Die bekanntesten Theaterstücke. Heinrich von Kleist
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Читать онлайн книгу Die bekanntesten Theaterstücke - Heinrich von Kleist страница 60
SOSIAS:
Ei, so bewahr der Himmel mich, was für ein Anfall!
CHARIS:
Nichts also nennst du, nichts mir das Verfahren,
Das du dir schamlos gegen mich erlaubt?
SOSIAS:
Was denn erlaubt ich mir? Was ist geschehn?
CHARIS:
Was mir geschehn? Ei seht! Den Unbefangenen!
Er wird mir jetzo, wie sein Herr, behaupten,
Daß er noch gar in Theben nicht gewesen.
SOSIAS:
Was das betrifft, mein Seel! Da sag ich dir,
Daß ich nicht den Geheimnisvollen spiele.
Wir haben einen Teufelswein getrunken,
Der die Gedanken rein uns weggespült.
CHARIS:
Meinst du, mit diesem Pfiff mir zu entkommen?
SOSIAS:
Nein Charis. Auf mein Wort. Ich will ein Schuft sein,
Wenn ich nicht gestern schon hier angekommen.
Doch weiß ich nichts von allem, was geschehn,
Die ganze Welt war mir ein Dudelsack.
CHARIS:
Du wüßtest nicht mehr, wie du mich behandelt,
Da gestern abend du ins Haus getreten?
SOSIAS:
Der Henker hol es! Nicht viel mehr, als nichts.
Erzähl's, ich bin ein gutes Haus, du weißt,
Ich werd mich selbst verdammen, wenn ich fehlte.
CHARIS:
Unwürdiger! Es war schon Mitternacht,
Und längst das junge Fürstenpaar zur Ruhe,
Als du noch immer in Amphitryons
Gemächern weiltest, deine Wohnung noch
Mit keinem Blick gesehn. Es muß zuletzt
Dein Weib sich selber auf die Strümpfe machen,
Dich aufzusuchen, und was find ich jetzt?
Wo find ich jetzt dich, Pflichtvergessener?
Hin auf ein Kissen find ich dich gestreckt,
Als ob du, wie zu Haus, hier hingehörtest.
Auf meine zartbekümmerte Beschwerde,
Hat dies dein Herr, Amphitryon, befohlen,
Du sollst die Reisestunde nicht verschlafen,
Er denke früh von Theben aufzubrechen,
Und was dergleichen faule Fische mehr.
Kein Wort, kein freundliches, von deinen Lippen.
Und da ich jetzt mich niederbeuge, liebend,
Zu einem Kusse, wendest du, Halunke,
Der Wand dich zu, ich soll dich schlafen lassen.
SOSIAS:
Brav, alter, ehrlicher Sosias!
CHARIS:
Was?
Ich glaube gar du lobst dich noch? Du lobst dich?
SOSIAS:
Mein Seel, du mußt es mir zugute halten.
Ich hatte Meerrettich gegessen, Charis,
Und hatte recht, den Atem abzuwenden.
CHARIS:
Ei was! Ich hätte nichts davon gespürt,
Wir hatten auch zu Mittag Meerrettich.
SOSIAS:
Mein Seel. Das wußt ich nicht. Man merkt's dann nicht.
CHARIS:
Du kömmst mit diesen Schlichen mir nicht durch.
Früh oder spät wird die Verachtung sich,
Mit der ich mich behandelt sehe, rächen.
Es wurmt mich, ich verwind es nicht, was ich
Beim Anbruch hier des Tages hören mußte,
Und ich benutze dir die Freiheit noch,
Die du mir gabst, so wahr ich ehrlich bin.
SOSIAS:
Welch eine Freiheit hab ich dir gegeben?
CHARIS:
Du sagtest mir und warst sehr wohl bei Sinnen,
Daß dich ein Hörnerschmuck nicht kümmern würde,
Ja daß du sehr zufrieden wärst, wenn ich
Mit dem Thebaner mir die Zeit vertriebe,
Der hier, du weißt's, mir auf der Fährte schleicht.
Wohlan, mein Freund, dein Wille soll geschehn.
SOSIAS:
Das hat ein Esel dir gesagt, nicht ich.
Spaß hier beiseit. Davon sag ich mich los.
Du wirst in diesem Stück vernünftig sein.
CHARIS:
Kann ich es gleichwohl über mich gewinnen?
SOSIAS:
Still jetzt, Alkmene kommt, die Fürstin.
Vierte Szene
Alkmene. Die Vorigen.
ALKMENE:
Charis!