Debora. Er nahm die Hände von den Ohren und hörte seinen Vormund gerade sagen:

      »Tobija und Debora sind keine Wilden! Kora und Simon haben sie sorgfältig erzogen, in ganz Askalon gibt es kaum gebildetere und höflichere junge Menschen. Sie sind keine kleinen Kinder mehr, die du dir zurechtbiegen müßtest; es hätte sie ja auch nur verbiegen können. Sie sind alt genug, um selber entscheiden zu können.«

      »So laß sie entscheiden, Samuel! Oh, es ist unerträglich, daß ein Provinzler wie du die Vormundschaft über die Kinder hat. Was verstehst du von dem Leben, das ich ihnen bieten kann? Meine Verwandten sind sie, mir stehen sie zu!« »So plötzlich, Agatha? Von heut auf morgen?«

      Tobija draußen fuhr zusammen, als träfe ihn ein Blitzschlag. Doch es war nur eine dunkle Hand, die von oben her nach seiner griff und ihn heraufzog. Die nubische Sklavin Monika mußte sich lautlos zu ihm geschlichen haben. Wie lange stand sie wohl schon neben ihm in der schattigen Schlucht des langen Flures? Ihr unvermutetes Auftauchen weckte einzig Scham, so daß er ihrem festen Zugriff verwirrt folgte. Die Stimmen aus Tante Agathas Zimmer blieben zurück und wurden undeutlich. Erst an der großen Treppe hielt Monika an und flüsterte ihm zu:

      »Zieh deine Schuhe wieder an, Tobija.«

      »Du weißt…?«

      Sie nickte: »Damals war ich jünger als du, trotzdem erinnere ich mich gut an deine Eltern. Ich habe Kora und Simon von Anfang an in dir wiedererkannt.«

      Aufsässig fuhr es ihm durch den Kopf:

      »Dann laß mich los! Dann weißt du ja, wer ich bin!« Monikas Griff um Tobijas Handgelenk war eher noch fester geworden, und sie schüttelte den Kopf:

      »Samuel hat mir aufgetragen, dich im Auge zu behalten.«

      »Ich bin nicht Samuels Hund!« fuhr Tobija auf und versuchte, sich loszureißen.

      »Nicht so laut!« warnte sie. »Er meint es gut mit dir, das weißt du sehr genau.«

      »Das habe ich gerade gehört! Er ist alt, außerdem seit Angelas heimlichem Brief zerfahren und unentschlossen, erst recht, seit er weiß, daß sie tot ist. Laß mich endlich los!«

      »Was hast du vor?« fragte sie mißtrauisch.

      »Die Sandalen schnüren. Hast du mich zu verhören, eine Sklavin?«

      Sie gab ihn frei, blieb jedoch argwöhnisch dicht bei ihm stehen. Weiter hinten im Zimmer war es ruhig geworden. »Sie haben uns gehört!« flüsterte Monika warnend. Tobija band ruhig seine Schuhriemen fest und sagte laut:

      »Wenn schon! Einer muß ja den ersten Schritt tun.« Seine aufgebrachte Stimme hallte durch den hohen, weiten Gang, als er fortfuhr: »Ich habe nichts zu fürchten und nichts zu verlieren. Mir geht nur endlich ein Licht auf, glaubst du an Zufälle?«

      »Leise, Tobija! Was soll das?«

      »Stell dir vor, der Brief wäre nur einen Tag später nach Askalon gekommen und ich bereits mit den Fischern unterwegs – war das Zufall?«

      »Hör auf, von dem Brief zu reden! Auch für mich steht allerhand auf dem Spiel. O Herr, laß es nicht zu spät sein – sie kommen.«

      Tobija bückte sich zu seinen Sandalen.

      »Was ist los?« rief Agatha aufgebracht. »Ein Dieb? Wo sind die Hunde!«

      Tobija richtete sich auf, stellte sich vor Monika und blickte Samuel und seiner Tante selbstbewußt entgegen. Er fühlte sich nicht gerade mutig, auch nicht ruhig entschlossen, aber er wollte nicht länger passiv sein, sondern seinen eigenen Weg gehen. Was auf ihn wartete, konnte seiner Meinung nach nur sein Schicksal sein, und er war bereit, sich dem zu stellen. Samuel trat überrascht auf ihn zu:

      »Du, Tobi? Ist etwas passiert?«

      Tobija sah die fragenden Blicke der halb hinter Samuel stehenden Dame Agatha und stellte sich ihr kurzentschlossen vor:

      »Ich bin Samuels Begleiter aus Askalon.« Sie horchte auf: »Aus Askalon, soso. Wie alt?«

      »Gerade fünfzehn.«

      Ihr Augen wurden schmal. Samuel beugte sich vor und sagte hastig und gedämpft:

      »Es gibt Abmachungen zwischen uns, Tobi! Vergiß nicht…« Die hohe Stimme fiel ihm scharf ins Wort:

      »Was soll er nicht vergessen! Und wie nennst du ihn? Tobi? Doch wohl sein Kindername. Wie heißt du wirklich, junger Mann?«

      »Tobija.«

      Er fühlte, wie sich Monikas Hand hart um seine Schultern krallte, als müßte sie ihn zurückreißen, und er sah Samuels Gesicht zurückweichen, als wäre er von Tobija geohrfeigt worden, sah den fassungslosen Ausdruck in Samuels großen, braunen Augen mit den schweren Lidern. In Agathas Gesicht breitete sich langsam ein Lächeln aus, das Tobija beklommen wachsen sah; sie atmete tief durch und übernahm das Wort:

      »Mir scheint, hier gibt es einiges zu klären. Tobija aus Askalon, fünfzehn Jahre. Und deine Schwester… Debora, nicht wahr?«

      »Ist jetzt dreizehn«, antwortete Tobija. Er fühlte sich nicht überrumpelt. Er war ja bereit gewesen, auch wenn Samuels Blick ihn anklagte. Tobija versuchte, sich mit Blicken zu seinem Vormund hin zu verteidigen: Soll ich etwa unhöflich sein und mich mit Schwindeleien zum großen Geheimnis machen – warum? Er zuckte die Achseln,

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