Essentielle Werke des Heiligen Ambrosius von Mailand, Band 2. Ambrosius von Mailand
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Um nur ein Beispiel anzuführen: Als Johannes und Jakobus sagten, sie wollten Feuer vom Himmel herabflehen, die zu vernichten, welche dem Herrn die Aufnahme verweigert hatten, da wies sie der Herr zurück mit den Worten: „Ihr wisset nicht, weß Geistes Kinder ihr seid: des Menschen Sohn ist nicht gekommen, die Seelen der Menschen zu verderben, sondern sie selig zu machen.“ Jenen sagte er: „Ihr wisset nicht, weß Geistes Kinder ihr seid,“ und doch waren sie seines Geistes. Euch aber sagt er: „Ihr seid nicht meines Geistes, weil ihr meine Milde nicht bewahret, weil ihr mein Erbarmen zurückweiset, weil ihr die Buße ausschließet, die ich doch durch meine Apostel in meinem Namen gepredigt wissen wollte.“
Ihr saget ohne allen Grund, daß auch ihr Buße predigt, da ihr ja die Frucht der Buße ausschließet. Die Menschen werden nämlich lediglich durch Belohnung oder durch die Aussicht auf die Frucht ihrer Bemühungen zu ernstem Streben angeeifert; und jedes Streben ermattet durch die Verzögerung dieser Frucht. Gerade deßhalb sagte auch der Herr, um den Eifer und die Hingabe seiner Jünger zu steigern, daß derjenige, welcher Alles verlassen und ihm gefolgt sei, Hundertfältiges erhalten werde, sowohl hier als im Jenseits. Zuerst verheißt er den Lohn in der Gegenwart, um den Widerwillen, der aus der Hinhaltung des Lohnes hervorgeht, zu heben; dann weiset er auf das Jenseits hin, damit wir lernen, gläubig zu vertrauen, wie auch im Jenseits der Lohn unser wartet. Die Belohnung in der Gegenwart ist ein Zeugniß für die Belohnung in der Ewigkeit.
Wenn nun Jemand, mit geheimen Vergehen belastet, um Christi willen doch eifrig der Buße sich unterzogen hat, wie wird ihm jene Belohnung zu Theil, wenn ihm die Gemeinschaft mit der Kirche nicht erschlossen wird? Ich will, daß der sündige Mensch auf Verzeihung hoffe, daß er sie erflehe mit Thränen und Seufzern, daß mit ihm die Thränen des ganzen Volkes um Verzeihung flehen. Wenn dann zum zweiten und dritten Male die Wiedervereinigung ihm versagt ward, so möge er sich überzeugt halten, daß er immer noch zu wenig ausdauernd gefleht hat: seine Thränen mögen reicher fließen, er möge jammervoller zurückkehren, er möge die Füße der Vorübergehenden mit seinen Armen umfassen, mit Küssen bedecken, mit seinen Thränen baden und nicht nachlassen, bis der Herr Jesus auch zu ihm sagt: „Ihm sind viele Sünden vergeben, weil er viel geliebet hat!“
Ich habe Büßer kennen gelernt, deren Antlitz die Trauer durchfurcht, in deren Wangen die steten Thränenströme tiefe, scharfe Linien gegraben hatten. Sie lagen am Boden, als wollten sie Allen ihren Leib darbieten, über ihn hinzuschreiten; ihrem todtbleichen Antlitz war der Stempel der Entbehrung und des Fastens aufgedrückt.
Cap. 17
Was warten wir denn darauf, daß diejenigen, welche im Leben sich den Tod gaben (d. i. durch Buße sich abtödteten), erst nach ihrem (leiblichen) Tode Verzeihung erhalten? „Es ist für einen solchen Sünder“, sagt der Apostel, „genügend diese Züchtigung, die von Vielen geschehen, so daß ihr im Gegentheile ihm vielmehr vergeben und ihn trösten sollet, damit er, der ein solcher ist, nicht etwa in allzugroße Traurigkeit versinke.“ Wenn die Züchtigung, die von Vielen geschehen, hinreicht zur Bestrafung, wie sollte dann das Flehen, das Viele zum Himmel emporsenden, nicht genügen zur Verzeihung der Sünde? Der Lehrer, der die Sitte, aber auch die menschliche Schwäche kennt, der Verkündiger göttlichen Erbarmens: er will, daß die Sünde vergeben, daß die Tröstung gewährt werde, damit nicht die Traurigkeit über die zu lange Verschiebung der Lossprechung ihn im Elend vernichte.
