Abschied von Askalon. Eva Rechlin

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Abschied von Askalon - Eva Rechlin

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mehrmals durch ihr dunkles Haar und ging vorsichtig um das Feuer herum.

      »Darf ich mich zu dir setzen, Samuel?« flüsterte sie.

      »Gern, Debora, gern.«

      Behutsam wälzte sie einen glatten Stein neben seinen. Ein Weilchen saß sie stumm und unsicher neben ihm, schließlich legte sie ihre kleine weiche Hand über seine große knochige.

      »Frag mich nur«, hörte sie ihn leise sagen, »was du mich fragen wolltest!«

      »Danke, Samuel. Du hast sie sehr lieb, Tante Angela? Und sie dich?« Sie vermied es, ihn anzusehen, bemerkte trotzdem, daß er sich ihr halb zuwandte und sie musterte. Prüfend? Argwöhnisch? Doch dann antwortete er: »Wahrhaftig, du bist alt genug. Ich hingegen komme dir dafür vermutlich zu alt vor? Aber die Liebe altert nicht, erst recht nicht, wenn sie länger als dreißig Jahre gefangen gehalten wird. Ja, ich liebe Angela.«

      »Hast du es ihr nie gesagt?«

      »Es hätte ihr Prüfungen abverlangt, für die sie zu zart war. In Gewissensnöte hätte es sie gestürzt! Was hätte sie dafür aushalten müssen?«

      »Du hast es ihr also nie gesagt?«

      »Sie wußte es, auch ohne Geständnisse. Es gibt ja wortlose Beweise. Ich bin sicher, sie wußte es, seit dreißig Jahren.«

      »Und sie? Liebte sie dich ebenso?«

      »Gehofft habe ich es immer, oft auch gespürt. Es zu wissen, ist eine andere Sache. Man braucht Beweise, Berührungen, Geständnisse, Zeichen. Dazu gehörte in unserem Fall mehr als Mut, fast schon Verzweiflung. In dieser Verzweiflung ließ ich sie allein. Ja, erst heute weiß ich, was Angela ausgehalten haben muß.«

      »Und du?«

      »Ich kann nur beten, sie noch lebend anzutreffen.«

      »Und wenn sie nicht mehr lebt?«

      Samuel schwieg, den Blick starr auf Kiesel und Sand zu seinen Füßen gerichtet, der in der sternhellen Mondnacht wie Kristallstaub schimmerte.

      »Und wenn sie nicht mehr lebt…, weil sie nicht mehr leben wollte, vielleicht. Nein nein: nicht mehr konnte! Du kannst das nicht verstehen, Kind.«

      »Nein«, gab Debora zu, »ich verstehe es nicht. Wenn man so reich ist, sich alle Wünsche erfüllen kann, keine Sorgen kennt – und… ist sie wirklich schwer krank? Wir haben manches über die Tanten erfahren, aber von Krankheit höre ich zum ersten Mal!«

      »Nein, nein, von schwerer Krankheit kann keine Rede sein. Eure Tante Angela neigt höchstens zu gewissen Anfälligkeiten, besonders gegenüber Speisen. Es kommt jedesmal wie aus heiterem Himmel, ich habe es schon miterlebt: Eben noch speiste sie mit Appetit und gut gelaunt, und dann, wenig später diese Übelkeit, Schmerzen, Koliken, oft Erbrechen. Wie kläglich lag sie jedesmal da! Trotzdem ließ sie es nicht zu, daß ein Arzt gerufen wurde.«

      »Ich finde, das klingt sehr krank«, erwiderte Debora.

      Samuel schüttelte den Kopf:

      »Es peinigt sie nicht ständig. Es kommt nur hin und wieder und geht ebenso vorüber. Was sie wirklich quält, sitzt tiefer. Von Mal zu Mal sehe ich sie daran… mehr verkümmern. Als versickere aus ihr alle Freude, alle Kraft. Wie ein Brunnen, der versiegt. Sie wehrte sich nicht mehr gegen Agathas Geschäftigkeit, obwohl es ihr oft auf die Nerven ging. Agatha ist von beherrschendem Wesen; die beiden sind sehr verschieden, die Ältere empfindsam, klug, kultiviert, leise, behutsam – die Jüngere in allem laut, aktiv, geschäftig, durchdringend. Das soll keine Abwertung sein. Ihr beide seid ja auch verschieden.«

      »Tobija und ich? Aber doch nicht so!«

      »Nicht so. In anderer Beziehung. Eure Tante Agatha ist deswegen ja nicht unsympathisch. Auch sie hat Qualitäten, gerade dank ihres energischen Wesens, vor allem ihre Anhänglichkeit, die Liebe zu ihrer älteren Schwester. Darum würde sie es auch nicht verwinden…«

      »Was, Samuel?«

      »Sie wird es nicht verwinden, die geliebte ältere Schwester zu verlieren.« Er schluchzte trocken auf, dann wandte er sich ihr zu und sagte leise: »Vielleicht wird es nötig, daß ich euch mitnehme nach Alexandria, dich und Tobija.«

      »Haben die Tanten jemals darüber gesprochen?« fragte sie atemlos.

      Samuel wich aus:

      »Angela könnte es jetzt zu sehr aufregen, falls sie noch… Nein, ich muß mich als erstes um sie kümmern. Nur um sie. Und auch mit Agatha darüber sprechen. Ach, Kind, wie sehr habe ich mich in mehr als dreißig Jahren jedesmal auf Alexandria gefreut! Wie glücklich brach ich auf… Zum ersten Mal habe ich Angst davor.«

      Debora legte ihre schmale, warme Hand auf seine, streichelte ihn sanft und versprach:

      »Wir lassen dich nicht allein, Samuel. Irgendetwas wird uns einfallen. Laß mich nachdenken…«

      Beide hatten nicht bemerkt, daß es sich hinter ihnen, zwischen Feuer und Felsbrocken rührte. Seit Minuten bereits lag Tobija wach und lauschte in die nächtliche Stille, in der einzig dann und wann ein brennender Ast knackte und das anfängliche Flüstern von Wächter und Wächterin längst zum gedämpften, zuletzt erregten Gemurmel geworden war. Lautlos richtete Tobija sich auf, horchte auf Thomas’ tiefe Atemzüge und war mit drei, vier großen Schritten neben Samuel, der ein wenig erschrak:

      »Du schläfst auch nicht? Für wen wache ich hier eigentlich? Wo mir die Eile unter den Sohlen brennt!«

      »Für Thomas. Er schläft fest.«

      »Und seit wann bist du wach?« wollte Debora wissen. Tobija sagte gedehnt:

      »Ein Weilchen, ich hörte euch reden…«

      »Was hörtest du?«

      »Jedenfalls so viel, daß wir Samuel nicht allein nach Alexandria lassen sollten. Und du brauchst gar nicht erst nachzudenken, Debora, mir ist sofort das einzig Richtige eingefallen: Ich werde Samuel begleiten!«

      »Nein, nein«, wehrte Samuel ab, »auf keinen Fall möchte ich Angela in dieser Situation Koras Sohn gegenüberstellen! Sie hat eure Mutter sehr geliebt, zeigte sich sogar verständnisvoll…«

      »Ach ja?« sagte Tobija bitter, »obwohl sie sich nie mehr um sie kümmerte? Mir sind diese reichen Tanten gleichgültig, Samuel, du nicht! Dich will ich begleiten! Du mußt mich keinem Menschen als Koras Sohn vorstellen.«

      Samuel hatte sich Tobija zugewandt und schien im Dunkeln in dessen Gesicht lesen zu wollen. Schließlich stellte er, halb fragend, fest:

      »Und der Fischerei könntest du damit noch einmal entkommen, wie? Es sollte mich wundern, wenn dir das nicht am wichtigsten wäre.«

      »Und wenn? Schadet es, wenn ich mich ein wenig in der Welt umsehe? Meinen Vater Simon hast du vor siebzehn Jahren auch nach Alexandria mitgenommen!«

      »Da war er freilich längst ein erfahrener Fischer.«

      Debora mischte sich ein:

      »Ich finde Tobijas Idee gar nicht übel. Mußt du deine Begleiter jedesmal den reichen Schwestern vorstellen?«

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