Abschied von Askalon. Eva Rechlin

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Abschied von Askalon - Eva Rechlin

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mag solches Gerede nicht. Was interessiert dich überhaupt ihr Alter?« erwiderte Tobija düster.

      »Mich interessieren meine Weggefährten, besonders wenn sie so reizend und gebildet sind wie ihr beide. Daß ihr füreinander eintretet, ist verständlich, nachdem ihr die Eltern so früh entbehren mußtet. Ist eure Mutter auch ertrunken?« »Nein. Sie hat Vaters Tod ja noch ein Jahr überlebt, aber frag mich nicht, wie! Kränklich war sie wohl von Anfang an, vielleicht auch nur zu zart für das harte Leben einer Fischersfrau. Die Tanten in Alexandria hatten sie sehr verwöhnt. Weißt du, sie hat viel von ihnen erzählt, denn es war ihr nicht gleichgültig, daß sie sie enttäuscht hatte, mit der Heirat, meine ich. Sie hat buchstäblich alle Brücken nach Alexandria hinter sich abgebrochen, so sehr liebte sie Simon. Kein Wunder, daß die reichen Tanten die junge Erbin verstießen.« Verstohlen musterte Thomas den Jungen neben sich und fragte:

      »Findest du das einleuchtend? Hätten die Tanten nicht Verständnis für das junge Paar haben können?«

      »Aber er war ein Fischer, Thomas! Kein kultiviertes Heim, keine vornehme Erziehung, keine wirtschaftliche Sicherheit. Er besaß nur ein einigermaßen seetüchtiges Fischerboot und die elterliche Hütte am Strand. Wie sollten die Tanten verstehen, daß Kora dafür alles zurückließ, was sie ihr zu bieten hatten? Ich meine, sie empfanden ihre Kusine Kora als undankbar. Meine Mutter hat es selber so genannt – undankbar!«

      »Hat Koras Geschichte nicht auch eine andere Seite?«

      »Ja, gewiß, dafür hat sie sich ja entschieden, aber findest du nicht auch, daß man beide Seiten verstehen muß? Einfach abgesprungen, ins kalte Wasser, trotz ihrer Zerbrechlichkeit muß sie eine riesige Kraft in sich gehabt haben. Meinst du nicht auch?«

      »Ihr Gewissen«, sagte Thomas.

      »Wäre denn jede andere Entscheidung gewissenlos gewesen? Sie war verliebt.«

      »Sie liebte, Tobija.«

      »Manchmal, stelle ich mir vor, kann Liebe auch ziemliche Verrücktheit sein, eine schöne Verrücktheit meinetwegen. Was aber hat das mit Gewissen zu tun? Ich sehe dir an, was du denkst, Thomas. Du denkst, daß es mir nicht zusteht, die Sache zu beurteilen.«

      »Hauptsache, du ver-urteilst nicht, Tobija. Eure Mutter konnte nur einen Weg gehen.«

      Tobija nickte, schwieg ein Weilchen, sagte schließlich leise: »Aber wir kommen in ihrer Geschichte auch noch vor. Wir, ihre Kinder.«

      »Und Simons Kinder!« mahnte Thomas.

      »Jaja, und Simons. Da kommen welche aus Ashdod.«

      »Von Süd nach Nord, wie wir. Immer noch kein bißchen müde, Tobija? Gut, dann behalte du die Straße im Auge. Ich strecke mich lieber für ein kurzes Nickerchen aus. Daß der Schatten so schmal fällt, ist nicht meine Schuld. Guck nicht wie ein Geier, ich komm’ ihr schon nicht zu nahe.« Schroff wandte sich Tobija zur Straße um und murmelte etwas, das Thomas, der sich neben die fest schlafende Debora im spärlichen Schatten auf den Boden legte, nicht verstand. Er reckte die Arme hoch, verschränkte die Hände hinter seinem Kopf und schloß die Augen. Still lauschte er Deboras tiefen Atemzügen.

      Nördlich von Ashdod querten die Römerstraße zwei Wadis, zu denen die drei jungen Leute wenig später aufbrachen. Statt zu schlafen, hatte Thomas nachgedacht und den Geschwistern erklärt:

      »Wenn Samuel Hirten oder Nomaden aufsuchen wollte, müssen wir ab hier in sämtlichen Wadis Bescheid geben, daß wir ihn suchen. Ach, statt zu schwatzen, hätten wir längst einige nordwärts Reitende darauf hinweisen sollen! Kommt, laßt uns das Versäumte nachholen. Notfalls müssen wir, um ganz sicher zu gehen, dort übernachten, wo die Straße auf ein Wadi trifft.«

      Debora blieb schläfrig, bis die lehmhellen Würfel der Häuser von Ashdod hinter ihnen im Sonnenglast verschwammen.