Darum also verzieh der Apostel, und er verzieh nicht bloß, sondern er wollte auch, daß die Liebe zu dem gebesserten Sünder sich wieder stärke. Derjenige, welcher in Liebe ergeben ist, der kennt keine Härte, der kennt nur Milde. Auch verzieh er nicht bloß für sich selbst; er wollte auch, daß Alle ihm verzeihen möchten, und er erklärte ausdrücklich, daß er um der Anderen willen verziehen habe, damit nicht Viele wegen des Einen länger trauerten. „Wem ihr etwas verziehen habt, dem habe auch ich verziehen: denn was ich vergeben habe, das geschah euretwillen an Christi Statt, damit wir nicht vom Satan übervortheilt werden; denn seine Anschläge sind uns nicht unbekannt.“ Der kann wohl auf der Hut sein vor der Schlange, welcher ihre listigen Anschläge nicht verkennen kann, deren ja so viele sind, um uns zu schaden. Die Schlange will immer schaden, immer täuschen, um uns den Tod zu bringen: aber wir müssen Sorge tragen, daß unser Heilmittel nicht zum Triumphe für den Satan werde. Wir werden überlistet, wenn Jemand in zu großer Trauer zu Grunde geht, während er durch erbarmungsvollen Nachlaß gerettet werden konnte.
Damit wir aber nicht im Zweifel seien, daß er von Getauften redet, fügt er hinzu: „Ich habe euch geschrieben, daß ihr mit Unkeuschen keine Gemeinschaft haben solltet; das meinte ich aber nicht von den Unkeuschen dieser Welt; denn sonst müßtet ihr aus der Welt gehen. Ich schrieb euch vielmehr, da keine Gemeinschaft zu haben, wenn einer, der Bruder heißet, ein Unkeuscher oder ein Geiziger oder ein Götzendiener ist.“ Verbindet er nun diese verschiedenen Arten von Sünden mit einander behufs Duldung der Strafe, so wollte er auch, daß Alle in Beziehung zur Sühne stünden. „Mit einem solchen“, sagt der Apostel, „sollet ihr nicht einmal essen.“ Wie strenge ist der Apostel gegen die hartnäckigen und verstockten Sünder, wie nachsichtig gegen die, welche um Verzeihung bitten! Gegen jene wird die Beleidigung, die dem Herrn zugefügt würde, aufgerufen, diesen kommt die Anrufung Christi zu Hilfe.
Nun könnte Jemand dadurch gestört werden, daß geschrieben steht: „Ich habe diesen Menschen dem Satan zum Verderben des Fleisches übergeben.“ Man könnte sagen: Wie mochte derjenige Anspruch auf Verzeihung haben, dessen Fleisch ganz dem Verderben geweiht war, da es doch offenbar ist, daß der Mensch nach beiden Seiten erlöset ist und gerettet wird: die Seele nicht ohne den Leib, und der Leib nicht ohne die Seele? Während beide durch die Theilnahme an ihren Werken mit einander verbunden sind, sollen sie nun ohne gleiche Theilnahme an Lohn und Strafe sein? Wenn Jemand so spricht, so möge ihm zur Antwort dienen, daß unter „dem Verderben des Fleisches“ hier nicht die vollendete Vernichtung, sondern die Züchtigung des Fleisches zu verstehen ist. Wie nämlich derjenige, welcher der Sünde abgestorben ist, Gott lebt, so gehen die Lüste des Fleisches zu Grunde, und es stirbt das Fleisch seinen Begierden ab, damit es wieder zur Keuschheit und zu den anderen guten Werken erstehe.
Woher können wir ein passenderes Beispiel nehmen, als von unserer gemeinsamen Mutter? Die Erde, von der wir genommen sind, erscheint ja auch, wenn ihre Bebauung zeitweise unterbleibt, öde und verlassen; sie ist dann für die Wein- und Oelpflanzungen, denen sie sonst diente, gestorben: aber ihren Lebenssaft, ihre Seele gleichsam, verliert sie nicht. Tritt die Bebauung wieder ein, werden die Saatkörner, zu deren Aufnahme sie geeignet erscheint, ihr wieder anvertraut, so ersteht sie wieder, nur reicher an Früchten. Es ist also nicht etwas so ganz Fremdes, wenn auch von unserem Fleische in diesem Sinne gesagt wird, daß es verderbe: es soll eigentlich nur gebändigt, nicht vernichtet werden.
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