Abschied von Askalon. Eva Rechlin

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Abschied von Askalon - Eva Rechlin

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ans Feuer und iß! Ich räum’ das hier fort.«

      Sebastian zog den Gast an seine Seite, und Miriam bewirtete ihn mit Brot und Wein und einem halben Hühnchen: »Greif zu, Thomas! Siehst aus, als hättest du seit Alexandria nichts mehr zu dir genommen.«

      »O doch. Ich fuhr bis Gaza auf einem Küstenfrachter mit. Es gab fast vierzig Tage lang Fisch.«

      »Wie bei uns«, sagte eines der Kinder, »da hattest du Glück, daß du gerade heute kamst.«

      »Und was feiert ihr?«

      Thomas beobachtete, wie Eltern und Kinder fragend auf Tobija blickten, der in der Glut stocherte und neue Äste nachlegte, die sich knisternd mit bläulichen Flämmchen entzündeten. Auch Debora sah ihren Bruder erwartungsvoll an:

      »Sag du es ihm, Tobija!«

      »Was schon! Daß ich Fischer werde? Habe ich eine andere Wahl?«

      »Er hat es sich wirklich lange überlegt, ob auch er Fischer werden soll wie sein Vater Simon«, erkärte Miriam dem Gast.

      »Den das Meer sich holte«, erwiderte Tobija düster, »vor drei Jahren, so wie vor ihm den Großvater. Verstehst du, Thomas, daß mir die Entscheidung nicht leicht fiel? Ich bin vierzehn, andere in meinem Alter haben es längst gelernt!«

      Der selber noch junge Gast lächelte dem Jüngeren ermutigend zu:

      »Ich verstehe ja – es ist eine Entscheidung fürs Leben. Gott wird dich beschützen, Tobija, er ist Herr über das Meer und den Sturm.«

      Tobija nickte, halb spöttisch lächelnd, halb bitter, als dächte er: Das sagen sie alle. Dann blickte er den späten Besucher prüfend an und fragte:

      »Gibt es Neuigkeiten aus Alexandria? Was ist so wichtig für den guten alten Samuel? Ich kann’s mir denken – meine Tanten Angela und Agatha Eugenios schicken dich. Welche Gemeinde ist diesmal in Not?«

      Mit einem hilfesuchenden Blick zu Debora antwortete Thomas unsicher:

      »Deine Tanten?«

      »Du kannst ruhig offen reden. Alle hier wissen, daß unsere Mutter ihre ungetreue einzige, sehr viel jüngere Kusine war. Was also wollen sie von Samuel? Er ist unser Vormund!«

      Ruhig mischte sich Vater Sebastian ein:

      »Laß unseren Gast in Frieden speisen. Er soll reden oder schweigen, wie er es will. Du mußt wissen, Thomas, daß die beiden reichen Schwestern sehr viel Gutes tun. Sie versorgen viele christliche Gemeinden an Samuels Route mit Spenden, und zwar regelmäßig! Das ist nicht selbstverständlich. Wir alle sind ihnen dankbar.«

      »Ich nicht«, widersprach Tobija, »ich finde das selbstverständlich, wenn sie so reich sind. Hast du ihren Reichtum gesehen, Thomas? Du warst doch dort!«

      »Das sieht man nicht einfach so. Natürlich bewohnen sie ein großes Haus in bester Lage. Ihr Reichtum besteht überhaupt aus großen Häusern in sämtlichen Stadtvierteln, im ägyptischen, im jüdischen und die meisten wohl im vornehmen griechischen Viertel.«

      »Aber wohnen können sie doch nur in einem Haus«, meinte Sebastians Jüngster.

      Die Älteren lachten und klärten ihn auf:

      »Häuser kann man vermieten! Da brauchst du nicht mehr zu arbeiten. Die Häuser bringen das Geld von ganz allein. Wie viele Häuser sind es denn? Drei, fünf oder mehr?«

      »Viel mehr, ganze Straßenzüge, dazu viele Geschäfte. O ja, die Damen Angela und Agatha zählen zur besten Gesellschaft und sind hoch angesehen in Alexandria.«

      »Nicht nur in Alexandria«, versuchte Vater Sebastian das Thema zu beenden, »sondern auch bei uns hier im einstigen Philisterland. Von wo stammst du, Thomas?«

      »Aus der Römergarnison Aelia Capitolina.«

      »Aus Jerusalem, also bist du kein Jude? Ich meine, weil uns die Stadt doch verboten ist.«

      »Christen nicht. Entschuldigt, wenn mir plötzlich die Augen zufallen wollen. Seit dem Morgengrauen war ich unterwegs, den ganzen heißen Tag lang. Und morgen muß ich früh weiter…«