      »Ich möchte bloß wissen, weshalb du heute so müde bist«, knurrte Tobija, »das bißchen wäßriger Wein gestern abend kann’s nicht sein.«

      »So wäßrig war der gar nicht«, behauptete Debora, »außerdem bin ich nicht müde. Habt ihr nicht auch geschlafen?« »Und wie!« schwindelte Thomas. »Da kommen Reiter hinter uns. Anhalten!«

      Es war seit Ashdod das vierte Mal, daß sie Reitern ihre Suche nach »dem alten Wanderprediger Samuel« mit auf den Weg gaben.

      Als sie schließlich an das erste Wadi gelangten, mußten sie feststellen, daß die Straße über einen Knotenpunkt verlief, an dem sich drei ausgetrocknete Flußbetten mit ihren Geröllmassen zu einem Wadi vereinigten. Unschlüssig blieben die drei stehen. Was war zu tun!

      »Genau an diesem Knotenpunkt wollen wir unser Nachtlager aufschlagen und warten«, entschied der erfahrene Bote Thomas, »so oder so müßte Samuel hier vorbeikommen, ob von Norden oder aus einem der Wadis.«

      Sie suchten sich unter den im angeschwemmten Geröll herumliegenden Felsbrocken den größten aus. In seinem kargen Schutz und Schatten wollten sie lagern und dort die nötigen Äste für ein Feuerchen zusammentragen. Tobija kletterte auf den Felsbrocken, um sich einen Überblick zu verschaffen. Er beschattete seine Augen mit der flachen Hand, plötzlich rief er:

      »Zurück, Thomas! Zur Straße! Ich sehe ihn kommen!« Und er streckte seinen Arm nach Norden aus.

      Sie ließen ihre Vorratsbeutel bei dem großen Stein liegen und liefen an den Straßenrand. Ja, er war es, auch Debora erkannte von weitem die schmale Gestalt mit dem mannshohen Wanderstab.

      Samuel ging in weiße und rote Stoffbahnen gehüllt, die er wie einen losen Umhang auch über seinen Kopf zu ziehen pflegte. In seinem Alter war das nützlich bei jedem Wetter, hielt ihm brennende Sonne ebenso vom Leib wie Nässe, Kühle oder Wind. Sein spärliches Gepäck trug er in Beuteln unter der leichten Stoffülle seines Umhangs. Aber er ging nicht wie ein alter Mann, sondern hochaufgerichtet und zügig wie in Eile. Er mußte von Reitern gehört haben, daß man nach ihm suchte.

      »Er ist allein«, sagte Debora leise und lief ihm entgegen. Sie sah deutlich sein Erschrecken, als er sie erkannte. Aber sie lachte und winkte und rief schon von weitem: »Friede, Friede! Fang mich auf, Samuel, halt mich fest!«

      Er blieb stehen und öffnete weit seine Arme, in die sie sich lachend stürzte und zur Begrüßung sein silberstoppeliges Gesicht küßte: »Friede mit dir, Samuel. Und keine Sorge! Wir wollten dem Boten aus Alexandria nur den Weg zeigen.«

      Samuel drückte sie sanft an sich, strich ihr über das dunkle Haar und fragte:

      »Ist es Thomas? Er ist kein Anfänger auf dem römischen Straßennetz, da muß euch schon eine besondere Neugierde plagen! Sagtest du, aus Alexandria? Etwas Ernstes?«

      »Ein Brief. Gestern abend traf Thomas damit bei uns ein und wollte heute gleich weiter. Er ist nett. Kennst du ihn schon länger?«

      Debora ging neben Samuel, der sie von der Seite lächelnd musterte.

      »Daß er sehr nett ist, weißt du ja schon – was könnte ich dir also noch über ihn verraten?«

      »Später«, sagte sie hastig, weil die beiden jungen Männer sich näherten und den viel älteren respektvoll begrüßten. Samuel hielt Tobijas Hand kurz fest und fragte:

      »Wolltest du nicht längst bei den Fischern sein?«

      »Hätte

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