Die bekanntesten Theaterstücke. Heinrich von Kleist
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Читать онлайн книгу Die bekanntesten Theaterstücke - Heinrich von Kleist страница 42
(Beide ab. Agnes und Barnabe lassen sich am Eingange sehen.)
AGNES:
Die Schreckensnacht! Entsetzlich ist der Anblick!
Ein Leichenzug mit Kerzen, wie ein Traum
Im Fieber! Weit das ganze Tal erleuchtet
Vom blutig-roten Licht der Fackeln. Jetzt
Durch dieses Heer von Geistern geh ich nicht
Zu Hause. Wenn die Höhle leer ist, wie
Du sagst –
BARNABE: Soeben gingen die zwei Ritter
Heraus.
AGNES: So wäre Ottokar noch hier?
Ottokar! – – Ottokar!
OTTOKAR (mit matter Stimme): Agnes!
AGNES:
Wo bist du? – Ein Schwert – im Busen – Heiland!
Heiland der Welt! Mein Ottokar! (Sie fällt über ihn.)
OTTOKAR: Es ist –
Gelungen. – Flieh! (Er stirbt.)
BARNABE: O Jammer! Gott des Himmels!
Mein Fräulein! Sie ist sinnlos! Keine Hülfe!
Ermanne dich, mein Fräulein! – Gott! Die Fackeln!
Sie nahen! Fort, Unglückliche! Entflieh! (Ab.)
(Sylvester und Theistiner treten auf; eine Fackel folgt.)
SYLVESTER:
Der Zug soll halten. (Zu Theistiner.) Ist es diese Höhle?
THEISTINER:
Ja, Herr, von dieser sprach Johann, und darf
Man seiner Rede traun, so finden wir
Am sichersten das Fräulein hier.
SYLVESTER: Die Fackel vor!
THEISTINER: Wenn ich nicht irre, seh ich Ottokar
Dort liegt auch Agnes!
SYLVESTER: Am Boden! Gott der Welt!
Ein Schwert im Busen meiner Agnes!
AGNES (richtet sich auf):
Wer ruft?
SYLVESTER: Die Hölle ruft dich, Mörder!
(Er ersticht sie.)
AGNES: Ach! (Sie stirbt.)
(Sylvester läßt sich auf ein Knie neben der Leiche Ottokars nieder.)
THEISTINER (nach einer Pause):
Mein bester Herr, verweile nicht in diesem
Verderblich dumpfen Schmerz! Erhebe dich!
Wir brauchen Kraft, und einem Kinderlosen
Zerreißt der Schreckensanblick das Gebein.
SYLVESTER:
Laß einen Augenblick mich ruhn. Es regt
Sich sehr gewaltig die Natur im Menschen,
Und will, daß man, gleich einem einzgen Gotte,
Ihr einzig diene, wo sie uns erscheint.
Mich hat ein großer Sturm gefaßt, er beugt
Mein wankend Leben tief zur Gruft. Wenn es
Nicht reißt, so steh ich schrecklich wieder auf,
Ist der gewaltsam erste Anfall nur
Vorüber.
THEISTINER: Doch das Zögern ist uns sehr
Gefährlich – – Komm! Ergreif den Augenblick!
Er wird so günstig niemals wiederkehren.
Gebeut die Rache und wir wettern wie
Die Würgeengel über Rossitz hin!
SYLVESTER:
Des Lebens Güter sind in weiter Ferne,
Wenn ein Verlust so nah, wie diese Leiche,
Und niemals ein Gewinst kann mir ersetzen,
Was mir auf dieser Nummer fehlgeschlagen.
Sie blühte wie die Ernte meines Lebens,
Die nun ein frecher Fußtritt mir zertreten,
Und darben werd ich jetzt, von fremden Müttern
Ein fremdes Kind zum Almos mir erflehen.
THEISTINER:
Sylvester, hör mich! Säume länger nicht!
SYLVESTER:
Ja, du hast recht! es bleibt die ganze Zukunft
Der Trauer, dieser Augenblick gehört
Der Rache. Einmal doch in meinem Leben
Dürst ich nach Blut, und kostbar ist die Stimmung.
Komm schnell zum Zuge.
(Man hört draußen ein Geschrei: Holla! Herein! Holla!)
THEISTINER: Was bedeutet das?
(Rupert und Santing werden von Rittern Sylvesters gefangen aufgeführt.)
EIN RITTER:
Ein guter Fund, Sylvester! Diese saubern
Zwei Herren, im Gesträuche hat ein Knappe,
Der von dem Pferd gestiegen, sie gefunden.
THEISTINER:
Sylvester! Hilf mir sehn, ich bitte dich!
Er ists! Leibhaftig! Rupert! Und der Santing.
SYLVESTER (zieht sein Schwert):
Rupert!
THEISTINER: Sein Teufel ist ein Beutelschneider,
Und führt in eigener Person den Sünder
In seiner Henker Hände.
SYLVESTER: