Die bekanntesten Theaterstücke. Heinrich von Kleist
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In Lebensfülle, in dem Sarge morgen.
– Warum denn hätten sie vor sieben Jahren,
Als mir die Tochter starb, sich nicht erkundigt?
War das ein Eifer nicht! Die Nachricht bloß
Der Krankheit konnte kaum in Rossitz sein,
Da flog ein Bote schon herüber, fragte
Mit wildverstörter Hast im Hause, ob
Der Junker krank sei? – Freilich wohl, man weiß,
Was so besorgt sie macht', der Erbvertrag,
Den wir schon immer, sie nie lösen wollten.
Und nun die bösen Flecken noch am Leibe,
Der schnelle Übergang in Fäulnis – Still!
Doch still! der Vater kommt. Er hat mirs streng
Verboten, von dem Gegenstand zu reden.
(Sylvester und der Gärtner treten auf)
SYLVESTER:
Kann dir nicht helfen, Meister Hans. Geb zu,
Daß deine Rüben süß wie Zucker sind. –
GÄRTNER:
Wie Feigen, Herr.
SYLVESTER: Hilft nichts. Reiß aus, reiß aus –
GÄRTNER:
Ein Gärtner, Herr, bepflanzt zehn Felder lieber
Mit Buchsbaum, eh er einen Kohlstrunk ausreißt.
SYLVESTER:
Du bist ein Narr. Ausreißen ist ein froh Geschäft,
Geschiehts um etwas Besseres zu pflanzen.
Denk dir das junge Volk von Bäumen, die,
Wenn wir vorbeigehn, wie die Kinder tanzen,
Und uns mit ihren Blütenaugen ansehn.
Es wird dich freuen, Hans, du kannsts mir glauben.
Du wirst sie hegen, pflegen, wirst sie wie
Milchbrüder deiner Kinder lieben, die
Mit ihnen Leben ziehn aus deinem Fleiße.
Zusammen wachsen wirst du sie, zusammen
Sie blühen sehn, und wenn dein Mädel dir
Den ersten Enkel bringt, gib acht, so füllen
Zum Brechen unsre Speicher sich mit Obst.
GÄRTNER:
Herr, werden wirs erleben?
SYLVESTER: Ei, wenn nicht wir,
Doch unsre Kinder.
GÄRTNER: Deine Kinder? Herr,
Ich möchte lieber eine Eichenpflanzung
Groß ziehen, als dein Fräulein.
SYLVESTER: Wie meinst du das?
GÄRTNER:
Denn wenn sie der Nordostwind nur nicht stürzt,
So sollt mir mit dem Beile keiner nahn,
Wie Junker Philipp'n.
SYLVESTER: Schweig! Ich kann das alberne
Geschwätz im Haus nicht leiden.
GÄRTNER: Nun, ich pflanz
Die Bäume. Aber eßt Ihr nicht die Früchte,
Der Teufel hol mich, schick ich sie nach Rossitz.
(Gärtner ab; Agnes verbirgt ihr Gesicht an die Brust ihrer Mutter.)
SYLVESTER:
Was ist das? Ich erstaune – O daran ist,
Beim Himmel! niemand schuld als du, Gertrude!
Das Mißtraun ist die schwarze Sucht der Seele,
Und alles, auch das Schuldlos-Reine, zieht
Fürs kranke Aug die Tracht der Hölle an.
Das Nichtsbedeutende, Gemeine, ganz
Alltägliche, spitzfündig, wie zerstreute
Zwirnfäden, wirds zu einem Bild geknüpft,
Das uns mit gräßlichen Gestalten schreckt.
Gertrude, o das ist sehr schlimm. –
GERTRUDE: Mein teurer
Gemahl! –
SYLVESTER: Hättst du nicht wenigstens das Licht,
Das, wie du vorgibst, dir gezündet ward,
Verbergen in dem Busen, einen so
Zweideutgen Strahl nicht fallen lassen sollen
Auf diesen Tag, den, hätt er was du sagst
Gesehn, ein mitternächtlich Dunkel ewig,
Wie den Karfreitag, decken müßte.
GERTRUDE: Höre
Mich an. –
SYLVESTER: Dem Pöbel, diesem Starmatz – diesem
Hohlspiegel des Gerüchtes – diesem Käfer
Die Kohle vorzuwerfen, die er spielend
Aufs Dach des Nachbars trägt –
GERTRUDE: Ihm vorgeworfen?
O mein Gemahl, die Sache lag so klar
Vor aller Menschen Augen, daß ein jeder,
Noch eh man es verbergen konnte, schon
Von selbst das Rechte griff.
SYLVESTER: Was meinst du? Wenn
Vor achtzehn Jahren, als du schnell nach Rossitz
Zu deiner Schwester eiltest, bei der ersten
Geburt ihr beizustehn, die Schwester nun,
Als sie den neugebornen Knaben tot
Erblickte, dich beschuldigt hätte, du,