      Miriam und Debora standen auf, dem Gast ein Nachtlager herzurichten, doch er bat, im Hof schlafen zu dürfen, in der angenehmen Nachtkühle, gegen die ein einfaches Laken genüge. Er sei es gewohnt, auf Sand zu schlafen, wollte nicht einmal eine Strohschütte. Und die Gastgeber verstanden ihn: Genauso halte es auch der alte Samuel, jedenfalls in den Sommermonaten. Und da sie selber in dieser heißen Jahreszeit auf den flachen, ummauerten Dächern von Wohnhaus und Ställen schliefen, brachten sie nur die Ledertaschen von Thomas sicher im Hausinnern unter. Debora kümmerte sich darum. Es fiel Thomas auf, wie verständig sie Miriam in allem zur Hand ging, obwohl er sie nicht älter als zwölf oder dreizehn schätzte. Debora scheuchte die vom Essen träge gewordenen jüngeren Kinder auf das Dach, sie redete vor der Hofmauer beschwichtigend auf die Hündchen ein, zog das hölzerne Hoftor zu und verriegelte es, während Tobija mit den Wein- und Wasserkrügen im Hausinnern verschwand. Das noch glühende Feuerchen überließen sie sich selbst, schoben nur den lockeren hellen Sand wallartig herum. Thomas sah Vater Sebastian als letzten im schwachen Licht verschwinden. Er selbst fühlte sich schwer wie Blei, streckte sich auf dem Sand aus, starrte zum indigoblauen Nachthimmel und nahm die tausend flimmernden Sterne mit in seine tiefen Träume.

      Nichts bemerkte er mehr von den zwei Mandelaugen über dem Dachmäuerchen, die hellwach auf ihn niederblickten. Debora als einzige dachte nicht an Schlaf. Als sie überzeugt war, daß alle schliefen, schlich sie leise nach unten, tastete nach einer Öllampe und ging auf nackten Sohlen in den Hof. Der fremde Gast hatte sich dicht an der Hauswand niedergelassen, sie hörte seine tiefen Atemzüge. Debora tastete am schwach glühenden Feuerrest nach einem glimmenden Zweig, mit dem sie ihr Lämpchen anzündete. Erst drinnen zog sie den Docht höher, damit er genügend Licht gab. Sie selber hatte die Taschen des Boten in der Küche verstaut. Die Münzen in der Kuriertasche klimperten aneinander, als Debora sie hastig aus dem Versteck holte und öffnete. Erschreckt blickte sie um sich, als müßte das leise Klirren alle Schläfer wie Schellenklang geweckt haben. Doppelt vorsichtig griff sie in die Tasche und zog eine versiegelte Papyrusrolle ans Licht. Es war ein einfaches Tonsiegel, unordentlich gepreßt wie in höchster Eile, sein Zeichen kaum erkennbar und nach der langen Wegstrecke bis zum Zerbröckeln ausgetrocknet. Mit einem Messer hantierte Debora behutsam, bis sich das ganze Siegel abheben ließ und sie den Papyrus aufrollen konnte. Sie erkannte griechische Schriftzeichen, die sie ebenso lesen konnte wie lateinische oder die in Judäa üblichen aramäischen der jüdisch-palästinensischen Sprache. Im römischen Imperium, einem Vielvölkerstaat, war Mehrsprachigkeit nichts Besonderes, doch was auf dem feinen Papyrus mit griechischen Buchstaben geschrieben stand, war in der koptischen Sprache Ägyptens abgefaßt, die das Mädchen nur bruchstückhaft kannte. Enttäuscht versuchte sie, den Inhalt zu entziffern. Das Schreiben war offensichtlich von Tante Angela, der älteren der reichen Schwestern abgefaßt, mit zittriger Hand, und – so viel begriff Debora bei der mühsamen Lektüre – Angela fürchtete sich vor ihrer einzigen Schwester Agatha! War das zu fassen? Galten die beiden nicht als unzertrennlich in ihrer schwesterlichen Liebe?

      Ja, von Liebe handelte die Botschaft an Samuel, von der großen, schmerzlichen, einzigen Liebe ihres Lebens, das konnte Debora erraten. Er sollte wissen, daß Angela ihn von Anfang an geliebt und nie damit aufgehört hatte. Aber warum gestand Angela Samuel ihre Liebe gerade jetzt, nachdem sie sie offenbar mehr als dreißig Jahre lang unterdrückt hatte? Warum jetzt solche Eile? Es folgten einige wirre, schwer verständliche Zeilen,

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