Die bekanntesten Theaterstücke. Heinrich von Kleist
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Nicht selbst dem eignen Vater gegenüber
Auf seine Seite treten würde? Nun,
Du Tor, wie könnt ich denn dies Schwert, dies gestern
Empfangne, dies der Rache auf sein Haupt
Geweihte, so mit Wollust tragen? – Doch
Nichts mehr davon, das kannst du nicht verstehn.
Zum Schlusse – wir, wir hätten, denk ich, nun
Einander wohl nichts mehr zu sagen?
JERONIMUS: – Nein.
OTTOKAR:
Leb wohl!
JERONIMUS: Ottokar!
Was meinst du? Sieh, du schlägst mir ins Gesicht,
Und ich, ich bitte dich mit mir zu reden –
Was meinst du, bin ich nicht ein Schurke?
OTTOKAR: Willst
Dus wissen, stell dich nur an diesen Sarg.
(Ottokar ab. Jeronimus kämpft mit sich, will ihm nach, erblickt dann den Kirchenvogt.)
JERONIMUS:
He, Alter!
KIRCHENVOGT: Herr!
JERONIMUS: Du kennst mich?
KIRCHENVOGT: Warst du schon
In dieser Kirche?
JERONIMUS: Nein.
KIRCHENVOGT: Ei, Herr, wie kann
Ein Kirchenvogt die Namen aller kennen,
Die außerhalb der Kirche?
JERONIMUS: Du hast recht:
Ich bin auf Reisen, hab hier angesprochen,
Und finde alles voller Leid und Trauer.
Unglaublich dünkts mich, was die Leute reden,
Es hab der Oheim dieses Kind erschlagen.
Du bist ein Mann doch, den man zu dem Pöbel
Nicht zählt, und der wohl hie und da ein Wort
Von höhrer Hand erhorchen mag. Nun, wenns
Beliebt, so teil mir, was du wissen magst,
Fein ordentlich und nach der Reihe mit.
KIRCHENVOGT:
Seht, Herr, das tu ich gern. Seit alten Zeiten
Gibts zwischen unsern beiden Grafenhäusern,
Von Rossitz und von Warwand einen Erbvertrag,
Kraft dessen nach dem gänzlichen Aussterben
Des einen Stamms, der gänzliche Besitztum
Desselben an den andern fallen sollte.
JERONIMUS:
Zur Sache, Alter! das gehört zur Sache nicht.
KIRCHENVOGT:
Ei, Herr, der Erbvertrag gehört zur Sache.
Denn das ist just als sagtest du, der Apfel
Gehöre nicht zum Sündenfall.
JERONIMUS: Nun denn,
So sprich.
KIRCHENVOGT: Ich sprech! Als unser jetzger Herr
An die Regierung treten sollte, ward
Er plötzlich krank. Er lag zwei Tage lang
In Ohnmacht; alles hielt ihn schon für tot,
Und Graf Sylvester griff als Erbe schon
Zur Hinterlassenschaft, als wiederum
Der gute Herr lebendig ward. Nun hätt
Der Tod in Warwand keine größre Trauer
Erwecken können, als die böse Nachricht.
JERONIMUS:
Wer hat dir das gesagt?
KIRCHENVOGT: Herr, zwanzig Jahre sinds,
Kanns nicht beschwören mehr.
JERONIMUS: Sprich weiter.
KIRCHENVOGT: Herr,
Ich spreche weiter. Seit der Zeit hat der
Sylvester stets nach unsrer Grafschaft her
Geschielt, wie eine Katze nach dem Knochen,
An dem der Hund nagt.
JERONIMUS: Tat er das!
KIRCHENVOGT: Sooft
Ein Junker unserm Herrn geboren ward,
Soll er, spricht man, erblaßt sein.
JERONIMUS: Wirklich?
KIRCHENVOGT: Nun,
Weil alles Warten und Gedulden doch
Vergebens war, und die zwei Knaben wie
Die Pappeln blühten, nahm er kurz die Axt,
Und fällte vorderhand den einen hier,
Den jüngsten, von neun Jahren, der im Sarg.
JERONIMUS:
Nun das erzähl, wie ist das zugegangen?
KIRCHENVOGT:
Herr, ich erzähls dir ja. Denk dir, du seist
Graf Rupert, unser Herr, und gingst an einem Abend
Spazieren, weit von Rossitz, ins Gebirg;
Nun denke dir, du fändest plötzlich dort
Dein Kind, erschlagen, neben ihm zwei Männer
Mit blutgen Messern, Männer, sag ich dir
Aus Warwand. Wütend zögst du drauf das Schwert
Und machtst sie beide nieder.
JERONIMUS: Tat Rupert das?
KIRCHENVOGT: